Less noise – more conversation.

 Lesedauer: 4 Minuten

Definition: Religion – Glaube – Spiritualität – Theologie

Glaube, Religion, Spiritualität, Theologie – in meinen Videos und Podcastfolgen verwende ich alle vier Begriffe. Was ist eigentlich der Unterschied, und was bedeuten die vier Ebenen für mein Leben als Christin?

1. Religion

Es gibt verschiedene wissenschaftliche Definitionen von Religion. Schon die Definitionen legen Schwerpunkte ud lassen durchblicken, in welchem Verhältnis der jeweilige Autor, die Autorin zu Religion steht.

Die Definition des Soziologen Émile Durkheim besagt, dass Religion ein solidarisches System von Überzeugungen und Praktiken sei, das sich auf das Heilige bezieht und die Gläubigen vereint.

Anders ausgedrückt: Religion ist vor allem etwas Soziales und Kulturelles. Eine Gruppe von Menschen teilt bestimmte Überzeugungen und drückt sie durch bestimmte Rituale oder Handlungen aus und pflegt diese.

Im Alltag bedeutet das für mich beispielsweise, dass ich die Bibel lese, in der die Texte enthalten sind, auf die sich Christ:innen seit Jahrtausenden beziehen. Ich feiere Ostern und Weihnachten, und da gehören jeweils bestimmte Rituale und Bedeutungen dazu.

Auch die Kirche als Institution und als Gemeinschaft der Gläubigen gehört zum Bereich der Religion: Sie stellt Orte zur Verfügung, an der die Religion gepflegt wird, und bildet eine Art «Verein», der die Rituale und dieses System von Überzeugungen und Praktiken gemeinsam überliefert.

2. Glaube

Glaube stellt die persönliche Seite dieser Überzeugungen dar. Das Wort im Neuen Testament, das im Deutschen mit «glauben» übersetzt wird, kann übrigens auch «vertrauen» bedeuten. Es geht also um eine Beziehung – zu Gott, zum Göttlichen.

Glaube ist etwas, das sich im Laufe des Lebens immer wieder anpasst und verändert, je nachdem, was einem widerfährt, was man lernt, wem man begegnet.

Glaube ist das, wie meine Beziehung zu Gott meine Weltsicht prägt. Aber nicht nur auf einer theologischen Ebene, sondern ethisch, sozial, ökologisch… Wie ich meine Sicht auf die Welt und auf das Leben an meinen Glaubenssätzen ausrichte.

Zum Beispiel glaube ich daran, dass jeder Mensch gleich viel wert ist. Oder dass alles miteinander verbunden ist – Menschen, Tiere, Lebensräume, Gott…

3. Spiritualität

Spiritualität ist ein offenerer Begriff als Religion. In der Spiritualität geht es ebenfalls um Überzeugungen und Praktiken, die sich auf etwas Transzendentes beziehen, also auf etwas Heiliges, Göttliches, Unsichtbares oder Mystisches. Im Gegensatz zur Religion, die gemeinschaftlich gepflegt wird, bedeutet Spiritualität die Ausübung der individuellen Überzeugungen im Alltag, im Moment.

Ich würde zum Beispiel von «spirituellen Erfahrungen» sprechen, wenn mich ein Zitat oder eine Aussage in einem Moment tief berührt. Wenn ich Musik mache oder in der Natur aufhalte, und mich dabei stark mit Gott verbunden fühle.

Wenn der Glaube das ist, was mich im Leben trägt, dann ist die Spiritualität das, wie ich dieses Getragen-sein im Alltag erlebe und dafür Raum schaffe.

«Spiritualität» ist heute als Begriff ungleich positiver konnotiert als «Religion». Gerade, weil sie individueller ist und sich nicht zwangsläufig auf eine religiöse Richtung bezieht. Viele Menschen sagen, sie seien spirituell, aber nicht religiös.

Das passt zur Individualisierung unserer Gesellschaft. Gleichzeitig fehlt hier aber auch die Komponente der Verbundenheit mit anderen Menschen, dass man den Glauben gemeinsam lebt, diskutiert, Gemeinsamkeiten findet und weitergibt.

4. Theologie

Theologie, ein ursprünglich griechisches Wort, bedeutet «über Gott sprechen». Theologie ist die reflektierte Seite einer Religion, in der darüber diskutiert wird, was jenes System von Überzeugungen und Praktiken bedeutet, woher es stammt und beinhaltet.

Es gibt verschiedene theologische Strömungen und spezielle Perspektiven, wie etwa die feministische Theologie, Wort-Gottes-Theologie oder Queer Theology. Innerhalb des Christentums existieren zudem verschiedene Ansichten zu unterschiedlichen theologischen Fragestellungen.

Theologie gilt als Wissenschaft, weil das Geglaubte nachvollziehbar und diskutierbar gemacht wird.

Die unterschiedlichen Positionen nehmen Bezug aufeinander, es wird mit Argumenten und wissenschaftlichen Methoden gearbeitet.

Das bedeutet nicht, dass nur Theolog:innen hier mitreden dürfen. Auch aus einem persönlichen Glauben heraus kann theologisiert werden, wenn die eigene Position reflektiert und diskutiert wird.

6 Kommentare zu „Definition: Religion – Glaube – Spiritualität – Theologie“

  1. Hallo Evelyne,
    vielen Dank für dieses Lagerfeuer. 🙂

    Ich möchte „Glauben“ und „Spiritualität“ – für mich – nicht so sehr voneinander trennen.

    Gerade in den letzten beiden Jahren habe ich durch einige spirituelle Erfahrungen (ich habe irgendwas praktisch gemacht) mein Glaubensverständnis / -bild nochmal ordentlich „durchgeschüttelt“ (ich habe jetzt andere Vorstellungen / eigene „Theorien“).

    Und andersherum:
    wenn ich mich mit meinem oder dem Glauben anderer (theoretisch, mündlich, verstandesmäßig) auseinandersetze, gibt das Impulse für meine Spiritualität (praktisch, wortlos, Herzenssache).

    So sehe ich keine „klare“ Trennung, sondern eine Art Wechselspiel…
    Macht das Sinn?

    Danke für’s Immer-Wieder-Lagerfeuer-Anfachen! 🙂

    Herzlich grüßend
    Lutz

    1. Lieber Lutz, danke für den persönlichen Kommentar! Das ist eine wichtige Ergänzung, dass Glaube und Spiritualität (und auch Religion und Theologie) im Wechselspiel miteinander sind. Herzlich, Evelyne

  2. Diese Begriffsklärungen finde ich ganz ausgezeichnet und angesichts der auf diesem Gebiet geradezu babylonischen Sprachverwirrung äusserst hilfreich. Was ich daran besonders schätze, ist, dass sie die Begriffe von einer Metaebene aus beleuchten und dennoch die Linse ganz scharf einstellen. Dazu fällt mir der Satz des Chinesischen Weisen Lao Tse aus dem Tao Te King ein: „Klar sieht, wer mit Abstand sieht, und nebelhaft, wer involiert ist“. Danke und gratuliere!

  3. Liebe Evelyne, vielen Dank für diese klare Unterscheidung der vier Begriffe! Wir tun uns so viel leichter im Gespräch miteinander, wenn wir uns zuvor darüber einigen, was wir unter welchem Begriff verstehen. Dadurch werden Missverständnisse ausgeräumt. Tieferes Verständnis füreinander wird möglich. Und dabei ist dein Post sehr hilfreich. Danke!

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

RefLab regelmässig in deiner Mailbox

RefLab-Newsletter
Podcasts, Blogs und Videos, alle 2 Wochen
Blog-Updates
nur Blogartikel, alle 2 bis 3 Tage