Less noise – more conversation.

 Lesedauer: 2 Minuten

Planet A: Die Klimakolumne. Das Veloglocken-Dilemma

Soll ich klingeln?

Je stärker ich in die Pedalen trete, desto schneller rollt das Dilemma auf mich zu. Der Sommer hat wieder einige Spaziergänger:innen auf den Fahrradweg gelockt. Nervös taste ich nach meiner Veloglocke. Soll ich wirklich klingeln?

Ich sehe die weit aufgerissenen Augen schon vor mir. Sie starren mich an, als hätte ich sie gerade dabei erwischt, wie sie absichtlich einer Katze auf den Schwanz treten.

Ein missverständliches Signal

Veloglocken sind eigentlich dazu gemacht, Spaziergänger:innen freundlich auf die Seite zu bitten.

Doch es fühlt sich jedes Mal so an, als würde mein Klingeln die Leute anschreien, gefälligst aus dem Weg zu gehen und sich zu schämen, weil sie so viel Platz beanspruchen.

Entsprechend ziehen die meisten ihre Schultern ein und hechten erschrocken zur Seite. Manche drehen sich zuerst wütend um, bevor sie langsam durch mein entschuldigendes Lächeln an den Wegrand bewegt werden.

Ich will doch niemandem etwas vorwerfen! Ich hätte nur gerne etwas mehr Platz.

Die vegetarische Glocke

Diesen ertappten Blick der Spaziergänger:innen entdecke ich auch oft im Gesicht von Grillmeister:innen. «Hat es auch etwas Vegetarisches?», ist wie eine schrille Veloglocke, die mehr Emotionen auslöst, als beabsichtigt.

Mit eingezogenen Schultern zeigen mir manche den Weg zum Salatbuffet, welches so lecker sei, dass es gar nichts vom Grill dazu brauche. Andere ziehen die Augenbrauen zusammen und fragen spöttisch, ob ich denn auch um das Wohl der Ameisen besorgt sei, die gerade von den Gästen der Gartenparty zertreten würden.

Meine Frage nach pflanzlichen Nahrungsmitteln scheint Fleischgeniesser:innen vorzuwerfen, sie würden mit blossen Händen Eisbären im Meer ertränken und Kindern in Kenia das Brot vom Teller klauen.

Dabei hätte ich einfach gern etwas Grillgemüse zu meinem Maissalat.

Die innere Glocke

Vielleicht probiere ich nächstes Mal eine andere Form, um auf mein Bedürfnis aufmerksam zu machen:

Ich könnte sagen, ich sei allergisch auf tierische Proteine. Oder ich drücke zuerst in einer fünfminütigen Rede mein tiefes Verständnis für Menschen aus, denen es schwerfällt, ihre Essgewohnheiten umzustellen.

Vielleicht könnte ich damit tatsächlich manche ertappten oder wütenden Blicke vermeiden. Aber das schlechte Gewissen, das wohl auch ohne mein Vegi-Outing in ihrem Innern klingelt, kann ich ihnen nicht nehmen.

 

Illustration: Rodja Galli

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