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Schöpfung in 7 Tagen?!

Muss ich als Christ:in glauben, dass Gott die Welt in 7 Tagen geschaffen hat? Steht ja schliesslich in der Bibel.

Als Kind habe ich das tatsächlich so gelernt, in einem religiösen Umfeld, in dem die Bibel wortwörtlich genommen wurde. Als Jugendliche habe ich dann auch noch die «Argumente» dafür gelernt – dass sieben Tage Gottes für uns Menschen wie Tausende von Jahren sind, und so weiter.

Stichwort Kreationismus.

Gott kann ja alles – warum also nicht die Welt in sieben Tagen erschaffen.

Heute glaube ich das nicht mehr. Aber das hat nichts damit zu tun, ob ich Gott das nun zutraue oder nicht.

Eine Welt aus dem Labor?

Kürzlich war ich im Wald joggen. Ich bin ins lebendige, satte Grün eingetaucht und dachte bei mir, wie grossartig das alles ist.

All das Grün, all die Blätter und Gräser und Blüten und Zapfen wachsen und vergehen dann im Herbst wieder. Nur, um im nächsten Jahr wieder neu zu spriessen.

Das geht langsam vonstatten, und dennoch bewegt sich immer etwas. Jede Woche sieht der Wald wieder etwas anders aus.

Hätte Gott all das in sieben Tagen gemacht, alle Meere und Wälder und Flüsse und Gletscher der Erde mit einem Fingerschnippen oder einem Wort erschaffen – das käme mir reichlich künstlich vor.

Als ob etwas im Labor aus dem Nichts geklont worden wäre, aber so aussieht, als wäre es über lange Zeit gewachsen.

Zum Vergleich: Stell dir vor, jemand pflanzt einen Apfelbaum. Dann pflegt die Person den Baum jahrelang, und irgendwann wachsen daran endlich Äpfel. Die Person macht aus diesen Äpfeln eine Wähe (Schweizerdeutsch für Obstkuchen), setzt sich mit Freund:innen hin und isst sie.

In diesem Kuchen ist so viel Herz und Hingabe drin, so viel Mühe und Liebe. Und ich bin sicher, man schmeckt das. Es ist nicht derselbe Kuchen wie einer, den man im Laden kauft. Sogar, wenn die chemische Zusammensetzung genau gleich wäre.

Ein spielerischer Gott

Ich stelle es mir genau so vor, als Gott die Welt erschaffen hat. Dass es sehr viel länger gedauert hat, Millionen, Milliarden von Jahren.

Dass das aber nicht bedeutet, dass es weniger besonders wäre. Im Gegenteil: Dieser Prozess zeigt noch viel präziser, wie Gott ist, als das Wissen, dass Gott das Universum mit einem Fingerschnippen herzaubern könnte.

Es zeigt, wie geduldig und mit wie viel Liebe Gott alles erschaffen hat.

Ich stelle mir vor, wie Gott diese Prozesse angestossen hat. Wie Gott immer wieder Impulse gegeben hat für etwas Neues, kreative Ideen, und beobachtet hat, wie alles wächst, immer komplexer wird und sich miteinander vernetzt.

Ich stelle mir vor, wie Gott total fasziniert ist von all diesen Dingen, Prototypen erstellt, reflektiert und Neues erfindet. Wie Gott sich freut über all diese kleinen Entwicklungen. Zum Beispiel, wie der Panzer eines Käfers schimmert, und Gott selbst davon ergriffen ist und den Käfer von allen Seiten betrachtet, während er über den Waldboden krabbelt.

Und dann all die Dinosaurier und die anderen Tiere, die schon lange ausgestorben sind. All die Urpflanzen und Pilze, die es im Verlauf dieser Entwicklung gab.

Viele theologische Strömungen sagen, die Schöpfung dauere bis heute an. Creatio continua.

So viel Leben, so viel Geschichte! So vieles ist in den Jahrmillionen passiert, von dem wir nur ansatzweise eine Vorstellung haben.

Keine Hauruck-Übung, sondern ein andauernder Prozess

Das ist ein ganz anderes Gottesbild. Wenn man in die beiden Schöpfungsgeschichten in der Bibel hineinzoomt, sieht man nicht einen Gott, der in einer Hauruck-Übung in sieben Tagen die Welt erschafft.

Sondern einen Gott, der unglaublich geduldig ist. Der Zeit hat. Der gerne experimentiert und spielt und beobachtet.

Einen Gott, der mehr Freude am Prozess und an Entwicklungen hat als am Ergebnis. Nicht einen Gott, der irgendwo am Ziel, im Himmel auf seine Schöpfung wartet, sondern einen Gott, der mit ihr unterwegs ist. Mit uns.

In allen Prozessen, die wir erleben. Ein Gott, der sich über kleine Dinge freut, der in jedem Moment etwas Besonderes sieht und in jedem Moment mit sehr viel Liebe und Hingabe dabei ist.

4 Kommentare zu „Schöpfung in 7 Tagen?!“

  1. Natürlich besteht keinerlei Anlass die 7 Tage wörtlich zu nehmen. Man könnte sie auch als Zeitperioden verstehen, in denen nach einer Veräusserung eine Verinnerlichung erfolgt. Alles das, was wir defintitiv über die Schöpfung wissen mit wortwörtlich 7 Tagen in Einklang bringen zu wollen ist auch schlicht unmöglich.
    Nun hast du deine Freude an der Schöpfung und aus ihr tauchen, wie wohl bei jedem Menschen, ein Staunen auf und auch irgendwelche Gedanken. Aber das kann natürlich nicht genügen, um zu begreifen in welcher Welt wird leben.
    Ich habe, um mehr Klarheit zu gewinnen und Spiritualität/Glaube in Harmonie mit der naturwissenschaftlichen Erkenntnis zu bringen, eine wissenschaftliche Arbeit geschrieben (die aber auch mit gutem Willen von jedem verstanden werden kann) : https://drive.google.com/file/d/16AftQ5rhCuDO3TBdsoTDscVbcz9KV3ve/view (Man kann sie auch hier – https://repository.globethics.net/bitstream/handle/20.500.12424/4268729/Ursprung_und_Ziel_Wie_die_Evolution_weit%20%281%29.pdf?sequence=1&isAllowed=y – lesen.)

  2. Eine sehr hübsche Vorstellung, und ja, man kann das (wenn es sein muss) immer noch Zusammendenken mit der Annahme eines 7-Tage-Prozesses: Der Einstieg und die Grundlegung erfolgte in „7 Tagen“ (als Formel für „in relativ kurzer Zeit“), seither work in progress.
    Wer sich an 7 Tagen in menschlicher Zeitrechnung aufhängt, zeigt ja auch anderswo eine eher unflexible und beschränkte Denkungsart.

  3. Natürlich muss man das als Christ nicht glauben. Diese Frage stellt sich in der heutigen Zeit eigentlich auch nicht mehr. Die Frage müsste vielmehr heissen: Darf man das als Christ noch glauben?

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