Aus aktuellem Anlass schieben wir hier eine Spezialfolge in unser Staffelprogramm: Manuel hat letzte Woche für einigen Wirbel gesorgt, als er der Predigt eines bekannten evangelikalen Pastors öffentlich widersprach. Unter anderem ging es dabei um das Bibelverständnis und den Wahrheitsanspruch – und im weiteren Sinne um die Frage, was eigentlich eine gute Theologie auszeichnet.
Darüber spricht er hier mit Stephan. Beide haben sich überlegt, was für sie zu einer gesunden, hilfreichen Theologie gehört. Dabei geht es ihnen nicht um bestimmte Positionen, die es zu vertreten gälte, sondern vielmehr um die Art und Weise, auf die man zu seinen Positionen gelangt und in der man sie vertritt.
Um schon ein wenig zu spoilern: Manuel hängt seine drei Kennzeichen einer guten Theologie an den Begriffen Neugierde, Leidenschaft und Bescheidenheit auf – und Stephan spielt seine eigenen Merkmale mit ein… Ein spannendes und hoffentlich weiterführendes Gespräch.
14 Gedanken zu „Special: Was ist eigentlich gute Theologie?“
Gratuliere!! Eine der besten Folgen, die Reflab je ausstrahlte. Manu und Stefan waren sehr engagiert. Ich habe Leidensschaft, Freiheit, Freude, Neugierde, Bescheidenheit, etc. gespürt.
Danke!
Nachdem ich den Vortrag von LB zu Ende gehört hatte, war tatsächlich mein erster Gedanke, ob und wie Manuel darauf reagieren würde.
Ich glaube allerdings, dass bei aller Sympathie fürs ICF die meisten ICFler Bigger zustimmen – obwohl oder gerade weil es theologischer und vor allem historischer Bullshit war, den er da erzählt hat.
„Gute Theologie“ ist aber gar nicht der Anspruch solcher Kirchen. Der sogenannte Biblizismus ist nun mal Teil der DNA – da kommt man mit Kriterien für eine gute Theologie nicht weiter.
Wieder mal: herzlichen Dank für anregendes Gedankenfutter!
Der Neugier-Gedanke gefällt mir sehr.
Danke für eure profunden Gedanken: ich muss Alex aus Cloppenburg leider Zustimmung- laut meiner Erfahrung gehört solches “Theologie-Treiben” hier bei LB zur DNA von Freikirchen wie dem ICF (Stichwort: “Theozid-Problem” (O-Ton LB): der Schenkelklopfer bis heute); das bestätigt auch unser Experte Georg Schmid. Da ich selber auch schon “inside ICF” war, ist es auch meine Erfahrung, dass man hier vom kruden Biblizismus eben nicht abweichen kann und darf, weil sonst das ganze Kartenhaus zusammenfällt (“Die Bibel ist das Wort Gottes und alles was drin steht wortwörtlich zu nehmen, basta!”)
@Manu: ich weiss, es ist schwer, die eigene Vergangenheit los zulassen, aber ich denke, dieser krude Biblizismus gilt im ICF …
qed 😁.
Die Lagerfeuermetapher finde ich auch toll und teile ich, aber als “Kirchenmann” bekomme ich hier Probleme: auch wenn wir als Landeskirche eine offene Weg- und Solidargemeinschaft sein wollen, nahe bei Gott und dem Menschen etc. wo ist dann das Normative, das für alle Verbindliche? Die Menschen wollen antworten und Orientierung.
Die Glaubensbekenntnisse haben wir abgeschafft, weil sie zu eng waren… aber wandern wir jetzt nicht gerade ab in die Beliebigkeit?
Gerade an der Uni fand ich in der Exegese stark, dass man die biblischen Texte vor Übergriffen und Vereinnahmung schützen wollte durch redliche wissenschaftliche Methoden; man wollte eine Hallacha- einen Zaun um den Text bauen, wie es die Rabbiner tun; das alles unter Einbezug und Berücksichtigung des hermeneutischen Zirkels. Sine ira et studio et si deus non daretur versuchen wir hier zum Schutze des Textes an die Exegese heran zu gehen.
Zu guter Theologie gehört deshalb nüchternes, redliches, wissenschaftliches Denken, mehr noch als die eigene, subjektive Ergriffenheit, die schell in Schwärmerei abgleiten kann und heute hier und morgen dort ist.
Was ist das Normative? Uns fehlt hier wohl ein Lehramt- aber ein Papst, wie bei den Katholen, das kann’s ja nicht sein…
Das “Lehramt” ist deswegen eben die moderne, wissenschaftliche Theologie unserer staatlichen(!) Universitäten- wenn nicht, warum sollten wir dann noch da hin gehen?
PS: und ja, vor Bultmann und die Aufklärung kommen wir dann einfach nicht mehr zurück…
Sehr gute Kommentar: Biblizismus hilft mir nicht weiter, aber die Lagerfeuergeschichten auch nicht, wo man sich dann auch immer fragt, hat das überhaupt was mit Gott zu tun oder sind das psychische Wünsche, Sehnsüchte oder Erwartungen, die einen steuern und manche Erlebnisse als “geistlich” interpretieren lassen.
Worauf kann man sich dann noch verlassen? Wo ist dann der Fels, der meinem Leben Halt gibt? Oder existiert der gar nicht, weil ich mit Neugier und Freude jederzeit das, was ich glaube wieder über Bord werfe und am Ende glaube ich nur noch, das “irgendwas” das Universum erschaffen hat und alles andere ist dann debatierbar?
Manuels offener Brief ist genial:
“Das Ganze ist der Inbegriff der Redewendung «sicheres Auftreten bei völliger Ahnungslosigkeit».”
Volltreffer!
Ich frage mich, wie viele Menschen wegen solchen “Theologen” Kirche und Christentum bereits verlassen haben oder bald werden.
Christ:innen, die zumindest nicht einmal über sich selber lachen können, sind Gott ein Gräuel ! – So etwas in der Richtung, würde ich, sollte ich Mr oder Mrs Bigger einmal nachts begegnen, ihnen auf die Frage, was eigentlich “Gute Theologie” ist, antworten. Gott sei Dank ist ICF – geographisch betrachtet – relativ weit entfernt von Zuhause. Sodass die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einem nächtlichen Rencontre kommt, nicht sehr beträchtlich ist.
Allerdings verdient – IMHO – als nicht weniger “schlimm” der Tatbestand bezeichnet zu werden, wenn Menschen wegen solcher “Theologen” “Kirche und Christentum” tatsächlich verlassen oder bereits verlassen haben. Der Freiheit zum Widerspruch ist stattzugeben. Die Flucht oder der Rückzug auf eine scheinbar weltanschaulich neutrale Insel der Glückseligen macht denselben Fehler, nur auf andere Weise falsch.
Was ist eigentlich Theologie? Will sagen, was meint dieses Wort Zuverlässiges?
Liebe diesen Satz: “Neugierig kann ich nur sein, wenn ich eine gewisse innere Freiheit habe.” Danke dafür und für den ganzen Podcast!
Zu guter Theologie habe ich bereits vor Jahrzehnten einen kurzen Aufsatz geschrieben: https://www.academia.edu/21127861/Theologisieren_heute_Eine_notwendige_Besinnung (alternativ: https://repository.globethics.net/handle/20.500.12424/209960 ).
Ein hoher Anspruch!
Meine Lieblingsstelle: “Wie diese Jesusstories immer wieder so aufgebaut sind, dass es überraschend ist, wie viel persönliche Zuwendung und wie wenig Verkündigung, Dogmatik und Wahrheit in diesen Begegnungen passiert.” 🙂
Neugierde und so ist schonmal gut.
Manuel Schmid hat aber übersehen: Gute Theologie hängt an der Hermeneutik. Sondheimer macht da ein paar Unterscheidungen: https://www.youtube.com/watch?v=wzHxz8N-yA0&t=210s
Da wird klar: Das Problem ist die pietistische Hermeneutik, wo man jeden Bibelvers direkt und ohne Umwege auf die Gegenwart bezieht.
Dietz behauptet, bei Luther fängt die historisch-kritische Hermeneutik an. Aber die Reformatoren hielten noch Adam und Noah für historisch. Daher ist eine begriffliche Unterscheidung wie bei Sondheimer sinnvoller.
Siggi sagt, in der Bibelwissenschaft wird jeder Bibelvers millimetergenau untersucht. Das machen aber nicht nur die historisch-kritischen Theologen, sondern auch neo-calvinistische Fundamentalisten. Beispiel: Chris Date redet zwei Stunden nur über ein griechisches Wort: https://youtu.be/9SMXI9K6Tyc?t=431
Die Chicago-Erklärungen fordern, was Sondheimer präteristische Hermeneutik nennt, oder sowas ähnliches:
“Die Heilige Schrift ist, wie es der Apostel Petrus sagt, nicht der privaten Auslegung zu überlassen (2Petr 1,20). Darum billigen wir nicht jede beliebige Auslegung. … Wir erkennen dagegen nur die Schriftauslegung als wahr und ursprünglich an, die aus den Schriften selbst erarbeitet ist, (aus dem Geist der Sprache gewonnen, in der sie geschrieben sind, und zwar dem Zusammenhang entsprechend und nach dem Verständnis ähnlicher oder unterschiedlicher, vor allem aber deutlicherer Stellen,)” (Thomas Schirrmacher (Hg.), Bibeltreue in der Offensive?!, Die drei Chicagoerklärungen zur biblischen Irrtumslosigkeit, Hermeneutik und Anwendung, 3. Aufl., 2009, Verlag für Kultur und Wissenschaft, S. 90)
IQ ist eine Glockenkurve. Die große Masse ist daher dumm, hat Nerds wie Schirrmacher nicht gelesen und fällt auf pietistische Hermeneutik rein.
Alles Gute!
Danke André für die Rückmeldung! Auf die hermeneutischen Probleme mache ich in dem längeren Text aufmerksam, den ich auf Facebook gepostet habe – da geht es zentral um einen rigorosen Biblizismus. Der Vortrag von Sondheimer ist allerdings nur beschränkt hilfreich, weil er doch sehr unterkomplex ausfällt und der reformatorischen Schriftauslegung kaum gerecht wird. Insgesamt halte ich die Leute aber offenbar für intelligenter als du…;-) (Die Glockenkurven-Verteilung der Intelligenz besagt übrigens nicht, dass die Masse dumm ist, sondern lediglich, dass es nach unten und nach oben Ausprägungen von Intelligenz gibt, die viel seltener sind als die Mehrheit in der Mitte…)
Hallo, habe mir die Predigt angehört und auch den Kommentar gelesen. Gut gemacht, der Kommentar meine ich. Die Predigt fand ich eher mau und schwach. Sehr fundamentalistisch. Die Zielgruppe wurde sicherlich angesprochen. Schade aber darum, das somit innerhalb des ICF ein Diskurs sicherlich nicht gestartet werden kann. Die Zeit wird es zeigen…
Gruss aus Deutschland und danke für Euren Podcast, höre jede Folge und genieße es immer 🙂
Oliver Köpf