Dein digitales Lagerfeuer
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Beiträge Ethik & Gesellschaft

Dochdoch, es hat durchaus mit Spiritualität zu tun: Die Frage danach wie in der Welt sein, ohne sich davon allzu sehr verrückt machen zu lassen. Nie war das deutlicher wahrnehmbar als jetzt. Können wir die entdeckte Wohltat eines etwas langsameren Rhythmus und kleineren Bewegungsradius beibehalten?
„Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“, lautet ein hässliches Sprichwort. Und so ringe ich mit der neuen Normalität, wo sich Gartenwirtschaften wieder füllen und fast niemand mit Mundschutz unterwegs ist.
Weltweit haben Menschen ihre Erfahrungen gesammelt, was es heisst, mit wenigen anderen eingeschlossen zu sein. Manche werden es erlebt haben als eine Zeit der Fülle, voll tiefer Begegnungen und gemeinsamen Aufblühens. Hossa, Masel Tov und Glückwunsch! Für alle anderen mag die Erinnerung an ein klassisches Werk des 20. Jahrhunderts lehrreich sein.
Während Städte wie ausgestorben wirken, tummelt sich das pralle Leben ausgerechnet auf Friedhöfen. Ein Tabubruch – oder im Gegenteil dessen Überwindung?
«Also, wie kann das sein, dass 'unser' Daniel Koch behauptet, Grosseltern dürften ihre Kinder in den Arm nehmen, während der Superstar-Virologe Prof. Dr. Christian Heinrich Maria Drosten eine Studie erwähnt, die just jenen signifikanten Unterschied widerlegt?» «Weshalb erzählt man uns zuerst, dass Masken nutzlos seien und jetzt sollen wir im Öffentlichen Verkehr eine tragen?»
In seinem 2010 erschienen Roman »Nemesis« erzählt Philipp Roth die Geschichte eines Polio-Ausbruchs in Newark im Jahre 1944. Mutig und gewissenhaft stellt sich ein junger Mann der Ausbreitung der Kinderlähmung entgegen. Doch dann wird er unvorsichtig; und höchstwahrscheinlich auch schuldig an der weiteren Verbreitung der Epidemie.
Die ganze Welt befindet sich im pandemiebedingten Ausnahmezustand. Und immer dringender und lauter wird die Frage: »Wie lange noch?« Das Bedürfnis auch in der westeuropäischen Bevölkerung wächst, die prekären Umstände hinter sich zu lassen und wieder zur Normalität zurückzukehren. Aber was ist schon normal?
Drei Gespräche mit guten Freunden in einer Woche haben mich stutzig gemacht. Zum Beispiel als ich Verständnis zeigte, dass manche die BAG-Kommunikation über die Nützlichkeit von Masken etwas diffus finden. «Die Menschen, also mindestens 80% von ihnen, sind zu doof für die Wahrheit. Man muss sie lenken, nicht aufklären.» Oder als ich mich darüber gefreut habe, dass das Parlament wieder tagt und um Massnahmen auch politisch gerungen werden kann. «Mir wäre die Verwaltung durch Experten auch langfristig lieber. Demokratie führt zu gar nichts.»
»Nostalgie« meint eine sehnsuchtsvolle Hinwendung zu vergangenen Erfahrungen, Eindrücken und Tätigkeiten. Was Heimweh für den Raum ist, das ist Nostalgie für die Zeit. Und das darf man sich dieser Tage auch mal gönnen…
Jetzt hätten wir die Chance, unsere Wirtschaft ganz grundsätzlich zu überdenken. Aber wir werden uns wohl gut schweizerisch durchwursteln. Ja, manchmal ist Klatschen auch nur ein Zeichen dafür, dass man leere Hände hat.
Natürlich, was soll die Frage? Wer möchte das nicht? Die letzten Monate haben doch mehr als deutlich gemacht, was wir alles opfern, um gesund zu bleiben. Gesundheit, so scheint es, ist ein wichtiges Ziel eines guten Lebens.
Krisenzeiten bringen das Beste und das Schlechteste im Menschen hervor. So gibt auch die aktuelle Pandemie-Ausnahmesituation genügend Grund, sich vor dem Menschsein zu ekeln – und es zugleich hochzuhalten. Die Frage bleibt: Worauf wollen wir in Zukunft setzen?
Die christliche Ethik unterscheidet zwischen einer „Freiheit von etwas“ und einer „Freiheit zu etwas“. Es ist dieser solidarische Gebrauch der Freiheit, der die Stärke liberaler Gesellschaften ausmacht, und der in der Coronakrise auf dem Prüfstand steht.

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