Vater unser im Himmel.
Vater Unser im Himmel. Gott im Himmel, oder wo auch immer. Ich schriebe dir Briefe, wenn ich deine Adresse hätte. Aber meistens weiss ich einfach nicht, wo du bist.
Vater unser im Himmel, über den Wolken, wo die Freiheit noch grenzenlos ist. Bist du auch grenzenlos? Oder haben wir deine Grenzen schon längst überschritten. Weil wir zu oft an den Wolken gekratzt haben, zu viele Vögel in die Luft steigen liessen. Wie trotzige Kinder, die nicht das taten, was ihnen gesagt wurde.
Wir sollten uns doch nie den Himmel Untertan machen. Wir können nicht die Luft beackern, die Wolken nach unserem Belieben formen und Erdatmosphären verschieben. Das geht schief. Das ging schief.
Die da oben, sagen wir, und reden von Steuern und Vermögensumverteilung. Die da oben, sagen wir, und sprechen über ungerechte Bezahlung und genderpaygaps. Die da oben, sagen wir, und wissen, das wir es nicht sind, niemals sein werden, die da oben.
Vater unser im Himmel, als würdest du von da oben auf uns herabschauen, herrschende Königin, Mutter Erde, Frau Weisheit. Ein übermächtiges Gegenüber. So wie die da oben.
Wenn es die da oben gibt, wenn es dich da oben gibt, sollten wir uns dann nicht mehr so fühlen. Nicht mehr die Ungerechtigkeit in unsere Schuhe sickern spüren. Oder hast du uns den Himmel überlassen und erst wir haben ihn hierarchisiert.
Der Himmel bleibt Grenze und grenzenlos für uns.
Begrenzt du uns? Oder machen wir das schon immer selbst. Du scheinst immer dort zu sein, wo wir nicht sind. Und wir? Wir wollen dir nacheifern nach ganz oben. Wir bauen Türme bis nach droben, in deinen Himmel.
In deinen Himmel? Oder ist es unser Himmel und wir haben dich nur dahin verbannt, weil den Himmeln nichts irdisches entstammt. Bist du dem Himmel nah? Wo wir nicht sind, bist du dann da? Wo du dann bist, bist du uns nah?
Und vielleicht, weil ich nicht weiss, wo du bist, vergewissere ich mich dessen, was ich bete: Unser Vater heisst Verantwortung. Unser Vater heisst Liebe. Unser Vater heisst ich pass auf dich auf, wenn du am Abend in dein kühles Bett steigst und ich sitze neben dir, morgens, bei deiner ersten Tasse Tee.
Unser Vater heisst du bist nicht allein. Unser Vater heisst: Du kennst mich. Du kennst mich. Du kennst mich.
Diesen Text kannst du dir von Janna vorlesen lassen – in dieser Folge des Podcasts «Unter freiem Himmel», ab Minute 12. Im Podcast und im dazugehörigen Blogpost und Video von Evelyne Baumberger geht es um die theologische Seite der Anrede «Unser Vater».
Bild: Nacho Ronchon/Unsplash
1 Gedanke zu „Im Himmel, wo du bist (Unser Vater Meditation I)“
Sehr gute Gedanken, anregend zu weiterem Nachendenken. Vielen dank!