Unsere Profile auf sozialen Plattformen sind so etwas wie unsere Visitenkarten. Wir entscheiden, wie viel wir von uns preisgeben. Ob wir es bewusst oder unbewusst steuern: Wir entscheiden, wer und wie wir sein wollen. Dass es sich um eine virtuelle, zweidimensionale, modifizierbare und ganz sicher modifizierte Welt handelt, vergessen wir oft genug, weil wir irgendwie schon wollen, dass unser Profil mindestens so cool ist wie unser Leben. Und obwohl wir uns alle entspannt geben, ist es uns eben doch wichtig, wie wir auf andere wirken.
Umso erstaunlicher ist es, wie wenig diese sozialen Plattformen und unser Umgang damit in Literatur und Film vorkommen. Wäre auch langweilig, gezeigt zu bekommen, wie wir problemlos eine halbe Stunde vor einem Bildschirm herumdaddeln und uns in sinnlosen Tiktoks verlieren können. Umso spannender klang das Buch «Fake Accounts» von Lauren Oyler, von dem das Fluter-Magazin schrieb, es sei «endlich mal ein Roman über das Internet, bei dem man als Leser*in nicht das Gefühl bekommt, der oder die Autor*in sei für das Buch zum ersten Mal im Leben auf TikTok gewesen».
Die namenlose Erzählerin des Romans findet nämlich heraus, dass ihr Freund einen geheimen Instagram-Account hat, auf dem er Verschwörungstheorien verbreitet. Doch bevor sie ihn damit konfrontiert, stirbt der Freund. Sie beschliesst, spontan nach Berlin zu ziehen, dorthin, wo sie zwei Jahre zuvor ihren Freund kennengelernt hatte. Dort erstellt sie ein falsches Profil auf einer Dating-Plattform und erzählt jedem Mann, den sie trifft, eine erfundene Biografie, die sie sich anhand von Sternzeichen ausdenkt. Der Roman spielt dabei mit dem doppeldeutigen Titel «Fake Accounts», was als «Falsche Profile», aber auch als «Falsche Berichte» übersetzt werden kann.
War der gleichgültige, abgebrühte Ton des Romans anfänglich spannend, wurde er mühsam und irgendwann schmerzhaft: Alles wird beliebig, alles wird zu einem Spiel und Menschen zu austauschbarer Ware. Wenn nicht dieser Artikel im Netz, dann jener, wenn nicht dieses Date, dann das nächste. Leider beschreibt dieser Ton unseren Umgang mit sozialen Medien vermutlich besser, als uns lieb ist. Das Fluter-Magazin meinte, nach der Lektüre vergehe einem die Lust auf endloses Scrollen. Man braucht zwar einen etwas langen Atem dafür (lohnt sich aber!), doch es schadet nicht, einmal mehr über zu reflektieren, zu wem wir uns auf oder durch soziale Plattformen machen.