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 Lesedauer: 5 Minuten

Du glaubst an Gott? Scham und Glaube

Oft finde ich mich in Gesprächen mit Bekannten oder Unbekannten wieder, die es nicht fassen können, dass ich an Gott glaube. In der Regel erwähne ich es auch nicht, wenn ich nicht konkret auf meinen Glauben angesprochen werde. Nicht, weil ich mich meiner Gläubigkeit wegen schäme, sondern weil ich schon oft erlebt habe, dass ich mit der Aussage, dass ich Christin bin, mein Gegenüber in Verlegenheit bringe. Viele Menschen, die keinen religiösen Hintergrund haben, wissen nicht viel mit dieser Aussage anzufangen und reagieren dann entweder ablehnend oder zumindest irritiert.

Viel zu oft wurde ich in Gesprächen, die harmlos begannen, schon verletzt, weil mein Gegenüber sich nicht anders zu helfen wusste, als sich darüber lustig zu machen, dass ich an Gott glaube, obwohl das zu jemandem wie mir doch so gar nicht passt.

Was auch immer das heißen mag. Mir passt es ganz wunderbar. Ohne meinen Glauben wäre ich schließlich erst gar nicht zu dem Menschen geworden, der ich jetzt bin. Ich schäme mich dessen nicht, aber ich schäme mich häufig fremd für die unbeholfenen Reaktionen, die ich diesbezüglich erhalte. Ich schäme mich dafür, mich rechtfertigen zu müssen, wenn es mein Gesprächspartner von mir verlangt.

Scham im gelebten Glauben: Bin ich ein guter Christ?

Aber nicht nur viele meiner Kommunikationsversuche sind mit Scham besetzt, sondern auch der gelebte Glaube. Obwohl kaum einer weiß, wie man ein guter Christ ist und es meiner Ansicht nach die Aufgabe eines jeden ist, herauszufinden, welche Rolle der Glaube im Leben jedes Einzelnen spielt, gibt es auch hier immer wieder ein aufkommendes Schamgefühl. Wenn dich der Zweifel an der eigenen Tugend mit dem vermischt, was die anderen denken, kann man ganz schön ins Schwanken geraten.

Wie glaubt man denn nun richtig? Bin ich ein guter Christ oder will ich nur wie einer aussehen?

Man will die Bibel ernst nehmen, aber nicht zu ernst. Und selbst unter Theologen herrschen so viele Streitfragen über existenzielle Fragen des Glaubens, dass man da schon mal den Überblick verlieren kann. Gerade in meinem Glauben will ich mich sicher und geborgen fühlen, während mir die Zweifel, die in jedem von Zeit zu Zeit aufkommen, sagen, dass ich nicht genug bin. Vielleicht bin ich zu schwach.

Doch hier liegt für mich genau der Wendepunkt, der mein Schamgefühl zu einer Chance macht, eine intensiver Verbindung zu Gott und meinem Glauben an ihn zu finden.

Meine Scham ist nur so lange mächtig und groß, wie ich der Meinung bin, dass ich allein dieses Gefühl der Unzulänglichkeit in mir trage.

Sobald ich über die Ängste und Mängel rede, die meine Scham begründen, beginnt mein Schamgefühl sich sofort selbst abzutragen.

Die Idee, dass meine Verbindung mit anderen nicht etwa meine Scham entstehen lässt, sondern gerade deren Gegengift ist, lässt mich befreit aufatmen. Dahinter steht die Erkenntnis, dass Empathie uns dabei helfen kann zu verstehen, dass wir nicht allein sind mit unseren Gefühlen, Ängsten und Unzulänglichkeiten. Selbst wenn das Schamgefühl nicht verschwindet, kann ein „ Ich kenne das auch“ alles ändern. Sie ist nun keine unüberwindbare Trennlinie mehr, sondern macht mich zum Teil einer Gemeinschaft, mit der ich mehr teile, als ich erwartet habe.

Ein Thema, so alt wie die Bibel selbst

Neben der Empathie kann aber auch der Glaube selbst helfen, die Scham zu überwinden, oder, wenn das nicht möglich ist, sie zumindest auszuhalten. Die Scham ist nämlich nicht nur mein ständiger Begleiter, sondern auch schon in der Bibel ein großes Thema. Die Paradiesgeschichte der Genesis zeigt uns beispielhaft, wie Adam und Eva nach dem Sündenfall mit ihrer Scham umgehen, Gott sie aber trotzdem nie übermächtig werden lässt. Nachdem Eva von der Schlange dazu verführt wird, vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse zu essen, gibt sie auch Adam davon. Danach ist nichts mehr so wie vorher. Die beiden spüren die Scham, die Schuld, nicht auf das Wort Gottes gehört zu haben. Sie erkennen sich, wie sie wirklich sind. Die beiden haben ihre Unschuld verloren. Nicht nur im körperlichen Sinne, sondern auch im sozialen.

Alles, was sie nun tun können ist, ihre Scham zu bedecken. Denn zurück können sie nicht mehr.

Aber trotz der Sünde, trotz der Schuld, die sie fühlen, lässt Gott Adam und Eva nicht alleine. Sie müssen das Paradies verlassen, aber von Gott verlassen sind sie nicht. Er gibt ihnen Kleider und sorgt dafür, dass sie auch außerhalb des Gartens Eden damit geschützt sind. Er kleidet sie, weil sie seine wunderbare Schöpfung sind. Sie haben einen Fehler gemacht, sie müssen nun mit den Konsequenzen leben, aber verloren sind sie deswegen nicht.

Gott sieht Adam und Eva so, wie sie jetzt sind. Er nimmt sie an. Trotzdem und gerade deswegen. Er hilft ihnen dabei, mit ihrer Scham zu leben.

Unabhängig davon, ob wir Böses oder Gutes getan haben, tun oder tun werden: Gott liebt uns bedingungslos. Das ist sicher. Daran können wir uns ein gutes Beispiel nehmen, wenn wir uns mal wieder schämen.

Neues wagen: mit der Scham leben lernen

Auch wenn die Scham seit vielen Jahrhunderten als Erziehungsmittel der Religion genutzt wird, ist es jetzt Zeit, aus den alten Mustern auszubrechen. Wer die Kraft findet, um seine Schamgefühle mit anderen zu teilen, wird schnell feststellen, dass daraus Gutes wachsen kann. Eine intimere Beziehung zu Gott, sich selbst und unseren Mitmenschen.

Die trennende Kraft der Scham muss eben genau das nicht sein: eine Trennung. Man muss auch die Scham nicht loswerden, um als Christ oder einfach als Mensch glücklich zu werden. Es reicht sie anzuerkennen, sie muss nicht bewertet werden.

Das Schamgefühl ist da. Ich kann damit leben, und Gott hilft mir sogar dabei. Diese Gefühle gehen vorüber und lehren uns einiges auf dem Weg. Und wenn die Scham doch bleibt, ist Gott da und kleidet uns zum Schutz, wie er es bereits für Adam und Eva im Paradies getan hat. Ein beruhigender Gedanke.

4 Kommentare zu „Du glaubst an Gott? Scham und Glaube“

  1. Wer will beurteilen, was „ein guter Christ“ ist…Mein Gefühl kann mich täuschen. Ja die Scham gehört nun mal zu uns Menschen. Ein schamloser Mensch ist, lebt gefährlich. Ja, wie im Post geschrieben: Gott nimmt uns an und liebt uns trotz allem, zum Glück!

  2. Ich finde du findest wahnsinnig gute Worte um den Glauben zu beschreiben.
    Danke!
    Eigentlich solltest du Pastorin werden.
    Ich meine das überhaupt nicht zynisch. Denke wirklich darüber nach. Vielleicht will dich Gott an dieser Stelle haben.
    Wir brauchen Menschen die ihren „inneren“ Glauben (ob er stark sei oder schwach – was können diese Attribute im christlichen Glauben schon aussagen)
    andern Menschen mit einfühlsamen Worten sagen und damit auch weitergeben können. Wir brauchen Mensch die in aller modernen Offenheit diesen inneren Anker haben.
    Ich bete für dich! (klingt wieder ziemlich fromm ist aber gar nicht so in dem überfrommen Sinne gemeint.)
    Du merkst, ich bekomme das mit solchen guten Worten wie du gar nicht hin.
    Und ich bin Pfarrer.
    Also überleg dir´s.
    Ich bin auch wirklich nur aus reinen Zufall auf deine Seite gestoßen und gehöre mit Sicherheit nicht zum „Rekrutierungskomitee der EKD“ – falls die überhaupt so clever wären ein solches zu besitzen. 😉

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