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Himmlisches Zeugs: Sauna

Gemeinsames Erlebnis

Ja, ich weiß: Bei den Finnen, im Land des Saunierens, ist das gepflegte Schwitzen der soziale Anlass schlechthin.

Die sonst nicht unbedingt für ihre Kontaktfreudigkeit und Redseligkeit bekannten Bewohner des Nordens werden in der Sauna nicht nur ihre Kleidung los, sondern auch ihre Zurückhaltung:

Mit der Temperatur des hölzernen Kubus steigt auch die Lautstärke der Unterhaltungen, jeder ist willkommen, und selbst Fremde kommen hier schnell miteinander ins angeregte Gespräch.

Der gemeinsame Saunabesuch, habe ich mir von einer finnischen Bekannten erklären lassen, erstreckt sich über viele Zyklen, für welche immer neu «aufgegossen» wird, und er kann mehrere Stunden dauern – natürlich mit zahlreichen Unterbrechungen, die zur Abkühlung im eiskalten See, zum Würstchen-Grillen, Biertrinken oder Kaffeeschlürfen genutzt werden.

Einsames Schwitzen

Das stelle ich mir durchaus spassig vor.

Aber das ist nicht der Grund, weshalb es mich immer wieder in die aufgeheizten Räume lokaler Wellnessoasen zieht. Im Gegenteil.

Auch wenn ich in aller Regel ein überaus geselliger Mensch bin: In der Sauna mag ich es gerne ruhig. Am liebsten bin ich sogar ganz allein.

An meinem Lieblingsort für solche Belange gibt es eine halb im Boden versenkte Saunahütte mit einer Innentemperatur von 110 Grad Celsius. Das ist heiß genug, um sogar das Plastikbändchen vom Garderobenschrank derart zu erwärmen, dass man sich daran verbrennen kann.

In der Mitte des Raumes brennen Holzscheite und geben noch an der schützenden Glasscheibe vorbei einen wunderbaren Duft von sich. Man kann das Knistern des Feuers hören, das Knacken, wenn sich ein Spalt im Holz anbahnt. Die Glut erstrahlt in leuchtenden Farbtönen.

Und sonst?

Nichts.

Nichts.

Das ist es wohl, was mich an der Erfahrung des Saunabesuches nicht mehr loslässt.

Gewiss kann ich auch andere Angebote im Wellnessbereich wertschätzen. Sprudeln ist auch nicht falsch, oder Schwimmen im gewärmten Aussenbecken. Aber mein Kopf füllt sich bei diesen Gelegenheiten gerne mit allen möglichen Gedanken, beginnt Pläne zu schmieden und Probleme zu lösen.

In der Sauna ist das anders.

Es ist wohl nicht das Schwitzen an sich, das ich geniesse. Es ist die Tatsache, dass der Körper von der schier unerträglichen Hitze so eingenommen wird, dass auch für meinen Verstand kein Platz für Grübeleien mehr bleibt, kein Raum für das Abwägen von Argumenten, für innere Dialoge, für Rekapitulationen von Begegnungen und Auseinandersetzungen.

Für fünfzehn Minuten gibt es nur die Hitze, in die ich eintauche. Nur ich und mein schlagendes Herz, mein schwitzender Körper.

Rares Gut

Natürlich könnte man jetzt sagen: Ist das nicht traurig, dass eine solche hitzetechnische «Rosskur» nötig ist, um mich aus der Denkspirale herauszuwerfen? Das mag schon sein.

Und besser wird es auch nicht, wenn ich an Zeiten erinnere, in denen ich mir auch den Besuch der Sauna nicht mehr gegönnt habe. Monate etwa in der Phase mit Kleinkindern, in denen ich mich im Klo eingeschlossen habe, nicht weil mich ein dringendes biologisches Bedürfnis getrieben hätte, sondern um wenigstens ein paar unbehelligte Minuten für mich verbringen zu können. Auch meiner Frau ging es damals ähnlich.

Manche Lebenszeiten fordern uns gesteigerte Aufmerksamkeit und Belastbarkeit ab und machen die stillen Momente zu einem raren Gut.

Manchmal kommt die Seele eben erst zur Ruhe, wenn der Körper mit sich selbst genug zu tun hat. Das zumindest erlebe ich, wenn ich in der Sauna schwitze – und alles andere vergesse.

 

Photo by Gleb Albovsky on Unsplash

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