In dieser Folge diskutieren Manu und Stephan einen kontroversen Artikel, der den Kirchen Doppelmoral vorwirft: Während die Sorge um Islamophobie und Diversität hierzulande groß ist, bleibe das Leiden von Christ:innen im globalen Süden häufig unbeachtet.
Ist das fehlende Engagement Ausdruck einer selektiven Empathie – oder schlicht Ausdruck von Unbehagen gegenüber einem leidenschaftlich gelebten Glauben, den viele im Westen verloren haben?
Gleichzeitig fragen wir: Wie sprechen wir über Verfolgung, ohne sie identitär zu instrumentalisieren? Was unterscheidet legitime Solidarität von politischer Vereinnahmung? Und wie gehen wir theologisch mit dem Spannungsverhältnis zwischen universaler Ethik und konkreter Parteinahme um?
Ein Gespräch über blinde Flecken, schwierige Solidarität – und warum das Evangelium keine Partei kennt.
Im Podcast kommt auch zur Sprache:
- Das Buch von Jason Bruner: «Imagining Persecution: Why American Christians Believe There Is a Global War against Their Faith».
- Erfahrungen aus der Ardèche-Retreat des RefLab-Teams…
- … und die Frage: Wie unabhängig dürfen (kirchliche) Medien eigentlich sein?
3 Gedanken zu „Christenverfolgung – lieber woke als solidarisch?!“
Ich habe den diskutierten Zeitungsartikel aus der NZZ gelesen und bin deshalb sehr froh, dass ihr da eine Folge drüber macht.
Ich persönlich finde in dem Artikel bzw. allgemein in der Diskussion um verfolgte Christ*innen findet häufig eine starke Vereinfachung der Thematik statt, weil meistens doch eigene Interessen dahinter stehen.
Mein erster Gedanke war die Frage inwiefern es hier konkret um verfolgte Christ*innen geht oder ob es hier nicht viel mehr darum geht den Islam zu verteufeln? Christ*innenverfolgung ist ein wichtiges Thema bei dem es auch notwendig ist, dass da etwas unternommen wird. Allerdings ist den verfolgten Christ*innen weltweit überhaupt nicht geholfen wenn wir jetzt von Europa aus undifferenzierte Islamkritik oder sogar Islamhass verbreiten.
Als Zweites findet hier häufig eine Gleichsetzung von Religion und Volk statt. Man spricht vom Christentum oder dem Islam als wären das zwei homogene Volksmassen. Nun sollte aber jedem Menschen bewusst sein, dass das deutsche Muslime eben nicht angehörige des islamischen Volks sind sondern, dass sie Deutsche sind. Demnach gibt es ja auch riesige Unterschiede zwischen deutschen, schweizer, saudi-arabischen, iranischen und nigerianischen Muslimen. Es ist grundlegend falsch zu suggerieren, dass es sich bei islamistischen Terrorgruppen um die gleiche Form des Islams handelt wie bei schweizer Islamgemeinden. Ein schweizer Muslim kann nicht zu “den seinen” in irgendein islamisches Land zurückgehen, weil es sich in dem Fall ja gar nicht um die “seinen” handelt sondern lediglich um Menschen die den gleichen Glauben teilen.
Drittens und das habt ihr ja auch gut herausgestellt gibt es ja ein großes Engagement um verfolgten Christ*innen zu helfen. Natürlich kann man darüber diskutieren ob das ausreichend ist oder was überhaupt ausreichend wäre, aber zu unterstellen die Kirchen würden sich nur um Wokness kümmern ist am Ende einfach nur populistisch.
Viertens hängt der mangelnde Einsatz für verfolgte Christ*innen in Nigeria oder anderen vor allem im globalen Süden verorteten Staaten vielleicht auch mit rassistischen Ansichten zusammen. Wer im Christentum eine vor allem weiße und westliche Religion sieht und selbst auch noch rassistisch sozialisiert wurde dem sind verfolgte BIPoC Christ*innen im globalen Süden möglicherweise auch einfach nicht so wichtig.
Fünftens möchte ich noch sagen, dass ich diesen konstruierten Gegensatz zwischen sich gegen Verfolgung einsetzende Kirche und woke Kirche einfach nur ekelhaft finde. Hier wird das Leid von verfolgten Christ*innen gegen das berechtigte Anliegen einer gerechteren, diskriminierungsärmeren und anti-rassistischen bzw. faschistischen Kirche ausgespielt.
Lieber Manuel, lieber Stefan, zu Eurem aktuellen Podcast möchte ich eine Beobachtungen bzw. Erlebnis hinzufügen, die manches aus Eurer Diskussion unterstreichen und vielleicht ergänzen können.
In dem Ort, wo ich bis letzten Herbst tätig war, gibt es eine Container – Unterkunft für Asylbewerber.
Dort wohnt seit 2015 eine Familie aus Nigeria. Es handelt sich um katholische Christen, die 2011 geflohen sind, nachdem ihr Dorf von Boko Haram platt gemacht wurde.
Sie waren drei Jahre auf der Flucht, ein Kind ist währenddessen geboren.
Die jüngste Tochter wurde in Deutschland geboren, der haben sie, aus Dankbarkeit, dass sie hier sein dürfen, den Namen Angela gegeben.
Ich habe mich, zusammen mit anderen aus dem Dorf, für deren Bleiberecht eingesetzt. Sie sind aber immer noch in einem Schwebezustand, weil Nigeria von der Bundesregierung als sicheres Herkunftsland eingestuft worden ist. Also hausen sie weiterhin im Container, die Eltern dürfen nicht arbeiten, keine Deutschkurse besuchen.
Wir hoffen nach wie vor und setzen uns dafür ein, dass sie bleiben können, haben aber bis auf Weiteres keine Gewissheit.
Ich finde es schwierig, Menschen vor Ort in Nigeria zu helfen, außer über Hilfsorganisationen.
Aber ich kann hier bei uns etwas dafür tun, dass Christen, die wegen ihres Glaubens verfolgt werden, besonders geschützt sind.
Lieber Grüße, Michael
Falls Reflab nur ansatzweise repräsentativ für die westlichen Kirchen steht, hat Kacem El Ghazzali mit seinem Artikel aus meiner Sicht ins Schwarze getroffen. Aus Neugier habe ich mal bei eurer Suchfunktion folgende Stichwörter eingegeben: Woke (41 Treffer), Trump (96 Treffer), Evangelikal (87 Treffer), Fundamentalistisch (11 Treffer), Feminismus (41 Treffer), Klimawandel (41 Treffer) und Christenverfolgung: 2Treffer. Einer davon ist dieser Beitrag, der andere von Stephan mit der Aussage, dass den Christen eine Opferrolle, nicht gut ansteht. Wenn man das so ansieht, könnte man schon meinen, dass dieses Thema euch am A.. vorbei geht. Stephan kann schon sagen, dass die gegenseitige Akzeptanz im Rat der Religionen ein unumstrittenes Thema sei. Das mag sein, in der grossen Mehrheit der Länder, wo irgendeine andere Religion als das Christentum Mehrheitsreligion ist, werden die Minderheiten verfolgt. In Indien werden die muslimische Minderheit gleich verfolgt, wie die Christen. Es ist schon möglich, dass der Dalai Lama ein ganz lieber ist, nur merkt die christliche Minderheit in Buthan usw. nicht sehr viel davon. Auf die Gefahr hin, von euch als Islamophob bezeichnet zu werden, möchte ich doch anmerken, dass in den meisten Ländern mit islamischer Mehrheit (Ich weiss, das ist plakativ, Islam ist nicht gleich Islam), die Minderheiten diskriminiert werden.
Sorry, eure Argumente erwidern den Artikel von Kacem El Ghazzali in keiner Art und Weise, nein sie unterstreichen seine Aussage mal richtig fett!