Less noise – more conversation.

 Lesedauer: 3 Minuten

Zwei Tage aushalten

Karfreitag, Karsamstag stehen bevor: Zwei Tage, an denen die Zeit stehen bleibt. Der Mensch gewordene Gott wird hingerichtet. Was gibt es da schon noch zu sagen?

Schweigen, trauern, aushalten wäre angesagt. „Karfreitag“, „Karsamstag“ – schon die Worte klingen kantig, harzig, hart. Doch die Realität ist sonnig und glatt: Man kann den religiösen Hintergrund gut ignorieren und die Ostertage schlicht und einfach als Kurzurlaub betrachten – auch wenn sie dieses Jahr etwas anders aussehen. Das Tanzverbot ist ausnahmsweise hinfällig geworden; sonst würde einzig dies die wichtigsten Tage des Kirchenjahres auch in unserer säkularen Gesellschaft öffentlich ausdrücken.

Diskrepanz zwischen Alltag und Gedenken

Für mich als gläubigen Menschen ist Ostern gerade wegen dieser Diskrepanz jedes Jahr eine Herausforderung. Ich trage die Erinnerung an Sterben und Auferstehung von Jesus Christus im Hinterkopf mit mir herum, während die Vögel zwitschern, WhatsApp-Nachrichten eintrudeln, die Kinder im Haus spielen. Es ist wie nach einer schlimmen Nachricht über jemanden aus meinem Umfeld, der mir nicht wirklich nahe steht, aber doch gerade nahe genug, um mich dennoch zu betreffen.

Und so fühlt sich alles, was ich an Karfreitag und Karsamstag mache, irgendwie verlegen an. Auch was diese Zeit mit mir persönlich zu tun hat, erschliesst sich mir nicht komplett. Und im Aushalten von diffusen Situationen sind wir Menschen nun mal nicht so gut.

Ersatzhandlungen

Ich werde zwar an Karfreitag nicht arbeiten, aber vielleicht ein paar lehrreiche Podcasts hören. Ich werde mir wohl einen Hollywood-Film anschauen, aber immerhin einen nach dem biblischen Geschehen, zum Beispiel «Maria Magdalena». Vielleicht gehe ich joggen, höre mir aber dabei auf den Kopfhörern eine Karfreitagspredigt an. Ersatzhandlungen.

In der Tierpsychologie gibt es den Begriff „Übersprungshandlungen“: Scheinbar sinnlose Handlungen, die ein Tier tut, wenn das, was es instinktiv tun möchte, nicht möglich ist. Zum Beispiel ein Hund, der raus möchte, aber noch warten muss, und dann an seiner Pfote zu knabbern beginnt.

Ein bisschen so komme ich mir jeweils über die Ostertage vor. Denn das, was ich tun möchte, ist nicht möglich: Den ganz normalen Alltag weiterleben. Da sind diese störrischen, ambivalenten zwei Tage des Gedenkens. Und so versuche ich, das Geschehen, das sich vor 2000 Jahren in und um Jerusalem zutrug, mit mir herumzutragen. Es an mich heranzulassen.

Unbequem

Dann kommen unbequeme Gedanken wie zum Beispiel, dass Menschen auch heute noch unschuldig getötet werden. Dass Gekreuzigte wie Jesus von Nazareth wohl durch Ersticken gestorben sind, wie Hunderte von Menschen in diesen Wochen in den Spitälern. Oder dass es auch in Europa einen Rand gibt, wie die Müllhalde Golgatha neben der Prunkstadt Jerusalem, wo sich täglich viel Leiden abspielt.

Es verhält sich mit diesen Gedanken ähnlich wie mit dem Tod von Jesus Christus: Ich ahne, dass sie irgendwie mit mir zu tun haben. Und doch kann ich daraus unmittelbar keine einfache Erkenntnis ableiten, oder sogar ein Handeln. Ich kann sie aber auch nicht einfach ignorieren.

Karfreitag.

Karsamstag.

Aushalten.

 

Photo by Jon Tyson on Unsplash

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