Dein digitales Lagerfeuer
Dein digitales Lagerfeuer

Martin Thoms: Jesus der Richter? Und das soll Evangelium sein?

Zugleich hat die spätmoderne Kultur eine neue Sensibilität für Menschen entwickelt, die Opfer von Ausgrenzung, Missbrauch und Gewalt geworden sind. Steht Gott nicht radikal auf ihrer Seite? Zieht er die Menschen, die Böses tun, nicht irgendwann und endgültig zur Rechenschaft? Oder ist er immer nur der Gott, der liebevoll und barmherzig vergibt?

Andi und Thorsten haben den jungen Theologen Martin Thoms eingeladen und sprechen mit ihm über das erstaunliche Evangelium von Jesus als dem Richter. Wird Jesus in einem zukünftigen Akt die Menschen endgültig zurechtbringen und aufrichten? Und zwar so, dass alle Bilder von der Hölle, welche die Kirche über viele Jahrhunderte gemalt hat, überflüssig werden? In der aktuellen Folge diskutieren die drei Gesprächspartner, inwiefern sich eine Fantasie der Allversöhnung biblisch und theologisch plausibel machen lässt.

Nachdem die Haupteinwände gegen die Lehre von der Allversöhnung nachgezeichnet sind, steht die Frage nach Gottes Gerechtigkeit im Brennpunkt. Die Idee einer göttlichen Höllenstrafe erscheint zwar als verständlich, aber verstellt den Blick auf Gottes schöpferische Gerechtigkeit und verdunkelt sie. Martin Thoms argumentiert dafür, das Gericht Gottes nicht im Gegensatz zur Gerechtigkeit der Liebe Gottes zu denken, wie sie durch Jesus Christus zu uns Menschen gekommen ist.

Brisant wird der Podcast, wenn die drei Gesprächspartner danach fragen, was in dieser alle erfassenden Versöhnung mit den Opfern und den Tätern geschieht. Wie lässt sich eine letztgültige Transformation und Heilung hier denken? Werden die zum Himmel stinkenden Ungerechtigkeiten und Leiden der Menschen hier nicht wegparfümiert? Werden die Opfer nicht noch mal unter Druck gesetzt, indem man von ihnen Vergebung verlangt?

Am Ende bleiben natürlich Fragen offen und das Problem des Bösen, der Übel und des Leides kehrt in nachdenklichen Tönen in das Gespräch zurück. Thorsten und Andi haben sich jedenfalls überzeugen lassen, dass Allversöhnung durch Gottes liebende Gerechtigkeit mehr. ist als eine stille Hoffnung, die man aber besser nicht lehrmässig aus dem eigenen Herzen herauslässt. Mehr Fantasie für das, was Gott tun könnte, scheint an der Zeit.

Infos über Martin Thoms, seine Arbeit und seinen Studientag zur Allversöhnung finden sich hier: https://martinthoms.de/

Das aktuelle Buch von Martin Thoms zum Thema kann man hier anschauen: https://buchhandel.de/buch/-Es-ist-vollbracht-Oder-doch-nicht–9783374078691

Martin Thoms war auch zu Gast im Podcast Hossa Talk

https://hossa-talk.de/257-es-ist-vollbracht-oder-doch-nicht-m-martin-thoms-teil-1/

https://hossa-talk.de/258-es-ist-vollbracht-oder-doch-nicht-m-martin-thoms-teil-2/

Und im movecast von Martin Benz

https://movecast.de/mc-199-allversoehnung-duerfen-wir-sie-glauben/

5 Gedanken zu „Martin Thoms: Jesus der Richter? Und das soll Evangelium sein?“

  1. Vielen Dank für den großartigen Podcast. Ich musste bei dem Thema Gerechtigkeit immer wieder an die Diskussionen zum sexuellen Missbrauch in der Kirche denken. Der Aufruf zur Versöhnung darf nie zu Lasten der Opfer gehen, sonst gibt es keine Gerechtigkeit.
    Spannend am Schluss auch die Frage, ob sich Gott einmal rechtfertigen muss, weil er der Ungerechtigkeit zu viel Raum gegeben hat. Hiob lässt grüßen.
    Ihr seht, euer Gespräch hat vieles bei mir angestoßen. Nochmals Danke dafür.

    Antworten
  2. Vielen Dank für die gute Folge und den Kontrapunkt, den Thorsten und Andi zu den inspirierenden Gedanken von Martin gesetzt haben. Ich habe mir jetzt quasi alles angehört, was meine gelehrigen Freunde von RefLab, Movecast, Hossa-Talk u.a. mit Martin Thoms besprochen haben.

    Ich habe davon profitiert, denn: Auch wenn ich schon 50 Jahre mit Jesus, mit der Bibel, mit der Theologie unterwegs bin, bin ich noch längst nicht fertig. Mein Erkenntnisgewinn zum Thema “Allversöhnung”: Ich will den “Heilsuniversalismus”, die umfassende und kaum zu erfassende Größe des Heils in Christus neu erwägen. Ich will die so genannten “Höllentexte” der Bibel noch einmal neu durchdenken und kontextualisieren. Schon jetzt ist mir zumindest klar, dass sie eher im Kontext unserer Lebensführung als im Kontext unseres “Glaubens” zu verstehen sind. Das war mir aber auch schon seit Jahren aufgefallen und hat mir eine segensreiche und nicht auflösbare Spannung zwischen “Glauben & Werken” aufgezeigt.

    Also – auch in Bezug auf die “Allversöhnung” bzw. auf den “Zweifachen Ausgang” bin ich nicht fertig, sondern bewege mich – wie auch bei anderen Gegenständen der Theologie und des Glaubens – lieber in der Spannung. Der Überschwang von Martin hinsichtlich der “Allversöhnung” ist inspirierend und anregend. Er erinnert mich aber auch – ohne mich mit Martin vergleichen zu wollen – ein wenig an meine Jahre als junger Pastor. Eine meiner Stärken war meine Leidenschaft und die Fähigkeit, andere mitzureißen. Ja, und auch meine Eindeutigkeit in vielen Fragen der Bibel und des Glaubens.

    Heute – und das sage ich auch gerne meinen Studenten und Studentinnen – “weiß ich viel weniger, als früher”. In der Lehre bin ich oft eher “deskriptiv” (um es mit Thorsten zu sagen) geworden und versuche die Dinge in der Balance und Spannung zu halten und die Argumente gegeneinander abzuwägen. Ich kann bei unserem Thema gern Karl Barth folgen: “Ich glaube nicht an die Allversöhnung, aber ich glaube an Jesus Christus, den Allversöhner”. Ich glaube an einen liebenden, gnädigen und barmherzigen Gott, der in Christus die Welt mit sich versöhnt hat.

    Weil ich selbst nicht erst einmal “die Hölle auf Erden” erlebt habe, lade ich Menschen heute immer noch leidenschaftlich ein, Jesus, “den Fürst des Lebens” schon hier und heute kennen zu lernen. Wie das Gericht einmal aussehen wird? Das überlasse ich dem liebevollen, gnädigem, barmherzigen und gerechten Gott. Auch mir reicht als Rahmen schon das “Von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten” unseres Glaubensbekenntnisses.

    Antworten
  3. Ich bin auch bei den Hahnern “aufgewachsen” und daher dem Thema sehr aufgeschlossen. Ja, ich bin ein Allversöhner in dem Sinne der letzten Gottesziele. Doch: Muss man einen Gegensatz zwischen dualistischer Religion und einem Heilsuniversalimus aufmachen? Es kann doch beides geben! Gott erreicht seine (Heils-)ziele auch über seine Gerichte.

    Ja, die Hauptbotschaft Jesu ist die des Reiches Gottes – doch genau da hat er keinen Zweifel gelassen, dass es ein Drinnen und Draußen gibt. Es soll ja ein Reich der Gerechtigkeit sein, und da passen die, die Böses tun, einfach nicht dazu. Das Reich Gottes soll auch nicht erst seine Wirkung entfalten, wenn der Letzte es verstanden hat. Und für manche ist der Läuterungsprozess eben draussen. Bis die Gerichte ihr Ziel erreicht haben.
    Das ist dann auch eine Form der Liebe Gottes, dass eine Situation entsteht, wo erstmal kein Helfer in Sicht ist. Dann hat Gott die Sache trotzdem noch im Griff, aber es ist eben ein Unterschied, ob er sein Angesicht über mich leuchten lässt, oder ob ich ihn quasi von hinten sehe. Die Rede von der Transformation ist zu beschönigend.

    Man muss auch sehen, dass es sich im Verhältnis zu Gott um ein Verhältnis zwischen Personen handelt. Wenn Menschen dann die wirklichen Machtverhältnisse erkennen bei seinem Kommen und ihr Fähnchen einfach nach dem Wind hängen wollen, wir das nicht gehen. War da was? Aus dem Gericht über Pharao ist ersichtlich, dass das Maß voll war und Gott sich der Gnade (erstmal) verweigert wollte. Gott will zwar, dass alle Menschen gerettet werden _und_ zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.

    Mit der Rede von den guten und bösen Anteilen in uns habe ich Schwierigkeiten. Schon 0,1% böse Taten reichen, um mich als Person verurteilen zu können. Daher muss ich ja als Ganzperson gerechtfertigt sein. So verstehe ich die Rede von gesamthaften gewaschen sein im Blut des Lammes.

    Mit seinem Erlösungswerk hat sich der Sohn zwar das Anrecht erworben, alle Schöpfung von den Todesmächte erlösen zu dürfen. Wann das im Einzelnen geschieht, ist von Person zu Person mE sehr unterschiedlich. Er wird das zu behalten suchen, was ihm sein Vater gibt.

    Die Gedanken sind sicherlich nicht abgeschlossen und diskutabel.

    Herzl. Gruß, Tobias

    Antworten
  4. Sehr gerne höre ich diesen Podcast, er erweitert, korrigiert und inspiriert mich.
    So auch diese Folge.
    Wo ich am Schluss hängen geblieben bin:
    “Zu herrschen in der Hölle hier ist mir lieber, als in dem Himmel nur zu dienen.”
    Leider nicht von mir, sondern von Milton.
    Für mich ist die Zwickmühle: der freie Wille. Spitz gesagt: Entweder man will in den Himmel kommen oder nicht. ( Ein Entweder/Oder Ding, kein Sowohlausauch )
    Oder wird davon ausgegangen, dass im grossen Transformationsprozess jede/r sowieso Richtung Himmel “umgepolt” wird? Und ist das dann immer noch Freiheit?
    Natürlich habe ich auch C.S. Lewis, die grosse Scheidung, gelesen und da einiges erkannt. Jesu “Höllendrohungen”, sind sie nicht die Konsequenz, die jemand in Kauf nimmt für sein Verhalten? (Das sage ich ohne einem Fundiverein anzugehören.)

    Ich unterscheide zwischen bewusst bösen Taten mit verheerenden Folgen für zig Menschen und z.B. dem Diebstahl eines Süchtigen von 100 Fr., um für sich Heroin zu kaufen.
    Sollte der Massenmörder in der grossen Transformation echt und frei Reue zeigen, freu ich mich und er ist im Himmel willkommen, ja klar!!!
    (Ich nehme wie automatisch an, dass der heroinsüchtige Mensch für Reue viel zugänglicher ist…auch das natürlich blosse Annahme.)

    Aber woher die Gewissheit, dass jeder frei denkende Mensch Reue zeigen möchte, d.h. im Himmel dienen und nicht herrschen will?
    Ein weites Feld….
    seid herzlich gegrüsst
    Ursula

    Antworten
    • Danke für Deine Kommentare und die weiterführenden Gedanken. Auch für mich liegen – bei aller Zustimmung zur Phantasie der Allversöhnung – entscheidende Anfragen im Bereich der uralten Thematik Liebe/Gnade Gottes und Freiheit des Menschen. Wie stellen wir uns das konkret vor, dass Gott den Willen der Menschen befreit, ohne dabei die ursprünglich in Liebe zugeeignete Freiheit des Menschen zurückzunehmen oder zu übergehen. Vielleicht müssten wir hier dem zwischenmenschlichen Phänomen der Liebe mehr nachspüren. Dann finde ich Martin Thoms Argument zunächst äusserst überzeugend: Weil wir über ein mögliches Gericht Gottes am Ende der Zeiten keinerlei wahrnehmbare Informationen haben, bleibt uns nur die Möglichkeit, die gezeigte Liebe Gottes in Jesus Christus (und auch sonst wo) ganz eng mit der Zukunft des Reiches Gottes zusammenzudenken. Ansonsten klafft Gottes Handeln nicht nur selbstwidersprüchlich auseinander. Es wäre geradezu glaubenszersetzend, wenn wir davon ausgehen, dass die Liebe Gottes zu allen Menschen, wie sie sich in Jesus erschlossen hat, nur ein Zwischenspiel war, während Gott an sich, ewig und endgültig ein anderer ist. So weit so gut. Aber es ist nun eben mal eine Kontinuität, dass die Liebe Gottes es bisher auch nicht geschafft, die Freiheit des Menschen zum Bösen zu erlösen und wahrhaft zu befreien. Das Gleichnis von den bösen Weingärtnern hat für mich etwas zutiefst Beunruhigendes, weil der Vater, allen Massnahmen zum Trotz, am Ende den toten Sohn im Arm hält. Woher nehme ich nun die Gewissheit, das etwas, an dem Gott bisher auch gescheitert ist und gelitten hat, am Ende dann doch gelingt? Wenn doch die Liebe Gottes den freien Willen der Menschen zum Guten freisetzen kann, wiese hat er das dann nicht schon längst gemacht? Kommt da nicht jede Befreiung der Freiheit am Ende der Zeiten immer schon zu spät?

      Antworten

Schreibe einen Kommentar

Das RefLab-Team prüft alle Kommentare auf Spam, bevor sie freigeschaltet werden. Dein Kommentar ist deswegen nicht sofort nach dem Abschicken sichtbar, insbesondere, falls du am Abend oder am Wochenende postest.

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..

RefLab regelmässig in deiner Mailbox