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Planet A. Die Klimakolumne. Der grösste Hebel

Kinderfragen im Altersheim

Neugierige Kinderaugen werden mich einmal anschauen, wenn ich strickend im Schaukelstuhl des Altersheims sitze. Sie fragen: «Was hast du getan? Damals, als man es noch hätte verhindern können?» Diese Frage dröhnt oft durch meinen Kopf. An manchen Tagen zerknittert sie mein Herz, an anderen verspannt sie meine Augenbrauen oder ballt meine Fäuste. Der Kühlschrank der Erde schmilzt, Waldbrände hinterlassen schwarze Schneisen, Menschen verlieren ihre Heimat: Aber als einzelner, kleiner Mensch kann ich doch nichts dagegen unternehmen!

Welcher Hebel zuerst?

Wenn man danach fragt, wie wir die Klimakrise lösen können, öffnet sich sofort das «Bermudadreieck der Verantwortung»: Politik, Wirtschaft und Individuen schieben sich gegenseitig die Schuld zu. Die Politik sieht sich gezwungen, Autobahnen auszubauen, weil der Individualverkehr die Strassen verstopft. Einzelpersonen sehen sich gezwungen, mit dem Auto zur Arbeit zu fahren, weil es mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu lange dauert. Wenn wir rauszoomen und nach den grossen Hebeln suchen, sind wir uns nicht einig, wer sich zuerst bewegen muss.

Zoom

Wenn ich hineinzoome, stosse ich allerdings auf eine interessante Entdeckung: Ich bin gleichzeitig Wählerin, Arbeitnehmerin und Konsumentin. Ich muss diese drei Bereiche nicht gegeneinander ausspielen – ich habe in allen drei Bereichen einen gewissen Einfluss!

Zugegeben – mein persönlicher Einfluss ist relativ gering. Aber letztendlich steckt hinter jeder politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entscheidung ein menschliches Herz. Die Frage ist deshalb nicht, welcher Sektor sich zuerst bewegen muss, sondern wie sich genug Herzen bewegen lassen, damit auf allen Ebenen die notwendigen Veränderungen geschehen.

Wie lassen sich Herzen bewegen?

Diese Frage geht raus an die Farbkomponistinnen, Tonschleifer, Bewegungsmalerinnen und Wortgärtner, die kunstvoll unsere Emotionen aufwühlen. Sie richtet sich an alle Eltern, die sich mit ihren Kindern über die bunten Blumen freuen. Sie richtet sich an alle Stammgäste der Dorfbeiz, die den Ausgang der künftigen Wahlen bestimmen. Und sie richtet sich auch an die Kirche.

Kirche und Klima?!

Am Deutschen Evangelischen Kirchentag wurde über das Klima diskutiert. In der Zürcher Kantonalkirche wird eine Schöpfungsinitiative lanciert. Dabei taucht immer wieder die Kritik auf, dass die Kirche nichts im Klimadiskurs zu suchen habe.

Aus Fehlern gelernt

Doch wenn es um Herzensveränderungen geht, dann sollten gerade wir uns beteiligen. Haben nicht wir über die Jahrhunderte gelernt, dass es mehr braucht, als einen moralischen Zeigefinger oder einen lukrativen Ablasshandel, um etwas zu verändern? Herzen setzen sich nur dort in Bewegung, wo sie Fehler und Begrenzungen angstfrei offenlegen können. Traditionell gestalten wir diese fehlertoleranten Räume durch Busse, Gnadenzuspruch und Abendmahl: Ich kann mich mit meiner eigenen Mitschuld konfrontieren, weil mich kein verurteilender Blick trifft. Gleichzeitig werde ich im Abendmahl Teil einer Gemeinschaft, welche mit vereinten Kräften die Welt gestaltet.

Herzschrittmacher

Die Welt tanzt nicht nach der Pfeife «der Politik» oder «der Wirtschaft», sondern sie tickt im Rhythmus unserer menschlichen Herzen. Was kann ich also tun, um der Klimakrise zu begegnen? Ich versuche als Wählerin, Arbeitnehmerin, Konsumentin und Christin meinen Herzschlag an den Puls anzupassen, der seit dem Beginn des Universums durch die Adern unseres Planeten fliesst. Der Puls einer unermüdlichen Schöpferkraft, die uns einlädt, mit ihr zusammen den Planeten zu gestalten: «Kümmert euch um meine Schöpfung!»

 

Grafik: Rodja Galli

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