Less noise – more conversation.

 Lesedauer: 4 Minuten

Vom Unterwegssein

Manchmal fühle ich mich verloren im Glauben. Manchmal werden die Fragen mehr als die Antworten, überhaupt wird es immer mehr, die Weltsituation, mein Alltag. Und gleichzeitig wird es in mir immer weniger.

Die Fragen stauen sich auf und häufen sich an, und ohne, dass ich es merke, verlasse ich den festen Ort und bin auf der Suche. Bin Nomadin. Wieder mal.

Das ist eine Geschichte darüber, wie es im Glauben manchmal ist. Wenn es mehr Zweifeln als Glauben ist. Mehr Suchen als Finden.

Mit leichtem Gepäck

Ich bin unterwegs mit leichtem Gepäck. Was ich zum Überleben brauche, die ganz grundlegenden Dinge, habe ich noch. Aber alles Überflüssige habe ich hinter mir gelassen oder verloren. Oder es wurde mir weggenommen. Gewissheiten, Antworten, Sicherheiten. To-Dos, Normen, Verpflichtungen.

Ich halte mich an kargem Proviant. Jeden Morgen zehre etwas von dem, was noch da ist. Sorgfältig und bewusst, damit es möglichst lange reicht.

Ich möchte mit den anderen teilen, aber es ist wenig da. Wenig Glauben, wenig Hoffnung. Ein bisschen Liebe noch, und Vertrauen, dass ich hier in guter Gesellschaft bin.

Ich bin hier nicht alleine unterwegs.

Wir teilen das wenige, das wir haben, und jemand singt abends am Feuer ein trauriges, schönes Lied. Wir geben den Neuen unter uns, die vor Kälte schlottern, eine warme Decke.

Und es wird Abend und wieder Morgen, ein neuer Tag.

Die kleinen Wunder

Wir leben draussen, im wilden, kargen Land zwischen den Orten, an denen all die vielen anderen sind. Wir haben es dort nicht mehr ausgehalten und es hat uns weggezogen.

Hinaus, in die Wildnis, dorthin, wo der Himmel weit ist. Dorthin, wo zwischen den Felsbrocken zarte Pflänzchen wachsen und widerständige Flechten. Diese echten, kleinen Wunder. Sie bedeuten mir so viel mehr als die leuchtenden Anzeigetafeln und die vielen Läden in der Stadt.

Angst habe ich keine. Ich weiss, dass diese Wanderungen dazugehören und dass ich irgendwann wieder ankommen werde. Es ist schon ein paarmal passiert, dass ich plötzlich hier draussen war.

Die ersten Male waren schlimm. Jetzt habe ich ein Licht dabei, und falls ich doch einmal ein Stück alleine gehen muss und mich dabei verlaufe, fürchte ich kein Unheil.

Ich werde wieder gefunden werden.

Wenn ich durch ein Dorf komme, rufen mir die einen zu, von ihren Balkonen aus. Ich sei auf dem falschen Weg. Dreh um! Es ist gefährlich! Ich grüsse sie und gehe weiter.

Fata Morganas

Es gibt auch welche, die Food-Trucks aufgestellt haben. Snacks anbieten, die nicht satt und dafür viel Abfall machen.

Manche bauen Zeltstädte. Organisieren Festivals. Und bauen damit neue Städte aus falschen Versprechungen. Die Illusion, schon angekommen zu sein. Dabei sind wir mitten in der Wildnis.

Irgendwann. Irgendwann werde ich mich wieder niederlassen können. Wo, weiss ich noch nicht, aber es wird gut sein.

Es wird wieder Freude geben und einen gedeckten Tisch. Die Menschen, mit denen ich unterwegs bin, und ich, wir werden feiern und lachen. Wir werden bei unserem richtigen Namen gerufen werden und unsere Tränen werden abgewischt sein.

Bis dahin müssen wir in Bewegung bleiben. Einen Atemzug nach dem anderen nehmen und zwischendurch ausruhen. Ich möchte teilen, was ich noch habe, und mein Licht nicht unter den Scheffel stellen.

Ich will Sorge tragen zu dem, was mir geblieben ist. Die Schätze, die ich gefunden habe, sorgfältig im Rucksack verstauen. Manchmal nehme ich sie hervor und staune. Manchmal zeige ich sie sogar jemandem, von dem ich weiss, das er mich versteht.

Ich weiss, dass alles gut ist, wie es ist. Dass Gott mich frei und sicher hält.

Ich will mich an den unerwarteten Momenten voller Schönheit in der Wildnis freuen. Und nachts vom dem träumen, was kommen wird.

4 Kommentare zu „Vom Unterwegssein“

  1. In diesem Raum befinden wir uns alle. Irgendwo zwischen Unsäglichkeit und Unsagbarkeit, zwischen Unsäglichem und Unsagbarem. Die einen wissen’s. Die anderen nicht.

  2. Liebe Evelyne, ich finde deine Beiträge immer sehr wertvoll für mich – auch diesen!
    Ja, ich bin auch unterwegs und eine Suchende. Das hat mich anfangs gestört, denn ich wollte ja finden- und zwar „das Richtige“! Es war ein Prozess dahin zu kommen. Hatte den Gedanken es ist wie der Auszug aus Ägypten: 40 Jahre durch die Wüste um Ägypten aus dem Kopf zu bekommen. Vielleicht muss auch ich durch die „Wüste“, um meine Konzepte aus dem Kopf zu bekommen…
    Zu Psalm 23 gibt es auch eine wunderbare Predigt von Thorsten Dietz , GospelHaus Stuttgart (über YouTube).
    Zu Gott 9.0: ich habe es so verstanden, dass die eine Stufe nicht besser ist als die andere (laut Autoren). Till Haberer hat mal gesagt, es sei eher wie Baumringe: man wächst in neue Räume hinein und die frühen Ringe sind genauso viel wert, wie alle anderen. Sonst wären ja Babys oder demente Menschen weniger wert.
    Vielen Dank für deine für mich wichtigen Beiträge!

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