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 Lesedauer: 5 Minuten

Was Barbie mit dem Reich Gottes zu tun hat

Ein neuer Himmel und eine neue Erde

Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde, denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen und das Meer ist nur noch Pappmaché. Und ich sah ein heiliges Land, wie von G*tt aus dem Himmel erdacht, ganz in pink. Schön, wie eine geschmückte Braut.

Und ich hörte eine helle Stimme von Lautsprechern her, die sprach: Siehe da, Barbieland, eine neue Welt, in der jede:r ihrem Traumberuf nachgehen kann, alle ihr eigenes Barbie Dreamhouse haben und jeder Tag ein perfekter Tag ist. Zumindest für die Barbies.

Und alle werden in Frieden miteinander leben und G*tt wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, denn sie wissen nicht, was Trauer ist. Und der Tod wird nicht mehr sein. Denn Ideen leben ewig. Und der Tod wird nicht mehr sein, weder Leid, noch Geschrei, noch Schmerz, denn die richtige Welt ist vergangen.

So oder so ähnlich könnte es klingen, wenn ich mit dem «Barbie»-Film Werbung für das Reich Gottes machen und dazu den Text aus der Johannes-Offenbarung zu Hilfe nehmen würde. Ein Traumland in pink mit einem Hauch Endzeitstimmung.

Barbie, der Film

Der Film «Barbie» kann auf vielfältige Art und Weise gesehen, eingeordnet und interpretiert werden. Was wir mit Barbie verstanden haben: Es gibt keine einfachen Lösungen. Den Geschlechterkampf in einem Film von 116 Minuten darzustellen, übertragen auf die Geschichte einer Spielzeugpuppe, mit ganz viel Ironie und Satire, dabei noch die Entwicklung der Barbie zu erzählen, eine ganze Welt zu konstruieren, eine Produktionsfirma mit einzubinden und dabei massentauglich zu sein, ist eine Herausforderung, der sich Regisseurin Greta Gerwig und ihr Partner Noah Baumbach zumindest mal gestellt haben.

Wenn in Barbieland die Füsse der weissen Normbarbie auf einmal Plattfüsse sind, ist die echte Welt dafür verantwortlich.

Der «Konflikt zwischen Fantasie und Realität [zieht sich] durch den Film und wird zunehmend philosophisch und politisch».

Die Wirklichkeit beeinflusst die Fantasie. Und die Fantasie, in diesem Fall Barbie, verändert wiederum die Wirklichkeit.

Der Stoff aus dem die Träume sind

Realität und Vorstellung verschmelzen miteinander. Sei es in dem Film, in den seit Ende Juli Millionen von Menschen strömten oder eben in der Vorstellung des Reich Gottes. Wenn eine Barbiepuppe durch Venice Beach skatet und ihre Welt vor dem Patriarchat rettet oder aber der Tod nicht mehr sein wird.

In den alten Erzählungen, die die Menschen vor Hunderten von Jahren zu Papier gebracht haben, vermengen sich die Ideen von einer neuen Erde mit der jeweiligen Lebenswirklichkeit. Das Reich Gottes als Traumland 2.0 und Barbieland als vermeintliche Insel der Glückseligkeit. Aber wozu eigentlich diese alten und neuen Utopien?

«Menschen haben immer das gleiche Ende. Ideen leben ewig»,

sagt die Figur der Ruth Handler im Barbie-Film. Die Wahrheit, die der Erfinderin der Barbie in den Mund gelegt wird, scheint auch für Religionen eine Gültigkeit zu besitzen. Weil wir Menschen endlich sind, brauchen wir Ideen, die weiterleben. Bestenfalls Ideen, die davon erzählen, dass wir als Menschen weiterleben können. Zumindest aber Ideen von einem Leben nach der Endlichkeit.

Von dem was wird sein können

Wenn die Welt unserer Ideen gegenwärtig wird und in der Wirklichkeit Raum einnimmt, verschwimmen die Grenzen zwischen dem, was ist und dem, was möglich sein kann. Gegenwärtig und zukünftig zugleich.

Was wir uns vorstellen, wird Teil der Wirklichkeit, die wir gestalten. Die Metapher des Schon jetzt und Noch nicht verweist auf das Reich Gottes, welches sich in unserer Wirklichkeit manifestiert. Das Reich Gottes ist schon jetzt angebrochen, aber doch noch nicht ganz verwirklicht.

Im Barbie-Film sehen wir einen kulturell geschaffenen Geschlechterkampf, der in einer vermeintlich perfekten Fantasie nicht beigelegt werden kann. Der Film zeigt, was war, was ist und was vielleicht niemals sein wird.

Eine Erzählung über Fantasie und Wirklichkeit

Ob der Film nun die Geschichte einer Barbiepuppe oder die Fantasievorstellung einer Mattel-Mitarbeiterin ist: Er bleibt ein Kunstwerk, an welchem wir uns mit unseren Vorstellungen, wie die Welt werden könnte, abarbeiten.

Eine Geschichte wird erzählt, um zu verstehen. Zusammenhänge und Entwicklungen, um Erfahrungen zu deuten und Krisen Sinn zuzuschreiben. Auf welcher Reflexionsebene eine Geschichte verstanden werden kann, sagt nichts über die Qualität der Erzählung aus.

Wichtig ist, dass überhaupt erzählt wird. Von dem, was war, von dem was ist und von dem, was vielleicht sein wird. Ein rein weiblicher Supreme Court ist genau so unrealistisch wie ein Buch mit sieben Siegeln, welches von einem Lamm geöffnet wird.

John von Düffel schreibt in seinem Buch Das Wenige und das Wesentliche:

«Erzählen ist der Versuch/ Sich selbst die Richtung zu beschreiben/ In die das Leben geht/ Der Versuch, ein Bewusstsein oder/ Wissen über diese Richtung zu erlangen

Keine Erzählung, die heute beginnt/ Kann sagen, wie sie ausgeht/ Himmel und Hölle sind leer/ Die grossen Utopien und Dystopien/ Haben ihre Kraft und Glaubwürdigkeit verloren/ Ihre Zukunft ist Vergangenheit»

Jeder Tag ein neuer Tag

Gibt es eine Geschlechtergerechtigkeit im Reich Gottes? Es wäre wohl wünschenswert. Die Vorstellung von Geschlechtlichkeit scheint aber wohl an unsere Wirklichkeit geknüpft zu sein.

Vielleicht besteht die Wirklichkeit, das schon jetzt, des Reich Gottes darin, dass wir menschliche Denkschemata überwinden und uns von Erwartungshaltungen befreien? Das wäre doch schon mal ein Anfang.

Es wird wohl keine Posaunen geben, keine sieben Bücher mit sieben Siegeln. Und vermutlich auch keine Karriere von Ken im Bundesgerichtshof von Barbieland.

Aber wir starten mit unserer Erzählung von der neuen Erde trotzdem jeden Tag aufs Neue. Wir hören nicht auf, daran zu arbeiten, dass aus Fantasie Wirklichkeit wird. Auch wenn es noch nicht soweit ist.

Das Reich Gottes baut sich vielleicht jeden Tag neu auf. Mal mehr, mal weniger. Eben schon jetzt und doch irgendwie noch nicht so ganz.

Dabei wird es wohl bleiben. Und so lange Menschen sich Geschichten erzählen von Puppen und Posaunen, malt die Fantasie ein bisschen Barbie-pink in die Wirklichkeit.

 

Foto: Amy Shamblen, Unsplash

Ein „Barbie“ -Film mit feministischem Blick, dpa Newskanal

John von Düffel: Das Wenige und das Wesentliche, Köln 2022.

3 Kommentare zu „Was Barbie mit dem Reich Gottes zu tun hat“

  1. Wo Wasser aus Bechern nur zum Schein getrunken wird und die Verletzungen aus Unfällen in fünf Minuten weggewischt sind, muss ja zwingend fast alles perfekt sein.

    Stellt sich die Frage ob dies auf die Dauer erfüllend ist. Dies wird prompt am zweiten gezeigten Tag aufgegriffen, an dem nicht mehr so ganz alles Rund läuft.

    Die anschliessende Konfrontation mit der Realität ist zum Anfang nicht einfach und in gewissen Situationen wie beispielsweise auf dem Schulhof auch ziemlich ruppig.

    Dafür findet über die Zeit und im Schlussmonolog eine Versöhnung mit eben dieser Wirklichkeit statt und die Spannungen zwischen Ken und Barbie werden nicht zu Gunsten einer Perspektive aufgelöst, sondern führen zu einer Weiterentwicklung auf beiden Seiten.

    Dies ist natürlich in vielen Filmen als Grundstruktur nicht selten anzutreffen, ist jedoch wenn effektiv umgesetzt, essentiell um gemeinsam weiter zu kommen.

    Vielleicht kann dies auch mit biblischen Prinzipien angewendet werden, wenn diese im Jetzt real gelebt und erfahrbar sind. In dieser Hinsicht bekommt man eine leise Ahnung davon, worum es im letzten Kapitel der Bibel unter anderem auch geht.

    Ich kann Janna Horstmann in diesem Artikel nur zustimmen wenn sie im Schlussabschnitt schreibt… «Wir hören nicht auf, daran zu arbeiten, dass aus Fantasie Wirklichkeit wird. Auch wenn es noch nicht soweit ist».

    Das wird in diesem Sinne auch bei einem auf den ersten Blick trivialen Thema humorvoll verarbeitet und verpackt. Aus meiner Sicht ist Greta Gerwig und ihrem Cast daher eine schöne Parabel gelungen, die mit Hilfe eines Phänomens wie Barbie, Leute mit unterschiedlichstem Hintergrund ansprechen kann.

    1. Lieber Simon,
      Vielen dank für deinen Kommentar und deine inhaltlichen Gedanken!
      Ich pflichte dir bei, der Film hat die Kraft Menschen mit unterschiedlichsten Hintergründen anzusprechen. Allein deshalb sollte er meines Erachtens nicht zu schnell aus intelektuellem Hochmut abgewertet werden. Auch den Versöhnungsaspekt, welchen du ansprichst, finde ich sehr hilfreich und weiterführend.
      Danke für deine Rückmeldung und herzliche Grüsse,
      Janna

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