Die Nachrichtenlage war zunächst äusserst verwirrend. In den Abendnachrichten grosser Sender wurde am 17. September zuerst nur gemeldet, dass im Libanon offenbar Kommunikationsgeräte aus der Ferne koordiniert zur Explosion gebracht wurden: mit einer unbekannten Zahl an Verletzten und Toten als Folge, vor allem Mitglieder der Terrororganisation Hisbollah.
Durch die Strassen Beiruts und anderer Städte rasten Rettungswägen.
«Das ist Science Fiction», kommentierte mein Kollege aus dem RefLab, Luca Zacchei, die Pager-Explosionen. Luca hat einen dystopischen Science-Fiction-Roman verfasst (im Herbst 2024 erhältlich): «Die Wolke des Wissens». Er musste die Fiktionsdimension seines Buches mehrfach nachjustieren. Denn die Realität drohte seinen Roman zwischendurch zu überholen.
«Das ist Science Fiction!»
Pager, dieses Wort ist jetzt für viele neu in den Wortschatz gelangt. Zur Explosion gebracht wurden im Nahen Osten nicht Smartphones, sondern Pager. Pager sind technisch simple Funkgeräte, die im Vergleich zu Smartphones als sicherer galten, ist zu hören.
Das klingt nicht wirklich beruhigend.
Was ist mit den sehr viel smarteren Phones in unseren Hosen- und Jackentaschen? Können auch diese aus der Ferne zur Explosion gebracht werden?
In immer engeren Abständen passieren in der Welt Dinge, die unser Vorstellungsvermögen sprengen. Und sie geschehen in der Wirklichkeit, nicht etwa nur in virtuellen Paralleluniversen. Was macht das mit unserem Realtiätssinn?
Für Paranoia waren die Bedingungen wahrscheinlich noch nie so günstig wie heute.
Inzwischen scheint klar, dass die Geräte der Hisbollah manipuliert waren. Sie enthielten wohl geringe Sprengstoffmengen. Wahrscheinlich steckt der israelische Geheimdienst dahinter.
Smartphone-Paranoia
Die Frage aber bleibt und stellt sich verschärft: Wieso haben wir uns weltweit derart abhängig gemacht von Techniken und Medien, die uns durchsichtig machen und scheinbar jeglicher Manipulation ausliefern?
Was tragen wir da eigentlich mit einer Kordel um den Hals? Was führen wir in Handtaschen täglich mit uns? Was lässt Panik in uns hochsteigen, wenn wir denken, es verloren zu haben? Klar, unsere Smartphones, die gefühlt ein Teil von uns selbst sind.
Unter dem Eindruck der jüngsten Nachrichten stellt sich mir die Frage meines persönlichen Umgangs mit technischen Devices verstärkt.
Insbesondere das Gerät, das mir tagtäglich am nächsten ist, mein Smartphone, wird mir allmählich das unheimlichste.
Ich würde mich gerne von ihm trennen. Emotional wäre das für mich möglich, beruflich aber nicht. Und selbst wenn ich mich trennen könnte, wäre da noch mein Laptop auf dem Schreibtisch. Was kann mit diesem alles aus der Ferne gemacht werden?
Foto: Andrew Guan bei Unsplah
4 Gedanken zu „Die Bombe in meiner Hosentasche“
Jeder vom Menschen geschaffener (technischer) “Fortschritt” bringt Nachteile mit sich. Dabei verstehe ich “Fortschritt” als einen Schritt weg zu tun von der aktuellen Position. Dann hat man einen andern Blickwinkel, andere Möglichkeiten. Doch im Blick “des grossen Ganzen” ist dies eigentlich irrelevant: Wir Menschen leben auf einer gefallenen Erde; die Sünde gebiert Folter, Unterdrückung, Raub. Auch in der heilen Schweiz. Wie sollen wir damit umgehen?
Liebe Johanna – danke – Dein Text ist gut – aber was hat der Artikel mit Glaube oder Kirche zu tun? – herzlich – Hanspeter
Das stimmt! Allerdings ist das Smartphone involviert, wenn wir heute über Glaube kommunizieren; vielleicht haben Sie auch Ihren Kommentar mit dem Handy eingegeben. Aber es stimmt: Die Brücke bleibt der Beitrag schuldig.
Herzlichen Dank Johanna für die Antwort. Ich freue mich auf den nächsten Beitrag mit “Brücke”. – Hanspeter