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Kirche hat keine Zukunft! (Ausgeglaubt Special mit Heinzpeter Hempelmann)

Wir schliessen diese Staffel von «Ausgeglaubt» mit einem Special ab, das es in sich hat. Der Theologe Prof. Dr. Heinzpeter Hempelmann hat vor kurzem für einige Aufregung gesorgt mit einem Text zur Frage, ob die Kirche überhaupt noch eine Zukunft hat. Er meint ganz frech: nein. Und verteidigt diese Überzeugung in 11 provokativen Thesen.

Darüber mussten wir mit ihm natürlich reden. Ist die Kirche wirklich in der Situation der Titanic, die ihrem unausweichlichen Ende entgegengeht? Und was bedeutet das für uns? Sollen wir an Bord noch so lange wie möglich zur (Orgel-)Musik tanzen? Oder gibt es Rettungsboote, die sich noch rechtzeitig wassern lassen?

Schlussendlich wird klar, dass wir gemeinsam sowohl an der Kirche leiden als auch für sie hoffen. In diesem Sinne: Schiff ahoi!

Hier schon mal die 11 Thesen im Wortlaut:

  1. Kirche hat keine Zukunft, weil sie kommunikativ ihre Anschlussfähigkeit verloren hat.
  2. Kirche hat keine Zukunft, weil Kirche ein geschlossenes System und veränderungsunfähig ist.
  3. Kirche hat keine Zukunft, weil Konstantinisches Kirchentum nur noch eine historische Größe ist.
  4. Kirche hat keine Zukunft, weil viele Christen sich schämen, zur Kirche zu gehören, und sich deshalb auch nicht gerne zu ihr bekennen.
  5. Kirche hat keine Zukunft, weil sie nicht (mehr) lebensnotwendig ist.
  6. Kirche hat keine Zukunft, weil Kirche falsch ausbildet, die falschen Leute ausbildet und auch noch stolz darauf ist.
  7. Kirche hat keine Zukunft, weil Kirche eine Theologie duldet, akzeptiert und sogar fördert, die tödlich ist und geistliches Leben wie Gemeindewachstum zerstört.
  8. Kirche hat keine Zukunft mehr, weil Kirche ihren Unique Selling Point (USP) verloren hat.
  9. Kirche hat keine Zukunft, weil sie nicht mehr weiß, wer sie ist, und weil sie scheut und zutiefst ablehnt, was sie ist.
  10. Kirche hat keine Zukunft, weil sie selbstsicher im Bewusstsein lebt, sie besitze eine Ewigkeitsgarantie.
  11. Kirche hat keine Zukunft, weil Kirche ihre Zukunftsfähigkeit verspielt, indem sie ihre Ressourcen für deren Reflexion aufbraucht.…

… und hier findet ihr den vollständigen Text als PDF (herzlichen Dank an Heinzpeter Hempelmann fürs zur-Verfügung-stellen!): HpH Warum Kirche keine Zukunft hat_hph-V7.

(Mehr zu den »Theologischen Beiträgen« findet ihr übrigens hier.)

11 Kommentare zu „Kirche hat keine Zukunft! (Ausgeglaubt Special mit Heinzpeter Hempelmann)“

  1. Hallo zusammen
    Wieder einmal mehr ein toller Beitrag, der zum Nachdenken einlädt und zu diskutieren gibt…zum Beispiel: Was ist hier genau mit Kirche gemeint? Die Gemeinschaft der Glaubenden? Wohl eher nicht. Freikirchen wohl eher auch nicht sondern die Institution Landeskirche…
    Gerade gestern auf dem Heimweg von der Kirchensynode der Landeskirche des Kt. ZH haben ich und meine „Gschpöndli“ wieder mal über die Zukunft „unserer“ Kirche geredet…Wie wir’s in der Synode und selber immer wieder erleben: Bei einem Systemchange haben einfach auch viele Leute viel zu verlieren! Gestern in der Synode redeten fast nur Lobbyisten und Interessenvertreter für ihre eigene Sache- und das ist auch verständlich, geht’s denen doch auch zum Teil ans Lebendige! Da machen sich Kirchenpflegepräsident*innen, Diakon*innen, Pfarrpersonen, GKD- Angestellte und Kirchenmitglieder aus Stadt und Land sorgen um ihre hauseignen Ressourcen an Geld und Stellenprozenten und möglichen Zwangsfussionen… das ist verständlich und nur all zu menschlich…
    Deshalb ist es sicher wichtig und richtig aber auch ein bisschen einfach zu sagen, dass sich diese Strukturen radikal verändern sollten…
    Aber: ein Schupser, eine kleine Bewegung in diese Richtung ist ja doch möglich!

    1. Hallo Herr Portmann
      Sie erklären uns, in welch schwieriger Situation die Kirche steckt. Das tut sie und das ist bekannt. Einerseits tut mir das leid, dennoch habe ich wenig Erbarmen, denn ich bin überzeugt, dass die Kirche, auch die Ihre, die Warnsignale der letzten Jahrzehnte überhört hat – und überhören wollte. Diese Stimmen wurden immer lauter, die Warnrufe jedoch ausgeblendet, Visionäre und Propheten wurden totgeschwiegen. Was geblieben ist, haben wir jetzt vor Augen.
      Mit viel Elan und Verbissenheit wird seit Jahren an den Strukturen herum gebastelt und es wird nach Ideen gesucht, die möglichst wenig weh tun. Ohne Altes loszulassen, auch wenn es sich in der Vergangenheit bewährt hat und den Machern ans Herz gewachsen ist, hat Neues keine Chance. Deshalb sage ich:
      „Kill your darlings!“ Und zwar in jedem Bereich.

      Das Ostergeschehen zeugt davon, dass es sich lohnt, Altes sterben zu lassen, damit Neues und neues Leben entstehen kann.
      Gott braucht die Kirche nicht, er wird andere Wege zu den Menschen finden, falls es sie nicht mehr geben sollte. Aber die Kirche bräuchte Gott. Vielleicht ist es dran für verpasste Chancen und Selbstgefälligkeit Busse zu tun.

  2. Markus Brandenberger

    Kirchen als Institutionen haben sich immer wieder verändert, gespalten, bekämpft, zusammengefunden – und das wird auch in Zukunft so sein. Kirche als offene Gemeinschaft von Menschen, die in einem weitgefassten gemeinsamen Verständnis von Glauben zusammenfinden, gemeinsame Orte und Wege finden und gehen, wird es auch in Zukunft geben. Sie wird die Spekulationen über „Kirche hat keine Zukunft“ überleben.

    1. Danke Markus für die Rückmeldung. Ja, irgendwie glaube ich das auch – weil ich auf die Gegenwart Gottes in dieser Welt zähle und darauf, dass sein Geist uns nicht aufgibt. Aber ich halte es doch für heilsam und wichtig, den Stachel dieser Thesen einmal zuzulassen und sich nicht gleich mit der Selbstversicherung zu beruhigen, dass es Kirche doch schon immer gab und auch immer weiter geben wird. Die Kirche als Institution (ob volks- oder freikirchlich) hat eine Bestandsgarantie…

      1. Hallo Manuel,
        die Thesen des Herrn Hempelmann sind so schlüssig wie uralt. Ich wurde Mitte der 90er in der Evangelischen Kirche konfirmiert und hörte schon damals, die Kirche solle sich modernisieren und kulturell anpassen. Wenn wir ehrlich sind, waren die Landeskirchen schon vor Jahrzehnten tot. Im besten Fall betreibt Herr Hempelmann „Sterbebegleitung“. Es ist vorbei. Es gibt keine Hoffnung mehr, das zeigen alle Statistiken über die jährlichen Austritte. Wenn wir von KIRCHE reden, können evangelische Landeskirchen, egal ob lutherisch oder reformiert, nicht mehr gemeint sein. Denn sie interessieren Säkulare überhaupt nicht und so genannte Evangelikale haben ihre Freikirchen oder wandern in Freikirchen ab. Ich kenne keinen einzigen Menschen, der regelmäßig einen Gottesdienst einer evangelischen Landeskirche besucht. Meine Bekannte gehen entweder in die Freikirche, die Moschee oder nirgendwohin.
        Reflab ist trotzdem cool. Danke Dir und Stephan.

      2. Markus Brandenberger

        Ich bin heute Nachmittag bei Friedrich Schorlemmer (Klar sehen und doch hoffen) auf die schöne Formulierung gestossen: ‚Das ist Kirche, wie ich sie mir vorstelle: eine Glaubens- und eine Lerngemeinschaft, die Ehrlichkeit einschliesst‘. Kirchen, ihre RepräsentantInnen, ihre Gemeindeglieder sollen sich Fragen stellen, sollen sich in Frage stellen lassen – und trotzdem dürfen sie sich, ohne dass dies gleich als Selbstversicherung qualifiziert wird, an die Gewissheit halten, getragen zu sein.

  3. Guten Tag!
    Als Katechetin in Ausbildung kann ich sagen, dass mir diese Thesen bekannt vorkommen und dass wir uns mit solchen Ueberlegungen grundsätzlich auseinandersetzen, vielleicht nicht in dieser ganz geballten und konzentrierten Form. 🙂
    Als Katechetin in Ausbildung suche ich Wege, um Kindern und Jugendlichen Zugänge zur Erfahrung des Gewollt Seins und Getragen Seins zu eröffnen. Mein eigener Weg speist sich stark aus der Stille. Sie beschreiben sehr nachvollziehbar, wie sich Relevanz des Glaubens aus dem Leben und durch das Leben (eines, einer jeden) manifestiert. Hätten Sie dennoch Beispiele für gelungene, anwendbare „Vermittlungsformen“?
    Herzlichen Dank und liebe Grüsse

  4. Super Beitrag. Voll ins Schwarze getroffen, gut beobachtet, authentisch und humorvoll vermittelt. Super dieser Hempelmann – frisch und frei von der Leber weg. I love it!

  5. Wenn man sich mit Bonhoeffer auf die Suche nach einem „religionslosen Christentum“ macht dann findet man das sehr lebendig in Diakonie und Caritas, und dann ist auch das Engagement für Seenotrettung der EKD ein lebendiges Zeichen für gelebtes Christentum. Da lebt die Hoffnung, dass im Reich Gottes Grenzen überwunden werden und die Situation nicht so bleiben muss, wie sie ist.

    Mir scheint, dass der Blick von Heinzpeter Hempelmann stark verengt auf Gottesdienst und religiöses Leben ist. Warum sollte es überhaupt so sein, dass sich alle Milieus, die von der SINUS-Studie beschrieben werden, für „Religion“ und „Transzendenz“ interessieren; war das früher etwa so? Sicher nicht! Das sind subkulturelle Interessen. Die Lage, die Hempelmann sieht, dass Kirche „kommunikativ ihre Anschlussfähigkeit verloren hat“, trifft doch v.a. auf Kirchen zu, die sonst alles umsetzen, was er fordert (flexiblere Gottesdienstzeiten, moderne Musik, keine Altgebäude, sondern Mieten). Das ICF als Prototyp einer solchen „Kirche am Puls der Zeit“ streamt jetzt Predigten wie „Wie erkenne ich den Antichrist“ und „Zeigt uns die Bibel, was nach Corona kommt“ – an welche Gesellschaft soll das anschlussfähig sein?

    Im Gegensatz dazu füllt lebensfördernde Theologie vielleicht nicht die Kirchen am Sonntag, aber hat tatsächlich alle Menschen im Blick, nicht nur die eigene Subkultur; und muss auch nicht hoffen, dass alle zu den selben religiösen Überzeugungen konvertieren. Zurück zu Caritas und Diakonie: Hier ist Kirche jeden Tag mit allen Milieus im Kontakt, egal ob als Mitarbeiter*in oder Klient*in. Zwar gibt es viele Einrichtungen, die inzwischen eher marktwirtschaftlich statt sozialpolitisch orientiert arbeiten, was die Identifikation mit dem christlichen Kern erschwert, aber idealerweise bewahrt sich hier eine Vorstellung von dem, wovon Jesus so viele Geschichten erzählt hat: Dem Reich Gottes. Da ist „Kirche“ und „Evangelium“ schon längst ganz nah dran an der Lebenswelt der Menschen, die sich nie für Gebet, Gesang und Gottesdienst interessiert haben und dies vielleicht auch nie tun werden.

    Dass sich klassische Kirchengemeinden oft kaum dafür interessieren, was die Diakonie vor Ort so treibt, scheint mir eine deutschsprachige Besonderheit zu sein. Mein Traum einer lebendigen Kirche wäre eine Gemeinschaft, die sich sonntags trifft, um das, was sie unter der Woche erlebt, erreicht oder erlitten hat, gemeinsam in den Geschichten der Bibel zu entdecken. Und daraus, ganz klassisch, „Glaube“ und „Hoffnung“ schöpft. Solange „Glaube“ und „Hoffnung“ aber als etwas höchstpersönliches, hochindividuelles betrachtet und behandelt werden, bleibt Kirche (und v.a. Freikirchen) eben Dienstleister für die, die so einen Glauben brauchen und deren Hoffnung auf sich selbst bezogen bleibt.

    (Und zu den Immobilien: Auch hier könnten Caritas, Diakonie (und andere Initiativen) sicher gute Ideen beisteuern, um aus den toten Gemeindehäusern und Kirchen wieder lebendige Orte werden zu lassen. Die Idee von Hempelmann, diese an Investoren zu verkaufen ist ja denkbar umkreativ)

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