Less noise – more conversation.

 Lesedauer: 5 Minuten

Exkurs in die Non-Dualität, oder: Warum immer Ostern ist

Ein viel verwendeter Ausdruck in meinen Texten und Podcasts ist «nicht-separat», ein Hinweis auf mein non-duales Erleben der Wirklichkeit. Mit mir, vor mir und auch nach mir haben sich viele darum bemüht, ebendieses Erleben in Worten weiterzugeben.

Was per se unmöglich ist – denn Worte können weder das unmittelbare Erfahren ersetzen, noch herstellen.

(Es ist denn auch ganz klar ersichtlich, welche der Texte aus einem Erleben resultieren und welche aus blossen Gedanken bestehen. Ebenfalls klar wird in den Texten, bis zu welchem Grad diese Realität erlebt und gelebt wird.)

Was sagen die alten Mystiker:innen?

Dennoch, ich finde vielfach unglaublich präzise Worte an teils überraschenden Orten. Zum Beispiel in der Bibel.

OMG. Hätte ich von mir selbst niemals erwartet, dass mich jene Texte derart direkt ansprechen. Jesus zum Beispiel ist der totale Mystiker.

Wäre ich eine bibelfeste Theologin, könnte ich hier Zitate bringen. Das scheint mir aber bemüht, darum lass ich das. Ich komme aber später nochmals auf dieses grandiose Beispiel zurück.

Die alten Mystiker:innen sprechen manchmal davon, sich ganz in Gott aufzulösen, sich ganz hinzugeben. Nicht länger ein separates Ich sein zu wollen, ein jemand, wie wir uns das so gewohnt sind. Hinduistische und buddhistische Texte sprechen von Moksha, Nirvana oder Samadhi.

Alle weisen auf dasselbe hin: Die Erfahrung, dass alles tatsächlich eins ist. Gott. Es gibt kein «anders als».

Furchteinflössend, absolut grossartig – und erst noch demokratisch!

Die Erfahrung, dass alles aus Gott glismet (Schweizerdeutsch für «gestrickt») ist und bloss so aussieht, als seien es verschiedene Dinge, befreit. Direkt zu sehen, dass dieses Ich, das sich so verantwortlich und «in charge» fühlt, eine reine Illusion ist – pure Erleichterung.

Gut, vielleicht nicht sofort und instantly, zugegeben.

Zunächst scheint es extrem gefährlich zu sein, dir dieses Gefühl vom «ich» abstreifen zu lassen. Es ist furchteinflössend für eben jenes Ich. Doch es ist ein blosses Umgewöhnen ufenart, ein sich neu ausrichten in der Welt, in der Realität. Die, wie sich herausstellt, so ganz anders ist, als angenommen.

Was ich dabei wichtig finde zu betonen:

Es braucht weder harte Arbeit, noch eine besondere Disposition, um die Realität oder die wahre Natur der Dinge zu erleben.

«Demokratie der Mystik» – alle haben diesen Zugang. Logisch, weil wir alle unter den diversen Schichten von Konditionierung und Ego Gott sind.

Diese Aussage mag in ihrer Direktheit und Klarheit eine Zumutung sein – eine Zumutung fürs separate Ich. Doch genau diese Zumutung hat die Kraft, Dinge tatsächlich zu transformieren, statt in einer light Version zu verharren und darin (letztlich) unfrei zu bleiben.

Das einzige, was wir für diese Entdeckung brauchen, ist die Bereitschaft, immer und immer wieder ins Unbekannte zu springen. Die Bereitschaft, dich in der Stille neu ausrichten zu lassen.

Yay, Jesus

Eine schöne Geschichte oder ein schönes Beispiel dafür finde ich die Ostergeschichte. Überhaupt, die Figur Jesus. Ganz Mensch und ganz Gott. Kein entweder oder, konsequent durchlebt bis zum Schluss.

Kein Schritt wurde da übersprungen, niemand packte den Regenbogen-Einhorn-Pinsel aus, um die Geschichte schön zu malen. In dieser Geschichte liegen so viele Hinweise auf die wahre Natur der Dinge, es schockiert mich regelmässig, was die Institutionen daraus gebastelt haben.

Jesus stirbt ganz und ist ganz tot in der Geschichte. Ganz Mensch. Gleichzeitig ist «ganz Gott» nicht betroffen vom Sterben, wovon uns die Auferstehung erzählt. Der menschliche Körper vergeht, Gott ist ewig.

Den Tod gibt es nicht – könnt ihr euch vorstellen, wie heilsam diese Einsicht war für mich? In deren Leben ständig alle gestorben sind? Uff.

Die Frage, die sich da stellt, für uns alle ist: Getraue ich mich, zu sterben, bevor ich sterbe? Getraue ich mich, jeden Tag Ostern sein zu lassen?

Ich sterbe voller Freude stets bitz mehr

Meine persönliche Antwort ist da ein herzhaftes: Jawoll! Inzwischen sterbe ich mit Gusto und Freude und freue mich auf die neuen Türchen, die jeweils nach einem neuen Tod aufgehen.

Plötzlich ist zum Beispiel eine Woche in einer Gruppe von 25 Menschen, in der es zimli «mänscheled», kein Problem mehr. Undenkbar bis vor einigen Monaten, ich hatte keinen Raum dafür. Besser gesagt, da war zu viel Ich, die sich involviert fühlte. Und genau wusste, was sie wie haben will, damit es ihr gut geht.

Wenn da aber niemand ist, die sich angesprochen fühlt, oder die sicherstellen muss, dass xyz, dann hat es so unglaublich viel mehr Platz für kreative Geschehnisse. Plötzlich gibt es dann zum Beispiel doch ein Einzelzimmer, obwohl die Policy eigentlich anderes vorsieht. Oder diverse Gruppenspannungen gehen einfach an mir vorbei, weil da einfach Gott eine gute Zeit mit sich hat.

Das heisst nicht, alles einfach mitzumachen und in jeder Situation ok zu sein. Nenei, aber das Kommunizieren oder Setzen von Grenzen geschieht ohne dieses klebrige, kontrollierende, vergleichende Ich. Das macht das Zusammenleben so viel einfacher.

Es geht nicht darum, das Menschliche loszuwerden

Natürlich gibt es Situationen, die das klebrige Ich doch wieder auf den Plan rufen. Logo. Aber überhaupt kein Problem!

Wir spielen ja nicht darum, das Menschliche loszuwerden. Sondern es anschauen zu können, statt darin gefangen zu sein.

Zudem sehe ich je länger je klarer: es ist kein Spiel, das man verlieren kann. Du hast schon gewonnen, das ist die Ausgangslage.

Ostern ist bereits, du musst es dir weder verdienen, noch etwas go mache. Ist das nicht grossartig?!

 

Leela Sutter verantwortet bei RefLab den Podcast «Holy Embodied» und ist mit Leela’s Yoga selbständig unterwegs. Mit ihren beiden Katzen lebt sie in einem winzigen Tessiner Dorf, worüber sie auch schon geschrieben hat. Auf Leelas Website gibt’s Infos zu ihren Privatstunden, in denen sie Menschen dabei begleitet, «nach und nach das oben Beschriebene zu entdecken und die klebrigen Schichten abzubauen.»

«Was ist eigentlich Mystik?» Artikel und Video von Evelyne Baumberger

Spirituelles Leben in der reformierten Kirche und ihrem Umfeld sammelt die Plattform refdate.ch.

 

Bild: Unsplash

3 Kommentare zu „Exkurs in die Non-Dualität, oder: Warum immer Ostern ist“

  1. Roland Portmann

    Toller Beitrag! Danke! Erlebe ich oft: beim Meditieren, in der Natur, wenn ich mich in eine Wiese lege oder unter einen Baum und heute spontan im Café: ich „ zerschmelze“ irgendwie und werde eins mit der Ungebung und Allem… ab und zu irgendwie beängstigend….

  2. Danke für deinen Beitrag. Tragisch ist, dass wer diese Denk- und Lebensweise vertritt und praktiziert niemals in die Theologische Fakultät der Uni gewählt werden wird. Der amtierende Professor, der sich als Experte für das Johannesevangelium hält, versteht nicht den spirituellen Tiefgang des Urtextes dieses Evangeliums: The Gospel of the Beloved Companion, translated and commented by Jehanne de Quillan, 2010, €17.66 bei amazon.

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