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Festival-Special: Braucht der Glaube das Risiko?

Eine spontane Umfrage: «Nenne mir eine besonders risikofreudige Organisation!» würde wohl wenige Hits für die Kirche bringen; auch die Frage: «Nenne mir eine besonders wagemutige Menschengruppe!» würden nicht viele mit dem Hinweis auf Christinnen und Christen beantworten (zumindest nicht in unseren Breitengraden).

Woran liegt das? Und sind wir damit nicht meilenweit entfernt von den wagnishaften Anfängen des Christentums, als Gläubige im Namen ihres Glaubens Leiden und Tod riskierten, von den Römern gekreuzigt oder in Arenen von Löwen gefressen wurden? Als sie die ganze Welt bereisten um als Missionare die christliche Botschaft zu verbreiten?

Paulus beschreibt sein Leben als Nachfolger und Botschafter Christi als eine Ansammlung von Gefahren (vgl. 2Kor 11,23-28) – und es besteht wenig Zweifel daran, dass wir den Namen «Jesus Christus» heute für einen Brotaufstrich (oder sonst irgendetwas) halten würden, wären die ersten Generationen von Christen nicht waghalsig an die Enden der Erde aufgebrochen.

Impulse dazu kommen aus dem Kernbestand des Glaubens: Der Gott der Bibel erweist sich immer wieder als Gott der Aufbrüche, der Wagnisse, der neuen Wege – die Exodusgeschichte macht das paradigmatisch deutlich, genauso wie die Abrahamsgeschichte und die Narrative anderer Helden und Heldinnen des Glaubens, die durch ihre Risikofreudigkeit, Waghalsigkeit und Opferbereitschaft auffallen (vgl. die verdichtete Zusammenstellung im Hebräerbrief Kapitel 11).

Ist es nicht irgendwie bizarr, dass sich ein westliches Christentum, das sich auf diese Geschichten beruft, in einer konservativ-berechenbaren Umgebung derart einrichten konnte? Aber lässt sich eine Gefahrensituation simulieren, die heute nicht mehr besteht? Oder müssten Kirchen/Christ:innen heute einfach wieder Dinge finden, die jeden Einsatz wert sind, um sich im Namen ihres Glaubens ins Abenteuer zu stürzen?

Genügend Stoff zur angeregten Diskussion!

 

… und hier zur Einstimmung noch die Selbstbeschreibung des Paulus aus 2Kor 11,24-28:

Fünfmal habe ich die »vierzig Peitschenhiebe weniger einen« bekommen. Dreimal wurde ich mit der Rute geschlagen, einmal wurde ich gesteinigt, dreimal habe ich einen Schiffbruch erlebt, und einmal trieb ich einen ganzen Tag und eine ganze Nacht auf dem offenen Meer. Ich habe viele beschwerliche Reisen unternommen und war dabei ständig Gefahren ausgesetzt: Gefahren durch reißende Flüsse, Gefahren durch Wegelagerer, Gefahren durch Menschen aus meinem eigenen Volk, Gefahren durch Menschen aus anderen Völkern, Gefahren in den Städten, Gefahren in der Wüste, Gefahren auf hoher See, Gefahren durch Leute, die sich als meine Geschwister ausgaben. Ich nahm Mühen und Anstrengungen auf mich, musste oft ohne Schlaf auskommen, litt Hunger und Durst, war häufig zum Fasten gezwungen, ertrug bittere Kälte und hatte nichts anzuziehen. Und als wäre das alles nicht genug, ist da auch noch der Druck, der täglich auf mir lastet – die Sorge um alle Gemeinden…

2 Gedanken zu „Festival-Special: Braucht der Glaube das Risiko?“

  1. Ich habe eine zeitlang bedauert, dass es keine unbekannten Flecken mehr auf der Erde zu entdecken gibt, und dachte, dass ich auch gern mit Thor Heyerdahl auf dem Balsafloß in den Pazifik gesegelt wäre. Jetzt aber lebe ich das Abenteuer des Glaubens und sehe, dass da so vieles Unbekanntes ist und so viele Gefahren, die durch die allgemeine Orientierungslosigkeit gegeben sind. Man muss also wieder Wegfinder sein. Und ich bin froh als Pionier, die Wahrheit wiederentdecken zu dürfen, wovon meine Arbeiten Zeugnis geben: https://independent.academia.edu/ManfredReichelt
    Für die Praxis: https://manfredreichelt.wordpress.com/

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  2. Spannend wie immer: vor allem die Kulturbetrachtung von Stephan ab Minute 20…
    Eine Frage: Warum braucht es einen extrinsischen Ansporn, etwas von “aussen”, damit ich richtig handeln kann? Mit Marcus Aurelius gesprochen: Der Tugend der Wahrheit und der Gerechtigkeit nach zu eifern, ihnen vielleicht sogar Genüge zu tun, reicht dem weisen Menschen. Zu Navalny: Warum braucht es da die Hoffnung an ein Handeln von Aussen, von anderen, seien es die Menschen oder Gott, oder eine verheissungsvolle Zukunftsperspektive, um das “Richtige” zu tun? Zu wissen, das “Richtige” getan zu haben genügt…
    Es braucht keine Gerechtigkeit und Wahrheit in der Welt, außerhalb mir selbst, um Gerechtigkeit und Wahrheit zu üben.
    Das “Er”Warten eines “Aussen” könnte zur Aktionslosigkeit führen ja sogar vielmehr als Ausrede gebraucht werden- wie Manuel es ja auch schon angetönt hat.

    Und nebenbei: einfach ins Blaue den Job zu künden ist nicht risikoreich, sondern verantwortungslos!

    Danke für Eure Gedanken!

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