Dein digitales Lagerfeuer
Dein digitales Lagerfeuer
 Lesedauer: 4 Minuten

Was tun gegen Adventsstress?

1. Sich besinnen

Besinnlichkeit ist heute ein fast ausgestorbener Begriff. Im Advent aber taucht er noch auf. Wenn auch meist negativ, als Information seines Fehlens:

«Die Adventszeit war für mich wieder einmal überhaupt nicht besinnlich!»

Oder als «frommer» Wunsch:

«Ich wünsch’ dir einen besinnlichen Advent!»

Besinnlichkeit lässt sich zeitgenössisch bis zu einem gewissen Grad mit «Achtsamkeit» übersetzten. Es geht auch um die achtsame Auseinandersetzung mit Gefühlen des Zuviels und Zuwenigs, mit «Entstörung» des Inneren, die Erfahrung tief reichender Freude und die Erneuerung der Zeiterfahrung.

Dabei können Rituale helfen.

Auch wenn wir alle Kinder der Moderne sind und – hoffentlich – in der Gegenwart leben, heisst das nicht, dass wir ohne Rituale leben müssen. Manche Rituale werden seit Jahrhunderten weitergegeben, andere entstehen neu. Und manches wirkt älter als es ist.

Rituale strukturieren nicht nur die Zeit, sondern sie lassen Zeit anders und neu erfahren.

2. Mein Advent

Welche Advents- und Weihnachtsrituale kennst und praktizierst du? Sind es individuelle und persönliche Rituale? Oder schöpfst du aus dem geerbten Schatz der christlichen und kirchlichen Tradition? Oder Mischungen aus Verschiedenem?

Wir können und dürfen uns Traditionen individuell und kreativ aneignen.

Die Adventszeit war, was viele nicht wissen – und auch ich erst kürzlich erfuhr – ursprünglich eine Fastenzeit. Klingt vielleicht nicht unmittelbar einleuchtend, ist aber so.

In der orthodoxen Kirche wird der Advent immer noch so aufgefasst: als vierzigtägiges «Weihnachtsfasten», ähnlich wie vor Ostern, mit Blick auf Jesu Zeit in der Wüste. Das traditionelle «Philippus-Fasten» vor Weihnachten der Ostkirche orientierte sich an Essgewohnheiten im Mittelmeerraum. Hier sahen Fastenregeln den generellen Verzicht auf Fleisch, Milchprodukte und Eier vor; Fisch, Wein und Öl waren nur an bestimmten Tagen erlaubt.

Fasten und beten dienten der seelischen Vorbereitung auf das Weihnachtsfest.

Ich will das Adventsfasten in einer Form ausprobieren, die meinem Lebensstil und Rhythmus entspricht. Was ich mir davon erhoffe? Zu Weihnachten nicht in den müden Chor der Adventsgestressten einstimmen zu müssen, die routinemässig seufzen:

«Ich hatte wieder einmal keine besinnliche Adventszeit.»

3. Moderat fasten

Beim Adventsfasten geht es sicherlich um ein milderes Fasten als beim vorösterlichen Fasten im Frühjahr. Das passt in die kalte, winterliche Jahreszeit und läuft dem Biorhythmus nicht zuwider. Es geht vor allem darum, herunterzukommen. Ich fasse es so auf:

  • Zum Beispiel auf Süssigkeiten verzichten, ausser an Wochenenden und wenn Freunde zu Besuch sind.
  • Gedankenfasten: Nach den Abendnachrichten eine imaginäre Linie ziehen. Ich muss nicht alles mit ins Bett und in die Nacht nehmen. (Rät auch die Schlafforschung.)
  • Social-Media-Fasten ist sicher auch ein Thema.

Ich möchte Adventsfasten mit einer Form von Ritualen verknüpfen, wo man Zeit investiert, aber subjektiv das Gefühl hat, Zeit geschenkt zu bekommen. Es handelt sich dabei durchwegs um Tätigkeiten, bei denen man normalerweise denkt: Das würde ich zwar gern machen, aber ich habe leider keine Zeit.

  • Zum Beispiel morgens oder abends einen kleinen Spaziergang machen, egal wie das Wetter ist.
  • Meditieren, etwas Inspirierendes lesen oder handarbeiten: Ich stricke und häkle gern. (Die letzte Ausgabe meines Podcasts TheoLounge in diesem Jahr ist dem Thema meditatives Stricken gewidmet).
  • Und natürlich Weihnachtskekse selbst backen – aber nicht gleich wieder aufessen.

4. Der andere Advent

Die Inspiration, den Advent als Fastenzeit ernst zu nehmen, verdanke ich dem Kalender «Der andere Advent». Er gibt Gedankenanstösse und hilft, Zeit für Momente verdichtet zu erfahren: durch kurz Texte und meditative Bilder.

Der beliebte Kalender kombiniert meditative Bilder und Texte, für jeden Tag im Advent eine spezielle Kombination.

Die Texte für die diesjährige Ausabe stammen u.a. von Meister Eckhart, Marie Luise Kaschnitz oder Jean-Paul Sartre, aber auch von weniger bekannten Namen: Inken Christiansen, Linda Giering oder Ines Geipel. Letzere schreibt:

«Im offenen Meer schwimmen verschafft dir ein anderes Verhältnis zur Welt.»

«Die Liebe ist ein Wesen. Man muss es nur machen lassen und behüten.»

«Man kann sich auch selbst aus etwas entlassen.»

Der Kalender feiert dieses Jahr 30-jähriges Bestehen und ist ein kleines christliches Publikationswunder: «Der andere Advent» hat eine Auflage von über eine halbe Million Exemplare.

Die Idee zu «Der andere Advent» erwuchs aus der Besinnung darauf, dass der Advent über Jahrhunderte hinweg als Fastenzeit galt.

Der Kalender ist der Versuch, dafür eine zeitgemässe Form zu finden und zu Ritualen zu motivieren, die Stress reduzieren.

5. Ankommen

Etymologisch leitet sich «Advent» vom lateinischen «adventus» (Ankunft) her. Das bezieht sich auf die Ankunft Christi, sowohl seine Geburt an Weihnachten als auch seine erhoffte Wiederkunft. Theologisch steht der Advent für die Zeit der Vorbereitung, Erwartung, Sehnsucht und Hoffnung auf die Ankunft Jesu.

Zu allererst aber geht es darum, bei sich anzukommen.

Advent ist nicht nur eine Zeit, um runterzukommen, sondern auch um anzukommen. Dann kann sich auch alles andere einstellen: als Geschenk und Gnade.

Wir aus dem RefLab wünschen euch einen schönen Advent 2024!

Frühere Beiträge des RefLab zu Advent:

Advent. Eine Wartezimmerzeit.

Advent beginnt jetzt – im Dunkeln

Bild: Diego PH auf Unsplash

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

RefLab regelmässig in deiner Mailbox