Less noise – more conversation.

Podcast: «Toxic Church» – Wenn Kirche krank macht.

Der Podcast «Toxic Church: Die Hillsong Story» ist in aller Munde – und er gibt Manuel und Stephan Anlass zu einer Spezialfolge von «Ausgeglaubt». Manuel ist mit der angeprangerten Hillsong Church, ihren Liedern und Predigten gut vertraut. Der Podcast lässt ihn an vielen Stellen erschauern, weckt ihn aber auch zum Widerspruch.

Mit Stephan diskutiert er über freikirchliche und landeskirchliche Verhältnisse, über den Einsatz und die Verausgabung von Volunteers, charismatische Leiter und deren Macht und Eitelkeiten. Zum Schluss versuchen die beiden, Kennzeichen einer gesunden Kirchenkultur zu formulieren.

Dass es sich hier um spannungsvolle Fragen handelt, wird an Manuels abschliessendem Statement deutlich: «Ich möchte nicht in einer toxischen Kirche Zuhause sein – aber ich möchte auch ganz sicher nicht Teil einer Kirche sein, in der es gar keinen Grund gibt, sich übermässig einzusetzen.»

30 Kommentare zu „Podcast: «Toxic Church» – Wenn Kirche krank macht.“

  1. Vielen Dank für diese Spezialfolge.

    Etwas störend finde ich es, dass ihr der Kritik an dem Podcast so viel Raum gebt und die eigentliche Kritik, den massiven Vorwürfe und Vorfälle, von Machtmissbrauch usw nicht mehr Gewicht geben. Das wirkt fast so, wie wenn ihr diese Missstände unter den Teppich oder Bagatellisierung wollt. Es erinnert mich an Missbrauchsfälle wo dann die Hauptdiskussion über die Ermittlungen usw geführt wird. Ich bin sicher, dass dies nicht eure Absicht ist…

    1. Danke Mark für deine Rückmeldung!

      Nein, das war tatsächlich nicht unsere Absicht, die Erfahrungen der Leute, die in dem Podcast zur Sprache kommen, zu übergehen oder kleinzureden – ich habe die Gesprächsanteile ehrlich gesagt auch anders in Erinnerung.

      Mir war aber doch wichtig, auch zu zeigen, wo der Podcast zu einseitig urteilt oder die spezifischen Gegebenheiten hiesiger Freikirchen nicht genügend berücksichtigt. Ich denke aber dran herum, dazu auch einen Blogbeitrag zu schreiben – ich finde die Fragen, welche der Podcast aufwirft, absolut wichtig und bedenkenswert, und ich wünschte mir, dass gerade im hochreligiös-freikirchlich-evangelikalen Bereich viele den Podcast Toxic Church hören und darüber reden.

      1. Danke Manu. Ich habe wahrscheinlich auch nicht ganz so „objektiv“ zugehört :). Ich danke fir für dein offenes, reflektieres Teilen. Ich lerne immer wieder von dir und finde es cool, dass du die Zeit nimmst, so auf Reaktionen von uns Hörenden einzugehen.

  2. Tja, wieder einmal höre ich Genesis: „Jesus he knows me“.

    Ich muss mich da Mark anschliessen: es wirkt ein bisschen apologetisch… den Vergleich zu Beginn mit Michael Jackson finde ich treffend aber auch den Vergleich mit der Situation, wenn sich herausstellt, dass der Partner schon seit Jahren fremd geht: man will es nicht wahrhaben, verdrängen oder will es klein reden…

    Meine Frage ist eher, warum ist das so möglich? Ich denke das hat psychologische Gründe (Verdrängung oder ungesunder Umgang mit Sexualität, Machtmissbrauch…) und strukturelle: Freikirchen sind im Gegensatz zu unserer Landeskirche in der Regel nicht demokratisch verfasst (Gemeindeversammlung, die ihre Vertreter wählt); es gibt kaum ein „Check and Balance“, kein kritisches Gegenüber oder eine Aufsicht wie zum Beispiel dem Pfarramt und der Kirchenpflege… zu dem ist die Landeskirche auch sehr „Diva-kritisch“: wir mögen- ganz schweizerisch- keine „Gurus“ und Selbstdarsteller oder „Leader“, die sich wie der Papst aufführen (ja Manu, Du weisst, wen ich meine!). Auch werden bei uns Missbräuche- die es leider auch gibt- sehr kritisch bearbeitet: Der Fall Locher ist da ein gutes Beispiel dafür; keine Strafverfolgung und trotzdem Rücktritt.

    Wir checken jetzt bei uns sogar alle AmtsträgerInnen, Mitarbeitenden und sogar Freiwillige mittels einem Strafregisterauszug und schulen sie zum Thema Grenzüberschreitungen.

    Anstatt Apologetik hätte ich mir mehr gewünscht, dass ihr kritisch auf die Vorzüge der obigen Strukturen „eurer“ Landeskirche verweisen würdet…

    Ein bisschen Werbung für „uns“ wäre doch manchmal auch ganz schön😉…

    1. Danke Roland für dein Feedback – es ist immer spannend, wie unterschiedlich die Wahrnehmungen sind.

      An vielen Punkten muss ich dir allerdings entschieden widersprechen:

      Freikirchen sind m.W. ausnahmslos als Vereine organisiert und funktionieren meist streng basisdemokratisch. Ich habe in meiner Heimatgemeinde in Gemeindeversammlungen als Kind zum ersten Mal erlebt, was Demokratie überhaupt bedeutet – hab da aber auch einen Eindruck davon gewonnen, wie schwierig beherzte Führung und Leiterschaft wird, wenn man JEDE Entscheidung an die Basis zurückgibt. Wir haben buchstäblich über die Farben des neuen Spannteppichs, über das Schlagzeug im Gottesdienst oder das Modell der neuen Stühle abgestimmt…;-)

      Und Diva-kritisch sind Freikirchen in aller Regel mindestens genauso wie reformierte Kirchen.

      Die allermeisten Freikirchenpastoren sind geradezu die Antithese zu dem, was hier am Beispiel Hillsong vorgeführt wird – wie auch überhaupt die meisten Freikirchen sehr überschaubar klein sind und Pastoren anstellen, die sehr unglamourös auch den Schnee schippen, Reparaturen am Gemeindehaus wahrnehmen, beim Putzen helfen und überhaupt eher das Problem haben, dass sie als «Mädchen für alles» eingesetzt werden, als dass sie die Bühne durch den Hinterausgang verlassen, um in ihre Limousine zu steigen…

    2. … und natürlich sind auch Schulungen zu Grenzüberschreitungen, Ehrenkodizes für Mitarbeitende mit Kindern und Jugendlichen usw. längst auch in Freikirchen wenn nicht Standard, so mindestens weit verbreitet. Übrigens auch in ICF Kirchen – auch wenn dort natürlich an manchen Stellen Ähnlichkeiten zu Hillsong bestehen (was ich in dem Podcast ja auch sage). Und den Fall Locher würde ich jetzt nicht unbedingt anführen… sonst kommt Kyra Funk noch auf die Idee, dazu einen eigenen Podcast zu machen.;-)

  3. Tja, da muss ich leider auch mit meiner bescheidenen Erfahrung widersprechen: Die Freikirchen in meiner „Heimatgegend“ habe ich alles andere als demokratisch erlebt: Sei es Landmission, Chrischona oder die frühen Anfänge des ICF: Die Prediger wurden fast schon als Heilige verehrt und haben ziemlich uneingeschränkt „geherrscht“… aber das ist ja heute sicher nicht mehr so😁.

    Und nochmals: Als Institution des öffentlichen Rechtes und ehemalige „Staatskirche“ sind die Kontrollmechanismen in der Landeskirche einfach griffiger und eben „institutionalisierter“: Staat und Gesellschaft schauen da- nicht nur wegen der Steuergelder- genauer hin, als bei einem privaten Verein (der sich selber konstituieren und gestalten kann…).

    Und nochmals Manu: ich verstehe deinen apologetischen Reflex- geht mir bei der katholischen Kirche als ehemaliger und immer noch „Kryptokatholike“ gleich… seine Herkunft wird man nicht los und kann sie schwer verleugnen… aber man kann einfach gewisse Fakten wie bei der kath. Kirche Missbrauch, Frauenfeindlichkeit etc. nicht verneinen und immer sagen: bei uns ist das aber ganz anders…

    Let’s talk about it by a beer!

    1. Lieber Roland

      Mein Rat an dich ist, deine bescheidenen Erfahrungen nicht zu überbewerten und nicht zu verallgemeinern. Es käme mir ja auch nie in den Sinn, alle reformierten Pfarrperson in den gleichen Topf zu werfen. Ich nehme nicht an, dass alle Pfarrer Sterbebegleitung- oder aktiver Sterbehilfe ihrer Kirchgemeinde betreiben, auch wenn ich das in meiner Heimatgemeinde so erlebe…
      Da kannst du dich ruhig auf das Insider Wissen von Manuel verlassen.

      1. Lieber Christoph
        Leider verfüge auch ich, wenn auch nur bescheiden, auch über ein wenig „Insiderwissen“….und ich differenziere sehr genau: nur scheint die Hillsong Geschichte eben nicht verwunderlich und hat wohl mit all den im Podcast erwähnten Gründen zu tun, über den und die hier meines Erachtens zu wenig geredet wird… es ist immer zu apologetisch

  4. Judith Burkhardt

    Danke vielmals für diese Folge. Die verschiedenen Inputs von dir Manu. Ich sehe natürlich auch die Sachzwänge, die bei so grossen Gruppen aufkommen, sehe auch die Pastoren, die dienen und sich abgrenzen müssen – ich denke, da werden zum Teil auch von den Gottesdienstbesuchern Erwartungen an Pastoren herangetragen, die schlicht auch unmenschlich sind.

    Aber gerade auch die Inputs von Stefan haben mir sehr gut gefallen. Der Gedanke, dass sich Kirche lösen muss von sich selbst und nach aussen treten sollte und die Ressourcen anders einsetzt, finde ich sehr wertvoll. Immer wieder habe ich mich gefragt, weshalb man nicht realistisch auch die Ressourcen checkt und dann auch mal defensiv plant und halt mal einen Abendgottesdienst oder einen Morgengottesdienst weglässt oder auf einen Aufbau eines neuen Dienstes verzichtet, wenn man schon für die bestehenden kaum Leute hat.

    Der Podcast Toxic Church hat bei mir offene Türen eingerannt und ich überlege mir zurzeit, meine persönliche Kirchenbiografie ein wenig zu reflektieren. Da gibt es so viele sehr schöne Erlebnisse aber auch Erfahrungen, die mich sehr stark zurückschrecken lassen von Kirche.

    Das Abschlussstatement von Manu hat mich persönlich sehr herausgefordert.

    Kirche als Ort sehen, wo Menschen bis an und über die Grenzen gehen – als Ausdruck und Zeichen eines lebendigen Glaubens an Gott? Ist das wirklich die Vision? Ist das ein Ausdruck der Gnade und Liebe Gottes? Als Person, die selber erst gerade eine Zeit der Erschöpfung hinter sich hat und weiss, wie es sich anfühlt, wenn die Grenzen gesprengt werden, ist dieses Statement wie ein Schlag ins Gesicht.

    Von diesem Bild von Kirche bin ich sehr geprägt und weil ich zurzeit nicht fähig bin, das zu leisten, halte ich mich lieber fern – aus Angst noch einmal erleben zu müssen, dass meine Grenzen gesprengt werden.

    1. Danke liebe Judith für deine ehrliche Rückmeldung!

      Ich kann deine Vorbehalte auch auf dem von dir beschriebenen Hintergrund gut verstehen, und mir ist auch klar, dass mein Schluss-Statement provokativ ist.

      Mir war es einfach wichtig, dass wir nicht bei der Idealvorstellung einer Kirche landen, in der überhaupt niemand Anlass hat, sich übermässig einzusetzen – weil nämlich überhaupt nichts mehr läuft oder nichts mehr, was begeisternd und wichtig genug ist, um sich herzhaft einzusetzen. Eine solche Kirche produziert ganz sicher keine Burnouts und keine erschöpften Mitarbeiter… aber nur, weil sie selbst schon tot ist.

      Das ist es ja auch, was mich an RefLab gepackt hat (und was andere Menschen auch in anderen Projekten und Gemeinden der reformierten Kirche packt…) – eine Überzeugung, etwas bewegen zu können, ein Wille, sich mit den eigenen Gaben und Leidenschaften einzusetzen, eine Freude an neuen Ideen usw. All das holt mich morgens aus dem Bett… aber all trägt natürlich auch die Gefahr mit sich, sich zu verausgaben.

  5. Vielen Dank für diese Folge. Danke habt ihr euch dem Thema angenommen. Fand die Gedanken interessant und würde vielem auch Zustimmen.

    Für mein Empfinden wurde die Hillsong und die Freikirchen etwas zu stark verteidigt, als konkret auf die problematischen Strukturen eingegangen.

    Hätte es auch spannend gefunden, wenn ihr noch mehr auf die theologischen Überzeugungen eingegangen wärt, welche eine „toxische“ Kirche begünstigen. Mit dem meine ich zum Beispiel, das was Stephan am Schluss angesprochen hat mit dem starken denken von „innen und aussen“ . Was wohl stark im Zusammenhang steht mit einem dualistischen Weltbild.

    1. Christoph Schmitter

      Hab euren Talk grade gehört und wollte dieselbe Anmerkung machen. Mir scheint der „Teufel“ nicht nur in den Strukturen zu stecken, sondern auch in der Theologie und zwar ziemlich grundlegend. Meine damit gar nicht speziell die charismatische, sondern eher allgemein die sogenannte evangelikale, die die Welt vor allem als verlorene sieht, aus der die Kirche Menschen retten muss. Mit einer Grundüberzeugung hingegen, die die Zukunft von Nicht-Glaubende nicht automatisch in der Hölle verortet, ist es deutlich schwieriger, Leute bis zur Selbstaufgabe für einen Eventgottesdienst zu motivieren.

      Ansonsten habt ihr genau die Fragen bewegt, die ich als Pastor auch durchgespielt habe beim Hören von Toxic Church: Stehen auch wir in Gefahr, Mitarbeitende zu überlasten? Schieben wir zu viele Ressourcen ins Event? Wie können wir Kirche auf Ziele fokussieren, die außerhalb ihrer selbst liegen?

      1. Eine evangelikale Theologie, nach der die Kirche Menschen retten muß, gibt es gar nicht.
        Die Kirche kann gar keine Menchen retten. Nur Gott alleine rettet. Die Verkündigung durch die Kirche ist dabei das Mittel Gottes, diejenigen zu retten, die er von Anbeginn der Zeit an erwählt hat. Das ist jedenfalls die Ansicht von Leuten wie James White, die auch zu den Evangelikalen zählen.

  6. Hallo!

    „Shout to the earth“ gibt es gar nicht. Das Lied heißt „Shout to the Lord!“

    „Brian Houston ist der Global Senior Pastor.“ Schlicht falsch. Der Mann wurde schon vor über einem Jahr aus dem Amt entlassen. Senior Pastors sind derzeit Phil and Lucinda Dooley. Hillsong hat also auch einen „Ältestenrat“.

    Ein Aspekt der Hillsong-Skandale ist offenbar völlig an euch vorbei gegangen:
    https://www.youtube.com/watch?v=64kWajqSx8A

    Alles Gute!

    1. Danke André – ja klar, Shout to the Lord: da hat mich Stephan auf dem falschen Fuss erwischt… Dass Brian Houston seine Rolle als Global Senior Pastor seit vorletztem Jahr nicht mehr wahrnimmt und die Dooleys an seine Stelle getreten sind, war mir aber völlig klar. Ich bin ja mit der Geschichte von Hillsong durchaus vertraut.

  7. Hallo,
    vielen Dank für diesen Podcast. Lieber Manu, danke dass Du versucht hast, die Perspektive der Gemeinde ins Spiel zu bringen und die- meiner Meinung nach- nicht so ganz faire Berichterstattung etwas relativiert hast. Das sage ich als Postevangelikale, die auch 20 Jahre in einer charismatischen Gemeinde einiges Unschönes erlebt hat (bis zu meinem Rauswurf). Ich bin allerdings der Überzeugung, dass trotz aller berechtigten Kritik der Glaube und die Begeisterung für Jesus echt sind und auch Gutes bewirkt wird, aber das System krank ist, und dadurch immer wieder dieselbe Problematik zu Tage tritt. Danke auch Stephan für die guten Denkanstösse wie es auch anders gehen könnte.
    Liebe Grüße aus Berlin!

  8. Lieber Manuel, lieber Stephan

    Danke für die Folge, die ist euch gelungen (ausser der unterirdische Schenkelklopfer nach 2 min über die Frau von Carl Lentz).

    Ich denke es ist einfach wichtig, dass man sich immer bewusst, das alles ganz wahr sein kein, aber immer noch weit von der ganzen Wahrheit entfernt ist. Ich nehme nicht an, dass Kyra Funk für sich in Anspruch nimmt, ausgewogen über Hillsong informiert zu haben.

    Ein paar Punkte sind aus meiner Sicht, bei euch ein bisschen zu kurz gekommen:

    Grundverschiedene Kulturen: Ich denke in Australien würde das „Europäische Model“, dass der Staat als Geldeintreiber der Kirchen fungiert als verwerflich angesehen. Oder das in vielen Schweizer Kantonen Firmen zwangsmässig Kirchensteuern zahlen müssen, wäre aus ihrer Sicht nicht nachvollziehbar. Oder dass im Kanton Zug 50 % der Kircheneinahmen von Firmen wie Clencore finanziert wird, tönt wahrscheinlich für einen bolivianischen Kleinbauern verrückt. Aber auch wenn diese Dinge ganz wahr sind und für fremde Kulturen schwer nachvollziehbar, auch da gibt es noch eine andere Seite, die für diese Praktiken sprechen.

    Weiter sind die meisten Kirchen, die in der Gefahr sind, toxisch zu werden, noch relativ junge Kirchen. Die meisten haben noch ihren Gründer an der Spitze. Es liegt da einfach in der Natur der Sache, dass diese Menschen extreme Alphatiere sind, sonst hätten ihre Bewegungen nicht so gestartet. Vielleicht wäre da ein kleiner Rückblick auf die eigene Vergangenheit ein bisschen hilfreich. Also wenn ich den Zwingli anschaue, ist der Brian Houston schon fast ein Musterknabe.

    Aber die „Führerkultur“ ist tatsächlich in vielen „jungen“ Megachurch ein Problem. Es wäre aber zu einfach die Schuld nur auf einen Faktor zu schieben. Meistens ist es die Summe von den Faktoren Leitungsperson, Struktur und auch der Menschen, die den Leiter auf den unantastbaren Sockel heben. Und da kann sogar der Leiter Opfer dieser toxischen Kultur werden. Nehmen wir das Beispiel Carl Lentz. Der wurde so hoch auf den Sockel gehievt, dass er unantastbar wurde. Und nach dem Scheitern so krass auf den Boden geworfen, dass er jetzt sogar für die flachen Witze von Stephan herhalten muss. Ist aber immer noch der selbe Mensch.

    Die Musikmaschinerie von Hillsong habt ihr aus meiner Sicht recht einseitig angeschaut. Ich für mich, finde es natürlich cool, wenn Brooke Ligertwood auf SRF3 gespielt wird. Was ist daran verwerflich wenn eine Kirche hochstehende Musik macht und Geld verdient? Ja, wenn ich wählen kann habe ich es lieber, wenn Hillsong das Geld verdient, anstatt DJ Robin und Schürze..

    Das Thema Ausbrennen für die Gemeinde ist auch ein Thema, das relativ vielschichtig ist. Ich komme jetzt relativ fromm daher, aber die Frage: Über was definiere ich meinen Wert, spielt da voll rein. Wenn ich meinen Wert über meine (fromme) Leistung definiere, bin ich immer in Gefahr da in eine Sackgasse zu laufen, egal auf welcher Stufe. Da wäre ich sehr evangelistisch: Mein Wert ist bedingungslos über Jesus Christus definiert.

    Interessant fand ich in diesem Zusammenhang, dass vor kurzer Zeit auf Leflab ein Beitrag über die Klimakleber aufgeschaltet wurde: Wenn in diesem Kontext Menschen an ihre Grenzen gehen, werden sie als Propheten der heutigen Zeit hochgejubelt, bei Kirchen spricht ihr von einer toxischen Kultur. Ich kann da vielleicht nicht ganz so differenziert denken wie ihr, aber weshalb lohnt es sich für die letzte Generation an die eigenen Grenzen zu gehen und für die Kirche nicht? Da müsstet ihr ev. mal bei Evelyne nachfragen.

    Die Traumvorstellung von der Kirche, die Stephan am Schluss beschrieben hat, hat übrigens einen Namen: Heilsarmee

  9. Franz-Xaver Hiestand SJ

    Das letzte «aber» von Dir, Manuel, hat mich aufhorchen lassen: Ist dieses «aber» ein Indiz, dass dem zwar einsichtigen und redlichen Wagenlenker das evangelikale Pferdegespann doch immer wieder durchbricht?
    Ich vermute, eine solche Interpretation wäre zu kurzsichtig.

    Sowohl Paulus als auch die Synoptiker propagieren implizit und explizit einen Modus der Selbstverschwendung und Selbstüberbietung. Letztlich reden sie einem Aktivismus das Wort, der sich leicht mit Eigenschaften in Verbindung bringen lässt, die eher dem sogenannt «Männlichen» in seiner selbstdestruktiven Variante zugerechnet werden können.

    Ich teile zwar die Ansicht des Mystikforschers Alois Maria Haas, dass Christentum ohne Selbstverschwendung nicht zu haben ist. Genauso wie auch überdurchschnittliche Schauspielkunst ohne Transgression letztlich nicht zu haben ist und wohl die meiste grosse Kunst davon lebt, dass ihre Schöpferinnen und Schöpfer Grenzen überschreiten. Gleichzeitig halte ich es für legitim, Ausgleiche zwischen Selbstverschwendung und Zurückhaltung zu suchen.

    Kluge Leitung in Kirchen kann toxische Auswüchse reduzieren oder sogar verhindern, wenn sie prioritär, entschieden und immer wieder neu darauf bedacht ist,
    – dass, wenn überhaupt, immer wieder andere Mitglieder der Gemeinschaft in den Selbstverschwendungsmodus gehen und nicht immer dieselben
    – dass es in der Kirche nicht nur Räume und Zeiten des Aktivismus, sondern in gleichem Umfang auch Räume und Zeiten des Trödelns und der Kontemplation gibt.

    Diesem Eurem podcast, Stephan und Manuel, heute konzentriert zuhören zu können, ist im Übrigen eine schöne pfingstliche Erfahrung. Und natürlich hat es mich gefreut, dass da unversehens sogar eine Szene aus der Ewigen Stadt in Euer begreiflicherweise sehr evangelisches Panorama hineingerutscht ist.

    1. Lieber Franz-Xaver, vielen herzlichen Dank für diesen klugen und weiterführenden Kommentar!

      «Das Christentum ist ohne Selbstverschwendung nicht zu haben» – ja, damit hast du wahrscheinlich treffender ausgedrückt als ich im Podcast selber, worum es mir ging. Ich habe in einem kürzlich erschienenen Blogbeitrag versucht, in diesem Sinne ein «Lob der Verausgabung» auszusprechen: https://www.reflab.ch/ein-lob-der-verausgabung/

      In unserem Gespräch über Toxic Church ging es mir auch darum, nicht vor lauter Vorsicht und Angst, auf keinen Fall «toxisch» zu werden und Menschen zum Ausbrennen zu bringen, letztlich in ein halbtotes Christentum und Gemeindeleben abzurutschen in dem ganz sicher niemand mehr ausbrennt… weil schon gar niemand mehr «brennt» – d.h. von etwas Grösserem genügend eingenommen ist, um sich dafür mit Leib und Seele einzusetzen.

  10. Ich habe den Podcast über Hillsong auch gehört. Ich empfinde da bei Hillsong und anderen Gemeinden eine Hybriskultur und frage mich, ob und wie man das von der Bibel betrachten und kritisieren kann?
    Danke für Eure Diskussion – besonders am Ende. Ja, ich wünschte Kirche wäre Kirche für Andere. Und steht für Freiheit und Mündigkeit. Und freut sich auch als kleine Schar.
    Apropos Presbyter: ich habe dieses Gremium leider als geschlossenes toxisches System erlebt, dass eine gute Kulisse präsentiert, hinter die man nicht schauen darf. Und das gemeinsam Kritik wie ein schwarzes Loch schluckt, entmateriellisiert und die Corona leuchten lässt.

  11. Ezer kenegdo, meine ich, kann auch „durch Widerspruch rettendes Gegenüber“ übersetzt werden, was Luther, der auch zum bestimmenden Monolithen tendierte, blass und saftlos nur als „Gehilfin“ übersetzte.

    Das ist aus biblischer Sicht aber genau das, was mir fast 50 Jahre lang, in denen ich als Amtsträger und zuletzt Gemeindeleiter in der neuapostolischen Kirche fast täglich ehrenamtlich tätig und darüberhinaus dann auch noch zu üppigen Spenden als Opfer bereit war, fehlte nämlich ein durch Widersprechen rettendes Gegenüber.

    Die mit so einem Amtsverständnis in dieser Kirche verbundene blinde Nachfolge und Demut, hat mir nicht nur selbst geistlich, gesundheitlich, familiär und materiell geschadet, sondern auch den sogenannten Anvertrauten in der Gemeinde, denen man zu allem Mist und Scheiss Sündenvergebungen aussprechen musste im Auftrag des Senders und Apostels, kaum einer war so noch in der Lage dazu zu lernen, denn man lernt zwar nicht nur, sondern auch aus Fehlern, die ich aber spirituell liturgisch mehrmals in der Woche zukleistern und unkenntlich machen musste, damit sich die große Mehrheit unbeschwert und selig wohlfühlen konnten. Das Ergebnis waren ein immer kränker und oberflächlicher werdender und vom Leben abgehobener Glaube, vor allem an das eigene Auserwähltsein, und ein immer mehr krankmachendes Miteinander.

    Einwände und Fragen nach Gottes Weisungen, wie diese sich in der Bibel ausdrücken wollen, interessierten vor allem die Familien, welche die mittlere und höhere Riege der Amtsträger in dieser Kirche seit vielen Jahrzehnten ganz überwiegend stellen, und diejenigen, die in vielen Gemeinden die Dienemütigen regelrecht vor sich hertreiben, wenig.

    Die Bibel sagt es mit ezer kenegdo schöner und sanfter, was für ein gesundes Miteinander, also auch für eine gesunde Kirche notwendig ist und gegen toxische Kirche hilft.

    Im Schwäbischen gibt es einen Spruch, der mich lange Zeit sogar empört hatte, jetzt aber für mich eine entscheidende Bedingung für das toxisch Werden einer Kirche ziemlich derb und zynisch, aber zutreffend beschreibt: „Gutmütigkeit ist der „Liederichkeit“ *nachgeholfen“.
    Es scheint alles zwei Seiten zu haben!

    *„Liederich“ meint in unserer Mundart nicht nur unordentlich, sondern auch hinterhältig boshaft.

    Danke für eure ehrliche und offene Gespräche über scheiternde und gelingende Frömmigkeit.

    Liebe Grüße Erich

  12. Hallo ihr zwei,

    ich höre Euer Plädoyer für die Achtung von Bauchgefühlen. Dann macht Ihr jedoch eine Ausnahme wenn es um den Widerspruch von wissenschaftlichen Erkenntnissen geht.
    Hier finde ich Eure Argumentation und Beweisführung mit der Impfdebatte in der Corona-Zeit für sehr schwach.
    Mit Eurer Argumentation sehe ich genau das Gegenteil bestätigt!

    Als Ingenieur war mir klar, dass eine Neuentwicklung auch Schwächen haben wird. Die mantrahafte wiederholte Aussage „Es gibt keine Nebenwirkungen“ widersprach jeder bisherigen medizinischen Erfahrung, dass jedes Medikament, immer Nebenwirkungen hat.
    In den Hochzeiten von Corona hat man uns glauben gemacht, dass Menschen die der Impfung kritisch gegenüber stehen, zum Wohle der Gesellschaft, ausgegrenzt werden müssen damit schnellstens ein normales Leben wieder möglich wird.
    Heute wissen wir mehr über die Mängel des Impfstoffs und sehen Personen, die zum Teil unter finalen Nebenwirkungen leiden.

    Ich glaube Eurer Meinung liegt ein unzutreffendes Verständnis von „Wissenschaft“ zugrunde.
    Wissenschaftliche Wahrheit ist keine absolute Wahrheit. Sie entsteht im Austausch widersprechender Meinungen auf Basis von Evidenz über einen längeren Zeitraum.
    Diese kann sich auch verändern.
    Unzutreffende Annahmen werden eh von der Realität irgend wann kassiert.

    Mich würde interessieren, wie es euch heute damit geht.

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