Auf den ersten Blick mag es so erscheinen, als wären die Reformatoren in der Schweiz vor allem Meister der Dekonstruktion gewesen: Unzählige Bilder und Skulpturen wurden zerstört. Abgeschafft wurden die Verehrung der Heiligen, Wallfahrten, Marienfrömmigkeit, Fastentage etc. In den reformierten Kirchen wurde die Frömmigkeit karg und nüchtern. Ja, so Matthias Zeindler: die Reformierten setzten auf eine Spiritualität der Andacht und der Konzentration. Die vermeintliche Leere der Kirchen schaffte Platz für das, worum es eigentlich geht: Die Gemeinschaft mit Christus und das Vertrauen auf Gott, für ein Leben in der Liebe Gottes, das sich in tätiger Hingabe im Alltag der Welt bewährt.
Aber brauchen Menschen nicht auch praktische Hilfen, um ihren Glauben mit dem Lebens-Alltag bewusst zu verbinden? Dass die Reformierten an dieser Stelle wenig für notwendig erklärten, macht die Offenheit für individuelle und aktuelle Entwicklungen so typisch reformiert, so Zeindler. Weil es für Reformierte keine heiligen Orte, Zeiten und Praktiken gibt, sind sie frei, je nach Herausforderung Übungen und Wege zu finden, die den Glauben stärken: Immer neue Lieder und Musikstile, das Wort der Bibel in vielfältiger Gestalt, von der Losung am Morgen bis zum Gottesdienst mit seinen Gebeten und Predigten.
Weiterführende Links:
Matthias Zeindler: Konzentration auf das Wesentliche. Reformierte Spiritualität
Vortrag – Matthias Zeindler: Gibt es eine reformierte Spiritualität?






1 Gedanke zu „Matthias Zeindler: Was ist reformierte Spiritualität?“
Vielen Dank für dieses super Gespräch. Dass Zwingli den Menschen in ihrer Zeit einen unverstellten Blick auf den liebenden Gott und den barmherzigen Jesus ermöglichen wollte und deshalb alles, leider auch alles “mit den Sinnen Wahrnehmbare”, aus der Kirche entfernte, habe ich ganz neu verstanden. Ziel war es, das Wort Gottes zu hören. Ich bin einverstanden mit den Gedanken, dass heute in der reformierten Kirche oft das klerikale (akademische, gelehrte) Wort den Blick auf das Zentrum verstellt. Uns fehlt auch gerade im Gottesdienst der Raum für die “Kultivierungsarbeit des Hörens”. Es freut mich, dass über Kontemplation und Exerzitien gesprochen wurde. Ich habe durch Exerzitien das “Raum schaffen” für das Hören auf das Wort Gottes gelernt und bin sehr dankbar dafür.