Ayahuasca-Hühner zum Muttertag
Die Muttertagsgeschenke, die meine Geschwister und ich als Kinder liebevoll in der Schule hergestellt haben, stehen teilweise immer noch im Haus meiner Eltern herum:
Ein grünlasierter Ton-Aschenbecher von meinem Bruder (so viel zu: «Früher war alles besser» …). Eine wild aussehende Häkelpuppe als «lebensechtes» Abbild meiner Mutter. Gekleisterte Ballon-Hühner von meiner Schwester, die aussehen, als wären sie seit dem Frühjahr ’05 auf einem Ayahuasca-Trip (= halluzinogener Pflanzentrunk).
Meiner Mutter widerstrebte der Muttertag, auch wenn sie unsere Geschenke liebte (und darüber bis heute lacht). Ich glaube, sie ist damit nicht allein.
Gott sei Dank sind wir in manchem sensibler geworden. Zum Beispiel in Bezug auf Mutterschaft allgemein und auf Erstklässler:innen, die im Werkunterricht Aschenbecher für die Eltern herstellen.
Mutterschaft – nicht nur Grund zum Feiern
Wir wissen: Muttertag ist nicht nur und nicht für alle ein Grund zum Feiern.
Es reicht nicht, in einer patriarchal geprägten Welt Mütter an einem einzelnen Tag mit Dank abzuspeisen – und ihre Bedürfnisse an den restlichen 364 Tagen zu ignorieren. Auch die kapitalistische Übernahme von Feiertagen ist kritikwürdig.
Wir wissen auch: Die Mutterrolle kann erfüllend sein – oder auch nicht. Es gibt Mütter, die gerne keine wären und andere, die keine werden können und sich danach sehnen. Es gibt Mütter, die ihre Kinder verlieren.
Nicht jede prägende Bezugsperson ist eine biologische Mutter. Muttergefühle sind nicht auf eigene, ja nicht einmal auf Kinder alleine reduziert.
Und es ist völlig legitim, keine Kinder zu haben.
Darum widmen wir den Muttertag bei RefLab der Vielfalt mütterlicher Erfahrungen und Perspektiven. Hier ein kleiner Ausschnitt der verschiedenen Beiträge – mehr findest du mit dem Stichwort «Mutter» oder «Familie» über die Suchfunktion unserer Website.
Eine Mutter sein:
Pfarrerin und Mutter Carla Maurer podcastete bei «Pubs & Souls» über ihr Leben in London – und auch über Mutterschaft, zum Beispiel hier:
- über die schwierige Frage «Kinder oder nicht»: Muttersein: eine Unentschiedene
- über kleiner werdende Freiräume: Muttersein: meine kleine Welt
- über Sehnsüchte und Lebensentwürfe: Muttersein: Sehnsüchte und Gewissheiten
Keine Mutter sein:
Und wie ist es eigentlich, wenn man sich entscheidet, keine Kinder zu bekommen?
Auch darüber gibt’s bei uns lesenswerte Blogartikel:
Johanna di Blasi hat sich Gedanken gemacht, ob sich Kinderlosigkeit als Zukunftsmodell denken lässt – und wie viel Mut es braucht, sich bewusst dagegen zu entscheiden: Aus meinem Körper wird kein Kind in diese Welt kommen
Janna Horstmann erzählt vom persönlichen Versuch, die richtigen Worte auf die grosse Frage nach Mutterschaft zu finden: Keine Mutter sein
Wer sich dem Thema lieber im Videoformat widmen möchte, findet bei Fabienne Iff im Buchvlog Kinderlos oder kinderfrei? mehr darüber.
Familie als Erweiterungspack!
Kann Familie auch ausserhalb der bekannten Rollenbildern entstehen? Evelyne Baumberger schreibt über Freunde, die zu Familie werden, im Blogbeitrag: Plädoyer fürs WG-Leben – jetzt erst recht!
Dass auch Grosseltern zu starken Bezugspersonen werden und sogar Elternrollen übernehmen können, erleben viele Menschen. Luca Zacchei schreibt über seine Erinnerungen an die Grosseltern in Italien in: Italienischer Sommer, ich, Sarah Staub, über meine Grosseltern in der Schweiz in: Wachsen und Wurzeln im Muoathatal – zwei Welten, ein Gefühl: Liebe.
Und wie sieht es eigentlich theologisch aus? Ist die bürgerliche Kleinfamilie aus Vater, Mutter, Kind wirklich so tief verwurzelt im Christentum? Darüber sprechen Manuel Schmid und Stephan Jütte in Die Kleinfamilie als Hort oder Erbin des Christentums.
Muttertagsgedanken
Wenn sich zwei Väter Gedanken um den Muttertag machen und dabei schräge Erwartungen entwickeln, kann es sich nur um den Podcast Schall & Rauch und die Podcaster Manuel Schmid und Stephan Jütte handeln: Muttertag, nutzlose Erfindungen und blöde Lieder.
Gute Eltern werden
Wer sich mit Elternschaft per se beschäftigen möchte, dem sei diese «Ausgeglaubt»-Episode empfohlen: Philippa Perrys Erziehungsbuch mit dem unendlichen Titel – oder: Wie werden wir gute Eltern?
Minions und Muttergefühle
Dass ich, als kinderfreier Mensch mit viel Liebe zu Kindern diese Beiträge zusammen stelle, berührt mich. Mich berühren die Erinnerungen an meine Mutter und die Dankbarkeit, dass sie sich für mich und meine Geschwister (und unsere Geschenke) entschieden hat. Mami, du siehst besser aus als die Häkelpuppe, sorry dafür.
Ich habe gelernt, dass sich Muttergefühle nicht auf eigene Kinder beschränken. Man kann auch ohne Kinder mütterliche Gefühle entwickeln – zum Beispiel für Tiere oder Projekte.
Und ich denke, wie gut es ist, dass man Kinder auch auf andere Arten in seinem Leben haben kann.
Dadurch kommt man nämlich – nicht zuletzt – ebenfalls in den Genuss höchst origineller Kinderkunst.
An dieser Stelle darum abschliessend ein Dank an meine Nichte Lia und die stilistisch hervorragend zu meiner Mid-Century-Einrichtung passende «Minions»-Taschentücher-Box. Ich halte sie in Ehren.
Sarah Staub ist Pfarrerin in der evangelisch-methodistischen Kirche Schweiz und lebt kinderlosglücklich und kinderliebend in der Innerschweiz.
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