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 Lesedauer: 5 Minuten

Einfach glauben … als ob das so einfach wäre!

Einfach (mal) glauben ist zutiefst menschlich, weil es für den Lebensprobiermodus steht, der uns eigen ist: sich auf was einlassen und schauen, was passiert. Nicht lange fackeln, nicht endlos grübeln, sondern beherzt ins Leben – weil es schon so oft funktioniert hat.

Das eigene Mass finden

Einfach zu glauben kann aber auch heissen, schlicht und genügsam zu glauben.

Es geht um das individuelle Gespür dafür, ab wann ich mich – auch intellektuell – unnötig überfordere. Wer es kultiviert, kann frei mit denen umgehen, die uns vorgeben wollen, was und wie wir (nicht) zu glauben haben.

Gewusste Glaubwürdigkeit

Etwas zu glauben (faktual), jemand zu glauben (vertrauend-fiduzial) und an jemand zu glauben (hingebend-existenziell), sind drei Grundformen, die auch im religiösen Glauben zusammenspielen.

Wenn wir uns glaubend auf Gott beziehen, schwingt mindestens die Gewissheit mit, dass Gott vertrauenswürdig ist. Ohne derartige Glaubensinhalte für gerechtfertigt und wahr zu halten, können wir uns kaum mit Gott in Beziehung setzen.

Glauben und zweifeln

Aber der Glaube entsteht nicht durch theoretische Reflexion und wird durch sie auch nicht in die Zukunft getragen.

Wir machen nämlich die Erfahrung, dass wir uns auf unser Wissen nicht verlassen können, weil es über kurz oder lang an seine Grenzen stösst.

Oft sind es gar nicht denkerische Hindernisse, sondern Widerfahrnisse von aussen, die unseren Glauben in Zweifel ziehen und anfechten: Neues, Unbekanntes, Leid- und Notvolles.

Fühlend glauben

Einfach glauben heisst dann, Gefühlen zu folgen, die tragen, und einstweilig Asyl in der Ignoranz zu beantragen.

Eine Trotzgefühl vielleicht, dass Gott mit mir noch nicht zu Ende ist. Eine Erinnerungszuversicht, dass es – wie schon so oft – gut kommt. Die Neugier, wie anders ich in Zukunft über mich, die Welt und Gott denken könnte. Oder auch die Grosszügigkeit mit mir selbst, die Statik des Glaubens nicht durchrechnen zu müssen, um mich davon tragen zu lassen.

Das Ja offenhalten

Und was, wenn jemand aus Mangel an anderen Optionen erst mal gar nicht anders kann als weiter an Gott zu glauben? Wäre das die letzte Stufe der Einfachheit? Eine riskante Übergangsphase mit der leisen Ahnung, dass die Glaubensoptionen wieder positiver, vielfältiger und weiter werden?

Solche und andere Einfachheiten halten uns das Ja zum Leben und zu Gott offen.

Naive Lebensvereinfachung

Kann die Theologie Menschen helfen, einfach zu glauben, ohne einfältiger Ignoranz zu verfallen? Einfach glauben, ein Leben mit Vertrauensvorschuss – das ist die Erfahrung vieler Menschen.

Einfach glauben – das kann jedoch  auch ein fundamentalistisches Versprechen sein. Das Versprechen, dass nicht nur Glaube etwas Einfaches ist, sondern dass der Glaube alles einfach macht.

Augen zu und durch?

Der Kippkante zum Einfältigen nähert man sich, wenn „einfach glauben“ ein frommer Willensbefehl wird, bei dem Verstand und Gefühle abzuschalten sind.

Ein solch angstgeleiteter Glaubensschutz ist ohne Realitätsverlust wohl nicht zu haben.

Gnadenlose Glaubensbefehle

Hinter dem Satz „Du musst halt einfach glauben!“ verbirgt sich im besten Fall die eigene Hilflosigkeit gegenüber einer anderen Person, oft aber auch Empathielosigkeit für diejenigen, die als neugierige Frager und Grübler anders verdrahtet sind.

Im schlimmsten Fall verdoppelt man übergriffig die Last derer, die aufgrund entsprechender Erfahrungen nicht mehr glauben können, selbst wenn sie wollten.

Ganz anders und barmherzig klingt es dagegen, wenn jemand rufen kann:

„Ich glaube! Hilf meinem Unglauben!“ (Markusevangelium 9,24)

Trügerisch eindeutig

Vereinfachung geschieht da, wo die Wahrheit des Glaubens eine Sache des Fürwahrhaltens wird, egal um welchen Lebensbereich es geht. Vereinfachung ist da gegeben, wo das christliche Handeln in jedem Problem einfachen Regeln folgen soll.

Solche Vereinfachungen fühlen sich zuerst wie eine Entlastung an. Sie bieten Klarheit und Eindeutigkeit. Nur: Das Leben mit Vereinfachungen kann auf Dauer ganz schön kompliziert werden.

Realitätskonflikte

Vermeintlich einfacher Glaube wird auf Dauer höchst kompliziert, wenn er mehr leisten soll, als er kann: Wenn seine Wahrheit der Schlüssel zu allem Wissen werden soll, seine Regeln für jede Frage klare Antworten bieten müssen.

Dann gerät dieser vereinfachte Glaube immer mehr in Konflikt mit der Realität. Ihn aufrechtzuerhalten erfordert immer angestrengtere Bemühungen der Apologetik und vor allem der Verdrängung.

Die Anwältin des Glaubens

Gute Theologie ist Anwältin des einfachen Glaubens. Zugegeben, man traut es der Theologie nicht immer zu. Manchmal möchte man meinen:

Wo es die Kunst vermag, das Schwere leicht aussehen zu lassen, schafft es die Theologie, das Leichte schwer zu machen. Aber das ist ein Missverständnis.

Ja, Theologie arbeitet mit Unterscheidungen. Und für die Präzision dieser Unterscheidungen benötigt sie Begriffe. Und je vielfältiger die Unterscheidungen, desto komplexer und auch abstrakter wird die Begrifflichkeit.

Stories von der Menschenfreundlichkeit Gottes

Aber als Reflexion des Glaubens weiss die Theologie um die Muttersprache des Glaubens. Glaube entsteht nicht durch Reflexion, sondern im Umgang mit den biblischen Erzählungen von Gottes Freundlichkeit, mit Gottesgeschichten, die von der einfachen Bejahung des Menschen handeln:

„Der Sohn Gottes, Jesus Christus (…) war nicht Ja und Nein, sondern in ihm ist das Ja Wirklichkeit geworden.“ (2 Korintherbrief 1,19)

Gemeinsam ist leichter

Einfacher Glaube wächst im Sicheinlassen auf Rituale, im gemeinsamen Singen, Tanzen, Schweigen, in der Hoffnung auf das Reich Gottes, die der Glaube ausprobiert und „annimmt wie ein Kind“ (Markusevangelium 10,15).

Im Umgang mit den religiösen Bildern der Geborgenheit und der Befreiung entwickelt sich der Mut zu einem veränderten Leben, das nicht durch ein kompliziertes, drückendes Joch bestimmt ist, sondern durch das Versprechen der Einfachheit:

„Meine Last ist leicht“ (Matthäusevangelium 11,30).

Eine Vorversion dieses Textes findet sich in Magazin Bildungskirche 01/2023 

Photo by Mae Mu on unsplash

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