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Lissabon 1755, Corona 2020 – eine Notiz

Das Erdbeben von Lissabon vom 1. November 1755 war nicht nur eine der schlimmsten Naturkatastrophen Europas, sondern wurde zum Emblem verschiedener Diskurse: Aufklärungsoptimismus versus Pessimismus, Theologie versus Naturwissenschaft, Voltaire versus Rousseau etc.

Nicht zuletzt stellte sich die Frage nach der Gerechtigkeit Gottes angesichts des Leidens auf der Welt: Bei Zehntausenden von Toten war es einfach nur zynisch, von der besten aller möglichen Welten zu sprechen oder eine wie auch immer geartete Straftheologie zu vertreten.

Ironie

Corona 2020 ist noch nicht vorbei. Emblematische Diskurse aber gibt es schon viele, lächerliche Schuldzuweisungen inklusive (China-USA). Von Theodizee wird zur Zeit nicht gesprochen, das hat sich für Denkende unter den Gläubigen seit Lissabon 1755 erledigt.

Und doch: Nicht ganz frei von Ironie ist, dass Gottesdienste nicht mehr stattfinden oder dass einer der Infektionsherde eine freikirchliche Massenveranstaltung im Elsass gewesen sein soll. Das heisst, Gott greift nicht nur nicht schützend ein, sondern die Gläubigen selber trauen Gott auch keine antipandemischen Kompetenzen zu: zum Glück!

Adieu Theismus

Ja, auch Gläubige halten Abstand und desinfizieren ihre Hände. Das Christentum kommt langsam dort an, wo es begonnen hat: Gott ist Mensch geworden und wurde gestorben; und sein Vermächtnis sind grossartige, deutungsbedürftige Stories, keine Wundermittel. Das heisst aber auch: Adieu Theismus (endgültig), hallo prekärer Mensch, der dem Menschen in diesen Zeiten zum Nächsten wird, ganz praktisch. Damit wir nicht gestorben werden.

Im Nachgang von 1755 konnte man als Theologe getötet werden, wenn man behauptete, das Erdbeben von Lissabon sei eine göttliche Strafe gewesen und somit z.B. die sofort getroffenen sanitären Massnahmen der Regierung desavouierte. Zum Glück hat die Theologie mittlerweile gelernt, wann sie wirklich nichts zu sagen hat.

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