Das Coronathema braucht nur genannt zu werden und alle sehen schlagartig müde aus. Es werden nicht einmal mehr Augen verdreht, sondern es herrscht einfach allgemeine Abgeschlafftheit. Alle sind coronamüde.
Ich merke meine Coronaerschöpfung unter anderem daran, dass ich bei den Mittags- und Abendnachrichten auf die neuesten Coronameldungen unangemessen reagiere, zum Beispiel gekünstelt lache, statt das Gesagte ernst zu nehmen. Ich bezweifle nicht die wissenschaftlichen Faktenlagen, aber ich bin nicht mehr bereit, es als für mich an diesem Tag oder den folgenden Tagen wichtige Information einzustufen.
Es kann aber auch passieren, dass ich Coronadiskussionen sogar angenehm finde. Vor allem abends geniesse ich den seit Monaten vertrauten Sound, der mich fast beruhigt.
Talkshows, in denen über – was sonst? – Corona debattiert wird, lassen mich besonders schnell einschlafen.
Ich merke meine Coronaerschöpfung ausserdem daran, dass ich dauernd Coronamasken verliere. Ich hänge den chirurgischen Hygieneschutz, ohne nachzudenken, auf den Unterarm und vergesse ihn. Sobald ich die Jacke oder den Mantel ausziehe, verlassen mich die Coronamasken. Sie verkrümeln sich einfach irgendwo auf Nimmerwiedersehen. Ich weiss dann nicht einmal, dass ich sie verloren habe.
Es kann aber auch passieren, dass beim nächsten Anziehen der Jacke oder des Mantels die Maske doch noch am Ärmel hängt. Das löst dann natürlich Wiedersehensfreude aus, und aus Dankbarkeit setze ich die Maske erneut auf. Obwohl der Hygienestatus bei wiederholt getragenen und mit allem Möglichen in Berührung gekommenen Hygienemasken natürlich fraglich ist.
Schon geboostert?
Und genau solche Momente der Unsicherheit und Ungewissheit, ob wir uns im Alltag überhaupt wirksam gegen die unsichtbare Gefahr schützen können, machen zusätzlich müde.
Dazu gehört auch die seit einiger Zeit ominpräsente Booster-Frage. Schon allein das Wort mag ich nicht. Es gefällt mir so wenig wie Pimp-up oder Boreout. Müde macht mich bei diesem Thema auch, dass meine Altersgruppe derzeit gar nicht «boostern» kann, auch wenn ich natürlich einsehe und richtig finde, dass Vulnerable und Alte zuerst geboostert werden.
Aber gealtert fühle ich mich auch oder lebe zumindest wie die Alten und Mobilitätsbeschränkten. Mir geht es wie dem Philosophen Christoph Paret, der kürzlich in einem schönen «FAZ»-Beitrag mit dem Titel «Die Ansteckung wagen» feststellte:
«Das Leben, das ich momentan führe, gleicht dem, von dem ich angenommen hatte, es vielleicht einmal mit neunzig zu führen.»
Müde können auch unbelegte Behauptungen machen, wir würden in der Schweiz in einer «Coronadiktatur» leben und korrupte Medien würden sowohl die Wahrheit vorenthalten als auch Gefahren aufbauschen.
Es ist nicht das vornehme Fatigue-Syndrom, das sich feuilletonistisch besingen lässt, sondern – nach fast zwei Jahren Dauerpandemie – einfach nur Müdigkeit. Gar nicht inspirierend.
Und jetzt ist auch noch das ominöse Omikron um die Ecke gekommen, eine angeblich noch um ein Vielfaches ansteckendere Coronavariante als das superansteckende Delta. Damit ist die Hoffnung erst mal wieder verpufft, es könne besser werden. Ein neuerlicher Anlass für Panik oder zumindest Stress. Stress ist ja per definitionem das Ausbleiben einer Entlastungserwartung. Und Stress macht müde. Im Unterschied zum Virus, das megastresst, aber selbst alles andere scheint als müde.
Wir werden in den kommenden Tagen und Wochen sehen, ob die sogenannte «Immunfluchtmutante» Omikron nicht nur ansteckender als Delta ist, sondern auch gefährlicher: also eine Immunfluch-Mutante. Omikron trübe die Aussichten für die kommenden Wochen und Monate weiter, sagt die Schweizer Taskforce-Chefin Tanja Stadler. Noch trüber?
Kein Licht diesmal zu Weihnachten, sondern kollektiver Geisterritt auf Welle Fünf?
Interessanterweise wurden die griechischen Buchstaben Ny und Xi von der WHO bei der Benennung der neuen Mutante übersprungen, um wie es heisst «Missverständnisse und Stigmatisierungen zu vermeiden». Englisch «Nu» klinge zu sehr nach «new», das könne verwirren. Und Xi heissen viele Chinesen, unter anderem der chinesische Staatschef Xi Jinping. Damit gelangen wir aber schneller ans Ende des Alphabets. Nicht gut!
VC & Zink-Booster
Müdigkeit ist das Kennzeichen unserer absurden Gegenwart, in der das eigene Leben stark von Aussen bestimmt wird und Energien und Aktivitäten ausgebremst werden; in der wir vielleicht sogar mehr freie Zeit haben, aber weniger Freude und Kraft. Umso wichtiger ist es nach Dingen zu fahnden, die dennoch ein wenig Selbstwirksamkeit erfahren lassen und den körperlichen und seelischen Immunschutz verbessern.
Für mich gehören tägliche Atemübungen dazu (oder auch schon der Vorsatz, es täglich zu tun). Mit Atemübungen, z. B. als Teil von Yoga oder Qigong, lassen sich die stundenlange Sauerstoffarmut während des Maskentragens immerhin etwas kompensieren und Lebensgeister aufwecken. Ein Gefühl der Selbstwirksamkeit verschafft mir auch das morgendliche Ritual, Vitamin C und Zink in Brausetablettenform einzunehmen.
Der Wert der Mikronährstoffe wurde mir deutlich, als meine betagte Mutter im Mai an Corona erkrankte. Der Verlauf war glücklicherweise mild. Die Coronaärzte verordneten Mikronährstoffe in hoher Konzentration als einzige Medizin.
Wenn es bei akuter Erkrankung hilft, so ist es gewiss noch besser, den Vitamin-C- und Zink-Spiegel schon beizeiten aufzubauen und damit das Immunsystem auf natürliche Weise zu stärken.
Seit kurzem habe ich damit begonnen, Listen mit Dingen anzulegen, die mir besonders auffallen. Auch das kann gegen Coronaerschöpfung helfen. Dann überlistet man sich selbst, statt bei dem Thema automatisch «abzuschalten», hinzuschauen und zu beobachten, was rund um einen passiert – und es ist ja gerade alles andere als eine langweilige Zeit.
Mein Favorit in der Liste mit Coronakuriositäten ist derzeit, dass bei den jüngsten Anti-Lockdown-Demos in Wien das Gerücht umging, unter Gullideckeln würden sich Impfärzte verstecken, die demonstrierenden «Impfskeptikern» unbemerkt eine Impfdosis in die Wade verabreichen (kein Scherz!).
Glaube – Liebe – Hoffnung
Und dann liegt es immer noch an uns selbst, ob wir uns schon morgens sagen, dass es sicher wieder ein ganz fürchterlich trüber und ermüdender Tag wird oder aber uns darauf besinnen, was – trotz Corona – gut ist und guttut. Wir brauchen dringend Auffrischungs-«Impfungen», die es nicht bei BioNTech, Pfizer oder Moderna zu kaufen gibt.
Aber es geht nicht nur um Selbstwirksamkeit. Wenn das Leben und der gesellschaftliche Zusammenhalt in der Vergangenheit prekär wurden, nicht selten auch in Folge von Epidemien oder Seuchen, haben Christ:innen drei Gnadengeschenke besonders tief und tröstend eingeleuchtet: Glaube, Liebe, Hoffnung. Diese drei können auch heute helfen, wenn es ringsum trüb wird, im Licht zu bleiben.
Welche Seelenbooster kennt ihr? Vielleicht mögt ihr in der Kommentarspalte teilen, was euch hilft?
Photo by Andres Ayrton from Pexels
3 Gedanken zu „Seelenbooster“
Sehr schön, mir hilft zB. Schönes im Wald zu entdecken auch im grauen Dezember…
Jaa! Der Wald ist wirklich in jeder Jahreszeit wundervoll und besonders. Gerade auch der winterliche Raureifwald und der Wald mit braunen Farnskulpturen, gefrorenen Pfützen und Schneekristallen auf Tannennadeln. 😀
Ich habe das Aquarellieren entdeckt und nach zweijährigem herumdümpeln in den letzten Monaten tatsächlich einen Quantensprung erlebt. Es ist wie wenn die mal-Zeit ‘Heilige Zeit’ ist. Ein ‘Sanctuary’. Der Engel steht mit Flammenschwert davor und verlangt von allen dunklen Gedanken und Energien erst mal die Ausweispapiere. Es ist wie wenn ich während dem Hantieren mit Pinsel und Pigment meinen inneren Kompass wieder auf den wahren Norden ausrichten kann. Nachher fühle ich mich wie frisch geduscht 🙂