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Das WEF-Motto lautet: «Rebuilding Trust» – «Vertrauen wieder aufbauen». Was ist gemeint, wenn die Wirtschaftselite eine solche Losung ausgibt? Wer hat Vertrauen verloren? Vertrauen worin oder in wen? Und sind vom Vertrauensverlust und seinen Folgen alle gleichermassen betroffen?

«Trust me» heisst: «Vertraue mir, glaube mir».

Trust im juristischen Sinn bezeichnet eine Rechtsbeziehung. Vermögen wird zugunsten Begünstigter oder für bestimmte Zwecke abgesondert und die Vermögensverwaltung wird Trustees unterstellt. Trust Companies sind Treuhandelsgesellschaften. Als «Trust» werden auch sehr grosse marktbeherrschende Unternehmen bezeichnet.

«Trust», Vertrauen ist zugleich ein zentraler Begriff religiöser und sakraler Rede. Vertrauen, Glaube oder Zutrauen sind Übersetzungsmöglichkeiten des lateinischen «fides». Religiös vertrauen oder glauben kann sowohl aus tiefer innerer Gewissheit erwachsen als auch aus purer Autoritätsgläubigkeit.

Wenn Vertrauen verloren gegangen ist, sind auch Glaube und Hoffnung dahin. Das kann man in Friedrich Schillers Drama «Wallensteins Tod» nachlesen.

Der Spirit von Davos

Welches Vertrauen nun wollen die WEF-Vertreter und Vertreterinnen wiederherstellen? Offizielle Verlautbarungen klingen wenig konkret.

Das Treffen, heisst es, ziele darauf ab, das «kollektive Handeln» wiederherzustellen, «Fragmentierung» den Boden zu entziehen und «Sicherheitsrisiken», explizit in Nahost, abzubauen. Ausserdem will man etwas für das Weltklima tun. Angestrebt werden «Win-Win-Szenarien für alle Beteiligten».

In einer Situation wachsender Spaltung und multipler Krisen hofft man, gesellschaftlichen Konsens durch ein Minimum an Kompromissen und ein Maximum an Synergien zu erzielen.

Ein «neuer Gesellschaftsvertrag zwischen Regierungen, Wirtschaft und Zivilgesellschaft» soll geschmiedet werden: mit dem Ziel, ein «Jahrzehnt niedrigen Wachstums» zu vermeiden und «Wohlstand für die Menschen» zu erreichen.

Allerdings sind solche hehren, aber vagen Aussagen, wenn man sie nicht konkretisiert, nicht viel mehr als Floskeln, wenig geeignet, Vertrauen zu erwecken.

Global Risk Report

Auch nicht bei Topmanagern und Spitzenpolitikerinnen. Diese haben selber wenig Vertrauen in die Zukunft. Der alljährlich vom WEF veröffentlichte «Global Risks Report» fiel 2024 so negativ aus wie nie zuvor.

Die Führungsriege erwartet eine erhebliche Verschärfung geoökonomischer Konfrontationen, Massenemigration, Cyberattacken, Erosion des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Und keinerlei Entschärfung der ökologischen Krisensituation, im Gegenteil: Zunahme extremer Wetterereignisse und Klimakollaps; nicht etwa in fünfzig, sondern bereits binnen zehn Jahren.

Es gibt auch wenig Gründe, warum grosse Teile der Welt mehr Vertrauen in die Verantwortungsträger haben sollten. Traditionell veröffentlicht im WEF-Vorfeld auch der Zusammenschluss von Hilfsorganisationen Oxfam neue Zahlen. Demnach ist die soziale Ungleichheit auf der Welt dramatisch gestiegen.

Wer zahlt die Krisenkosten?

Fast die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in Armut, das heisst von weniger als 5,5 Dollar am Tag. Drei Milliarden Menschen haben keinerlei Zugang zu grundlegender Gesundheitsversorgung, drei Viertel aller Arbeitnehmer:innen keine soziale Sicherung. Das Los der Armen, die sich mit ihrer Arbeitsleistung kaum über Wasser halten könne, ist vergleichbar mit der Situation von Schuldsklaven.

Die Armen wurden von den Krisen der vergangenen Jahre am härtesten getroffen. Sie zahlen laut der Oxfam-Erhebung die Krisenkosten.

Das Milliardärsvermögen dagegen wuchs im genannten Zeitraum schneller als die Inflation. Die fünf reichsten Männer haben Oxfam zufolge seit 2020 einen unvorstellbaren Gewinn von durchschnittlich 14 Millionen Dollar gemacht: pro Stunde. Ihr Vermögen stieg von 405 Milliarden Dollar im Jahr 2020 auf inzwischen 869 Milliarden Dollar.

Zu sehr geschützte Minderheit

Bald dürfte es den ersten Billionär geben. Gleichzeitig haben die Reichsten oft den niedrigsten effektiven Steuersatz.

Minderheitenschutz gut und schön, aber mit dem Schutz der Minderheit der Superreichen hat man es im Laufe der letzten Jahrzehnte doch etwas übertrieben.

Das wirkt in doppelter Weise demokratiegefährdend: Einerseits wächst damit die Macht weniger, Einfluss auf Politik und Medien zu nehmen, enorm. Entsprechend wächst auch das Gefühl, dass politische Forderungen nach Besteuerung von Superreichen und Zerschlagung von Monopolen im öffentlichen Diskurs marginalisiert werden.

Andererseits profitieren Rechtspopulisten, häufig unter kräftiger Unterstützung von Superreichen, indem sie den wachsenden Vertrauensverlust aufnehmen und auf internationale Organisationen und Migrant:innen kanalisieren – und die Reichen und Superreichen damit von legitimen Forderungen abschirmen.

Entkopplung vom Rest der Welt

Der kürzlich verstorbene Soziologe Bruno Latour sprach über eine in den 1980er-Jahren des 20. Jahrhunderts eingeleitete Entkopplung der Reichsten vom Rest der Welt:

«Alles spricht dafür, dass ein gewichtiger Teil der führenden Klassen (heute recht vage als ‹Elite› bezeichnet) zu dem Schluss gelangte, dass für ihn und für den Rest der Menschen nicht mehr genügend Platz vorhanden sei.»

Irgendwann hätten Reiche verstanden, dass das Modell eines bestimmten Lebensstandards nicht verallgemeinerbar, nicht universalisierbar sei – und sich abgekoppelt. Statt eine gerechtere Welt anzustreben, die Partizipation aller, sei der Reichtum Superreicher explodiert. Die Mehrheit aber profitierte nicht – und sollte dies auch nicht, sonst würde die Erde kollabieren.

Besteuert uns!

Vor diesem Hintergrund sind vertrauensbildende Massnahmen von oben in der Tat an der Zeit: Was, wenn sich die in Davos versammelten Eliten auf eine Vermögenssteuer für Superreiche einigen könnten? Und weil sie sich gerade in der Schweiz befinden, könnten sie auch gleich an einer Ächtung des Steuerwettbewerbs arbeiten.

Am Steuerdumping beteiligt sich bekanntlich auch und gerade die Schweiz. Firmenbesitzer und Vermögende, die an der Spitze der Einkommenspyramide stehen, profitieren davon besonders.

Davon hätten schlussendlich auch Superreiche etwas: Eine (klima-)gerechtere Welt wäre friedlicher. Und sicherer. Und dann müssten sie sich nicht in fernen Inseln superteure Villen mit riesigen Bunkeranlagen bauen. Oder sich in Superyachten verstecken, jene «Meeresungeheuer des Kapitalozäns», von denen die 300 größten im Jahr mehr CO2 als die über 10 Millionen Einwohner Burundis ausstossen.

Und viele Superreiche sehen das inzwischen offenbar genauso. Anlässlich des Davoser Treffens fordern sie, wie schon vor zwei Jahre, genau das:

«Elected leaders must tax us, the super rich.»

 

Abbildung KI-generiert durch Adobe Firefly

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