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Lost in Translation: Utepils

Utepils. Norwegischer Ausdruck für ein Bier, das draussen getrunken wird.

Irgendwas scheinen die Norweger verstanden zu haben. Auf jeden Fall haben sie verstanden, dass Bier vorzugsweise draussen getrunken werden sollte. Wenn ich den Begriff Utepils lese, stelle ich mir vor wie 3-5 bärtige norwegische Männer auf Gartenstühlen in der Natur sitzen und auf einen Fjord oder ein ähnliches Gewässer schauen. Im Hintergrund beobachtet der Tannenwald die Szenerie.

Ich sehe Kondenswasser an kalten Bierflaschen hinunterperlen und Hände, die an Etiketten rumpulen. Ich höre «Ahhhhs» und «Mhmmmms», sobald das Kaltgetränk die Kehle hinunter rinnt. Höre Menschen, die etwas vor sich hin nuscheln, mit Worten wie «erfrischend» und «lecker».

Und die Sonne geht unter, während sich der Himmel in lila Töne färbt und schmale Wolkenschleier am Horizont auf die Nacht warten. Die Grillen zirpen im Hintergrund und irgendwo in naher Ferne erklingt ein Uhu.

No rausch needed

Utepils ist Idylle und Bewusstsein. Ein Utepils drängt nicht, es hat keine Eile, es nimmt sich Zeit. Für den Genuss, für die Gesellschaft, für die Umgebung.

Auch wenn das Utepils ein alkoholisches Getränk ist, hat es nicht den Rausch als Ziel. Der Rausch ist bereits das Konsumieren. Und dieses ist weniger Rausch, als vielmehr durch das Konsumieren ausgedehnte Gegenwart und unmittelbare Präsenz.

Mit einem Utepils wird der Moment kurz angehalten und alles, was ist, darf sein. Ein Utepils ist etwas Gemütliches, fast schon Romantisches.

Das Utepils erfordert Musse und Hingabe, es ist nichts für Schnellschlucker.

Es erfordert Genussbewusstsein und Gegenwart. Ich bin ganz da, im Hier und Jetzt. Alle Sinne sind erfahrungsbereit. Ich bin eins mit meiner Umgebung und den Menschen, die bei mir sind. Die Natur umarmt mich, die Sonne versinkt nur für mich am Horizont und an meinem linken Unterschenkel spüre ich jede einzelne Mücke ihren Stich setzen, was könnte schöner sein.

Bier 2.0

Wie bereits eingangs erwähnt, wird ein Utepils nicht im luftleeren Raum konsumiert. Es hat ein eigenes Setting, in welches es hineingestellt wird. Es ist situatives, flüssiges Glück, welches den gemütlichen Aspekt des Biertrinkens mit einem Ortskontext in eine Symbiose zu bringen versucht.

Ein Getränk explizit mit dem Ort zu verknüpfen, an dem es getrunken werden sollte, erscheint mir äusserst durchdacht. Da die Qualität des Genusses eines Getränks nicht nur von dem Getränk selbst, sondern mindestens genauso sehr von den äusseren Umständen des Konsums abhängig ist. Genauso wie von der Gesellschaft, mit welcher es eingenommen wird.

Durch die Ortsangabe steigert sich demnach auch der Genuss. Weitergedacht könnte es z.B. auch Picknick-Date-Daiquiri heissen. Oder Poolparty-Prosecco. Oder Apéro-Aperol.

Das Utepils trinkt sich draussen. Und gut gekühlt. Im Sommer, an einem See, mit 3-5 bärtigen Norwegern und 25 juckenden Mückenstichen an der linken Wade. So zumindest meine verklärte Vorstellung.

Alternativ reicht aber vielleicht auch der erste laue Frühlingsabend und ein guter Freund. In diesem Sinne, Prost.

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