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Von Schmetterlingen und Sternen

Ich weiss nicht, wie es bei euch ist, aber meine To-do Liste gleicht einem Nullsummenspiel. Die Punkte, die ich am Abend streichen kann, werden am nächsten Morgen von drei bis fünf neuen Punkten ersetzt.

Eine Podcast Aufnahme, den einen Artikel zu Jesus in der Popmusik fertig schreiben, dem Filmmenschen schreiben, einen Lichtschlauch bestellen, den Spesenbeleg einreichen, eine neue Meditation vorbereiten, und mich um die fünf anderen Ideen kümmern, die bisher einfach nur Ideen sind, aber vielleicht irgendwann mal zu einem Format, einem Konzept, einer Veranstaltung oder einem Vlog werden.

Das sind nur die beruflichen To-do`s. Von dem, was privat noch zu erledigen ist, will ich gar nicht anfangen. Die allzeit beliebte Definition von Glück des deutschen Schauspielers und Entertainers Harald Juhnke «Keine Termine und leicht einen sitzen» scheint einer durch volle Terminkalender zur Schau gestellten, selbstvergewissernden Relevanz zu widersprechen. Alles ist gleich wichtig und gleich dringlich.

Die schönen Dinge des Lebens, Sport oder Kultur werden in die nicht vorhandenen Lücken gequetscht. Ich versuche seit zwei Wochen ein Facetime Date mit meiner Freundin abzusprechen. Was soll ich sagen, bisher hat es noch nicht geklappt. Wir sind alle so furchtbar busy. In unseren Leben ist so elendig viel los. Die Gleichzeitigkeit von Dingen ist überwältigend und kaum auszuhalten.

Alles ist verflochten

Der Meteorologe Edward N. Lorenz hat einen Effekt entdeckt, der gemeinhin als Butterfly Effect bekannt ist. Es geht um die Unvorhersehbarkeit langfristiger Auswirkungen von kleinsten Veränderungen im System.

Kann der Flügelschlag eines Schmetterlings auf der einen Seite der Welt für einen Tornado auf der anderen Seite verantwortlich sein?

Jede noch so kleine Veränderung in unseren Systemen, ein Schmetterlingsflügelschlag, eine befruchtete Eizelle, die zu einem Menschen heranwächst, ein verschobener Termin, ein Telefonat, kann ungeahnte Folgen haben. Ein Mensch macht einen Unterschied, zumindest für die vielen anderen Menschen, die dieser Mensch affiziert. Alles hängt miteinander zusammen, und trotzdem verlieren manchmal die Zusammenhänge an Bedeutung.

Alles ist zerbrechlich

Wenn Astronauten vom Weltall aus auf die Erde sehen erleben viele von ihnen den sogenannten Overview Effect. Die Welt auf der wir leben, ist zerbrechlich. Diese Zerbechlichkeit, das Bewusstsein, wie schnell unsere Lebenswelt in sich zusammenfallen kann, bezeichnet dieser Effekt.

Der Astronaut Edgar Mitchell hat mal gesagt:

«Ich habe Astronomie und Kosmologie studiert und verstand nun völlig, dass die Molkeüle in meinem Körper, im Körper meiner Kollegen und im Raumschiff aus der Entstehung von Sternen herrührten. Und aus diesen Beschreibungen war deutlich: wir sind Sternenstaub. Und das war einfach überwältigend und mächtig.»

Den Kompass wiederfinden

Wenn wir uns in Kleinigkeiten verlieren, alles mal wieder parallel passiert oder überwältigt sind, von der Zerbrechlichkeit des ganzen Systems, in dem wir uns bewegen, richten wir uns nach den Sternen aus. Nach dem, was uns Kompass sein kann und uns nach Norden führt. Damit wir die Segel richtig setzen können.

«Von der tiefsten Grube aus können wir die Sterne sehen, wenn nicht gar die Sonne. Mögen wir Geistesgegenwart genug haben, zu sinken, wenn wir nicht schwimmen können. Es wird kein Stürzen geben, denn wir werden mit der Schwerkraft der Erde weit gleiten, wie ein Stern und werden doch stets aufwärts gezogen.»

Henry David Thoreau ist in den Wald gegangen und hat dort eine andere Perspektive auf die Welt entwickelt. Von der tiefsten Grube aus können wir die Sterne sehen. Sie geben uns Orientierung

Wenn mein Terminkalender keine Zwischenzeiten mehr lässt, oder am Ende des Tages mehr To-do Punkte auf der Liste stehen als noch am Morgen. Wenn meine Welt zusammenzufallen droht, gibt es Fixsterne, die mir Halt geben können. Sterne, die auch in der Nacht leuchten und auch von der tiefsten Grube aus für mich sichtbar sind. Menschen, die einen Unterschied machen und Überzeugungen, an denen ich mich festhalten kann. Ein Glaube, der mich trägt. Egal wie tief die Grube ist, von der aus ich in den Himmel schaue.

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