Sie diskutieren, was Theologie kann, warum sie für die Kirche unverzichtbar ist und worin das Unaufgebbare des Theologiestudiums liegt. Gleichzeitig schauen sie ehrlich auf die Realität: Kirchen wachsen oft auch dort, wo theologische Bildung dünn gesät ist, während sie in akademisch-theologisch gut aufgestellten Kontexten eher schrumpfen.
Was bedeutet das für kirchliche Praxis und Ausbildung? Worauf könnte man verzichten, woran sollte man festhalten, und wie kann Theologie helfen, Glauben heute zu gestalten, ohne sich selbst im Weg zu stehen? Eine Folge für alle, die Theologie lieben – und die sich fragen, wie viel davon wirklich gesund ist.






5 Gedanken zu „Wie viel Theologie ist gesund?“
Wieder einmal eine tolle, ehrliche und authentische Folge, Manuel und Stephan! Danke, dass Ihr uns einen Blick in Euer Herz, Euren Glaubensweg und Euren Erfahrungsschatz werfen lasst!
Darf ich meine Erfahrung auf diesem Gebiet hinzufügen? Aufgewachsen in einem nicht sehr frommen evangelischen Elternhaus, aber doch mit Kindertaufe, Konfirmation, Jugendgruppe des CVJM usw. fand ich erst nach einer jahrelangen Krise (Drogenabhängigkeit) zu einem persönlichen, rettenden und befreienden Glauben im Kontext einer pfingstlichen Gemeinschaft.
Nach dem Besuch eines freikirchlichen theologischen Seminars wurde ich nach 5-jährigem Studium / Ausbildung 1983 zum Pastor (BFP) ordiniert. In meinen über 40 Jahren pastoralem und seelsorgerlichem Dienst erlebte ich neben viel Segen und sehr guter Entwicklung in meinen Dienstbereichen auch einige heftige Krisen, die mich vor Jahren in einen Prozess der Dekonstruktion und dann auch Rekonstruktion geführt haben.
Es gibt keinen Worthaus-Vortrag, den ich nicht gehört hätte, kaum einen RefLab-Podcast, den ich ausgelassen hätte und kein Hossa-Talk und Movecast wurde versäumt. Ich schrieb mich an der Oldenburger Universität für ein Studium Generale ein und belegte in 14 Semestern unzählige Vorlesungen und Seminare. Das alles waren (über)lebenswichtige Bausteine zur Verarbeitung mancher Defizite, und ich erlebte (und erlebe!) diesen Weg als eine Phase der Befreiung und Heilung von persönlicher Enge und von manchen selbstauferlegten Zwängen.
Nach einige Jahren merkte ich, dass ich – bei aller persönlichen Freiheit im Denken und in meiner Theologie – auf der anderen Seite viel von meiner Überzeugungskraft in der Predigt, von meiner Glaubenskraft in der Seelsorge, von der so oft erlebten Kraft im Umgang mit der Bibel und in der Beziehung zum Heiligen Geist verloren hatte. Gott sei Dank habe ich das selbst gemerkt, und mir wurde eine wunderbare, zweite Naivität geschenkt. Meine Pfingstgemeinde in Bremen (hoop-Kirche) hat mich sehr auf diesem Weg unterstützt!
Heute – ich werde im nächsten Monat 70 – predige und begleite ich Menschen mit neuer Leidenschaft und in neuer Inspiration durch den Heiligen Geist. Ob auf der Kanzel, ob als Dozent bei ISTL-Bremen oder im Dienst an sucht- und psychisch kranken Menschen: Mein überwiegend kanonischer Ansatz im Verbund mit Fachwissen in Theologie und Sozialarbeit hilft mir dabei, das Bibelwort zwar gründlich und kompetent zu bearbeiten, aber es etwa nicht so lange hin und her zu drehen, bis sich alles relativiert hat. Dabei aber schwingen meine bibelwissenschaftlichen Studien immer hilfreich im Hintergrund mit. Sie sind auch heute für mich unverzichtbar, und jeder Worthausvortrag etc. ist für mich wie ein Energieschub.
Aber: Predigt und Seelsorge sind wieder kraftvoll geworden, die Gemeinden freuen sich wieder auf meinen Predigtdienst, es finden unter der Wortverkündigung wieder Menschen zum Glauben und kommen auf den Weg der Befreiung und Genesung. Gott sei Dank!
Ein großartiges Leitwort war und ist in diesem Prozess für mich eine Passage aus Karl Barth’s Einleitung in den Römerbrief:
“Die historisch-kritische Methode der Bibelforschung hat ihr Recht: Sie weist hin auf eine Vorbereitung des Verständnisses, die nirgends überflüssig ist. Aber wenn ich wählen müsste zwischen ihr und der alten Inspirationslehre, ich würde entschlossen zu der letzteren greifen: Sie hat das größere, tiefere, wichtigere Recht, weil sie auf die Arbeit des Verstehens selbst hinweist, ohne die alle Zurüstung wertlos ist. Ich bin froh, nicht wählen zu müssen zwischen beiden. Aber meine ganze Aufmerksamkeit war darauf gerichtet, durch das Historische hindurch zu sehen in den Geist der Bibel, der der ewige Geist ist.“
Mein Fazit: Gute, redliche, auch wissenschaftlich begründete Theologie ist extrem wichtig! Wenn sie verbunden wird mit einem großen Zutrauen zum Bibelwort und zum Wirken des Heiligen Geistes in einer persönlichen Jesusbeziehung, kann etwas sehr gutes und hilfreiches entstehen! Dann führt sie weder zur Beliebigkeit noch zur krankmachenden Enge, sondern hat das Potential zu einer echten, notwendigen und heilsamen Transformation!
Danke für diese Folge!
Ich bin kein Theologe, habe aber seit ein paar Jahren begonnen, mich für theologische Fragen zu interessieren, weil ich in meinem persönlichen Glaubensleben viele Fragen hatte. Ich kann nachvollziehen, wenn ihr sagt, dass es mit theologischem Wissen schwieriger sein kann zu predigen.
Reflab, Worthaus, Hossatalk und ähnliche Angebote sind für mich persönlich sehr hilfreich, aber ich bin offen genug, mich davon in Frage stellen zu lassen. Das schafft aber nicht jeder.
Was macht nun ein einfacher Mensch mit seinem Glauben, der sich nicht bewusst ist, dass er von Predigern geprägt ist, dich auch Prägungen haben? Wenn er Glück hat, dann hat er einen guten Glauben vermittelt bekommen, aber wenn er Pech hat, wird er sehr eng glauben, darunter evtl. leiden und vielleicht andere verletzen.
Es wäre gut, wenn ihr zu dieser Problematik mal eine Folge machtet. Wie weitherzig und großmütig ist Gott, dass er den Menschen seine Botschaft überlässt, die damit mehr oder weniger falsch damit umgehen! Auch die Theologie ist gesprickt mit Irrtümern in ihrer Geschichte. Was machen die einfachen Menschen damit? Sie stecken in irgendwelchen Gruppierungen, Teilgruppierungen, Konfessionen usw. fest. Was denkt ihr, wie Gott damit umgeht?
„Ich fürchte aber, dass, wie die Schlange Eva verführte, so auch euer Sinn verdorben wird – weg von der Einfalt gegenüber Christus.“ (2Kor 11,3) Theologie, die nicht demütig empfängt, was geschrieben steht, sondern „neue Bilder“ bastelt, verführt – nicht zum Glauben, sondern vom Glauben weg. Jesus sagte nie: „Entwerft neue Narrative.“ Er sagte: „Meine Lehre ist nicht meine, sondern dessen, der mich gesandt hat.“ (Joh 7,16) Wo Theologie beginnt, sich „neu zu erfinden“, statt sich vor dem Wort zu beugen, endet sie nicht beim Evangelium – sondern beim Zeitgeist (und seinem Fürsten). Die Schrift kennt keine Theologie – sie kennt Wahrheit, Glauben, Furcht Gottes.
Ich schätze Euren Podcast sehr,
Habe mich aber dieses Mal sehr über Eure Kommentare zur Wissenschaft geärgert.
Zumindest Naturwissenschaft lebt davon , dass man sie hinterfragt! Man muss nicht an sie „glauben „ und natürlich muten Aussagen von vor hundert Jahren heute teilweise befremdlich an.
Sorry, aber ich konnte euch da nicht folgen.
Dass während Corona eine Impfpflicht gefordert wurde, kam doch nicht von „der Wissenschaft „!
Das war eine Sache der Politik.
Und hier sehe ich die Aufgabe der Theologen oder anderer Geisteswissenschaftler, sich einzumischen.
Sorry, diesmal war es mir etwas zu viel undifferenziertes Gerede.
Danke liebe Sabine für die kritische Rückmeldung! Ja, natürlich: Fragen der Corona-Massnahmen, der Masken- und Impfpflicht usw. wurden in der Politik entschieden. Dort orientierte man sich aber an den Empfehlungen und Einschätzungen wissenschaftlicher Berater oder Gutachten. Und Virologen sind in Podcasts und öffentlichen Interviews zu den Rockstars des Pandemiezeitalters avanciert. Ich finde all das nicht falsch, aber habe mich damals schon am Absolutheitsanspruch und der fehlenden Ambiguitätstoleranz vieler Protagonisten (in Politik UND Wissenschaft) gestört. Im Nachhinein hat sich dann gezeigt: Manche Einschätzungen waren berechtigt, viele Massnahmen gerechtfertigt – andere haben sich als völlig übertrieben oder schlichtweg falsch erwiesen. Zu Recht schreibst du auch von “der Wissenschaft” in Anführungszeichen: das war ein weiteres Problem, dass man sich fast ausschliesslich auf “Pandemie-Primärwissenschaften” gestützt hat – aber natürlich ist der Umgang mit einer Pandemie ein so vielschichtiges Phänomen, dass ein panoptischer Blick gesucht werden sollte – was Entscheidungen natürlich ungleich schwieriger macht. Denn während Virologen auf scharfe Massnahmen drängten, haben Soziologen wie Rosa z.B. den enormen Resonanzverlust angemahnt, der mit Abstandsregeln und Quarantäne einhergeht, Psychologen haben auf die erhöhte Depressionsrate hingewiesen usw. Und in dieser Fülle an Beobachtungen, Studien und ihren Interpretationen wird auch klarer, warum Wissenschaften sehr wohl vom “Glauben” leben. Kein Wissen ohne Glauben, das gilt nicht nur in Philosophie oder Theologie, sondern auch in Medizin, Biologie oder sogar in der Mathematik.