Es wäre der Moment, in dem die Kirchenglocken den Gottesdienst einläuten würden. Fünf Minuten vor der Show. Ich stehe im Altarraum der Kapelle und merke, wie ich nervös werde. Es ist ein heisser Augustmorgen und schon auf dem Weg hierher habe ich geschwitzt. «Was, wenn nichts von all dem, was ich erfahrbar machen möchte, landet?», schiesst mir durch den Kopf.
Mein Mund ist trocken, mein Herz schlägt schneller als normal.
Ich beginne, durch den winzigen Raum zu tigern. Lege meine Notizen aufs Rednerpult.
Zweifel kommen angeschlichen
Monate zuvor sagte ich zu, für das Kind einer Freundin ein Taufritual zu machen. Sagt man machen? Durchzuführen? Zu feiern? Feiern fühlt sich am richtigsten an. Mein Ja war ein sofortiges, aus dem tiefsten Innern, ja klar. Ja klar möchte ich einem kleinen Menschen erfahrbar machen, dass er schon genug ist, dass er gehalten ist in diesem wunderbaren Bad in Präsenz, ohne irgendetwas dafür tun zu müssen.
Das ist nicht mein täglich Brot. Zumindest nicht in dieser Form. Das letzte Mal, dass ich so etwas gemacht hatte, ist lange lange her. Und so war es eine grosse Herausforderung, nicht den Stimmen in meinem Kopf zu glauben, die sagten
«Äh, ich glaub, das war eine eher doofe Idee. Das kannst du doch nicht!».
Eine Katze im Altarraum
Ihr wisst schon, all die Stimmen, die mit ihren Zweifeln angeschlichen kommen, ungewollt, ungefragt, unerwünscht. Ja, die schleichen auch in meinem Kopf herum, wie bei uns allen. Ich nehme sie bloss nicht allzu ernst. Weil ich doch weiss, so tief tief in meinen Knochen und Zellen weiss:
Ich bin gehalten und getragen in Präsenz und kann die walten lassen. It’s not on me. Nichts von all dem.
Ich setze mich in der noch winzigeren Sakristei auf einen Stuhl und atme. «Lustig, ich habe keine Ahnung, wann ich das letzte Mal so aufgeregt war», denke ich. «Ja guet, etz isch das halt so.»
Ich stehe wieder auf und gehe aus dem kleinen Raum – und da ist sie. Eine Katze. In der Kapelle, im Altarraum.
Hey du, streichle mich!
Sie kommt schnurstracks auf mich zu. Wirft sich mir zu Füssen, auffordernd, «he du, streichle mich», scheint sie zu sagen. Ich gehe in die Hocke und streichle das getigerte Tier. Sein Fell ist nicht bloss getigert, es sind vielmehr dunklere Streifen, die sich auf orange-braunem Grund verlaufen.
Wellen im goldenen Licht, so sieht es in jenem Moment aus.
Ich streichle das unfassbar weiche Fell. Verliere mich in der Schönheit, der Freude über den Besuch einer mir so vertrauten Kreatur. Vergesse, wo ich bin. Was ich hier tue.
Die Katze schnurrt. Sie ist eigentlich ein er, ein Kater. Er schaut mich an und schliesst seine Augen, langsam, wie das Katzen zu tun pflegen, wenn sie einen mögen.
Miau
Und wie ich da kauere, von den grüngelben Augen des Katers angestrahlt werde, den Wellen auf seinem goldenen Fell nachfahre, ganz vergessen im Moment verfliesse – erinnere ich mich:
Hei, das ist exakt einer jener Momente, in denen du getrost loslassen kannst.
Ich öffne meine Hände und lasse meinen Körper einen Moment lang spüren, wie er vom Leben selbst gelebt wird. Wie da all diese Lebenskraft durchfliesst und wirkt, wirkt, wie das nichts anderes tun kann.
Der Kater steht auf, miaut mich an. Und schlendert aus der Kapelle raus. Auf die den Katzen eigene Art, faul, mäandrierend, ohne mir weiter Beachtung zu schenken. Seine Arbeit ist getan. Meine beginnt. Jetzt. Hier.
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Foto: Leela Suter
1 Gedanke zu „Wildwechsel: Katze“
der kater im altarraum – oder auf dem esstisch. er ist problematisch, hat auch schon gekratzt oder gebissen. darum will ich ihn nicht unsichtbar unter dem tisch. lotse ihn also auf einen stuhl. er will mehr: auf den tisch. auf dem holz darf er sein. nähert er sich aber dem tischtuch, den speisen, stelle ich ihm eine 1 1/2 liter mineralflasche vor die nase, die ich insbesondere für ihn aus dem keller geholt habe. er versteht. wir verstehen uns recht gut. ^. .^