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 Lesedauer: 4 Minuten

Meine mysteriöse Liebe zu Maria, Mutter Gottes

Bei mir zuhause ist sie inzwischen omnipräsent: Die Heilige Maria. Mutter Gottes. Angefangen hat es vor circa 15 Jahren, als eine Freundin mir eine kleine Plastikstatue geschenkt hatte – warum, weiss ich nicht mehr.

Ich behielt sie, ja sie überstand auch meinen Umzug. Und seit ich im Tessin wohne, haben sich ihr Heiligenbildchen vom Dorfflohmarkt dazu gesellt, Bilder, die ich in Brockis gefunden habe und eine weitere Statue, diesmal aus Porzellan.

Sie steht auf der Schlange

In manchen dieser Darstellungen meine ich etwas zu spüren, was mich zutiefst anspricht. Ich sehe die Verbildlichung von mütterlicher Liebe oder Zuwendung. Etwas Weiches.

Doch das ist nicht alles an dieser Figur: Sie ist nicht nur sanft, sondern steht etwa in beiden meiner Statuen auf der Schlange. Dabei interessiert mich wenig, was da genau der theologische Hintergrund ist oder die Interpretation lautet. Mich interessiert einzig dieses persönliche Angesprochensein.

Ja, ich glaube, ich sehe mich in dieser Figur der Maria gespiegelt. Dieses Gleichzeitige von sowohl unendlich sanft, als auch bestimmt, ja wenn nötig kompromisslos.

Das erinnert mich auch an Durga, jene hinduistische Göttin, die je nach Tradition als «Vollkommenheit» und eins mit dem Absoluten gesehen wird: In ihrer wütenden Manifestation ist sie Kali, eine Göttin mit furchteinflössender Fratze, die für Zerstörung und Erneuerung steht.

Das Feminine kommt in der Reformierten Tradition nicht vor

Es wäre für mich als Yogini ja eigentlich naheliegender gewesen, mir Bilder der Durga und Kali aufzuhängen. Doch das hat nie gestimmt, auch in meinen besten Yogi-Jahren nicht.

Versucht habe ich es, natürlich. Persönlich angesprochen war ich aber nie, nicht so wie bei der Maria jetzt.

Vielleicht spricht mich die Figur der Maria an, weil ich sie stellvertretend für das Feminine an sich verstehe. Etwas, was in meinem Leben lange zu kurz kam. Etwas, was in seiner reifen Ausprägung so befreiend sein kann. Eben, so wie Durga und Kali, gleichzeitig mütterlich sein zu können UND wütend. Sanft UND laut.

In der reformierten Tradition, der ich entspringe, kommt die feminine Qualität oder Energie etwa gar nicht vor. Da ist das Wort und das Wort wird gehört und basta.

Das ist sehr schade, ist es doch eine sehr einseitige Sache, bloss mit der einen Hälfte der Klaviatur zu spielen. Die reformierte Tradition steht damit natürlich nicht alleine da, die ganze Welt macht da mit.

Unter dem Patriarchat leiden alle

Das Feminine – im Sinn von femininer Energie, die in uns allen vorhanden ist, egal welchen biologischen Geschlechts wir sind – kommt zu kurz. Daran leiden keineswegs nur Frauen*, sondern alle.

Alle leiden unter dem Patriarchat, ich behaupte sogar auch jene, die davon profitieren. Es ist eine unglaubliche Last, nur im einen Kanal unterwegs zu sein. Schau dir bloss die grauenhaft hohen Suizidzahlen an von jungen Männern in der Schweiz und weltweit in Erstweltländern. Da ist etwas komplett aus der Balance, aus der natürlichen Ordnung gefallen.

Kein entweder oder, sondern beides gleichzeitig

Meine Umgebung hier spiegelt mit den sanften Hügelzügen eine weiche Qualität und mein Haus fühlt sich sehr «grossmütterlich» an. Meine Katzen sind beides Kätzinnen. Ja, alles sehr, sehr feminin.

Nach einem Verweilen im Femininen, sehe ich inzwischen auch, wie gut es mir tut, ab und zu einen väterlichen Schubs zu erhalten. Mir etwa vom Monte Rosa Massiv, das ich an klaren Tagen sehe, etwas maskuline Gradlinigkeit abzuholen. Tatendrang und Zielgerichtetheit. Wenn es um Projekte geht, die Struktur brauchen, zum Beispiel. Meine maskuline Seite anzuregen, auch die reifen zu lassen und nicht abzustellen.

Und so geht es letztendlich nicht darum, das Eine gegen das Andere auszuspielen.

Auch wenn das feminine Prinzip Jahrtausende lang unterdrückt und vernachlässigt wurde, brauchen wir das maskuline Prinzip nicht über Bord zu werfen. Eine Integration von beidem, das ist es, was wir brauchen.

Daher bin ich ja mal gespannt, wie lange diese aktuelle Liebe zur Maria andauern wird.

 

Foto: Unsplash/Sonika Agarwal

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