Der Film «The Matrix» erlebt gerade ein Revival – unter anderem, weil der vierte Teil Ende Dezember in die Kinos kommt. Aber auch, weil viele nach der Erfahrung der letzten eineinhalb Jahren beginnen, an dem, was real und wahr scheint, zu zweifeln. Das gute Internet ist voll mit Memes, die Szenen aus den Matrix-Filmen gebrauchen.
Ist ja auch total irr, diese Zeit – im Sommer in Frankreich meinte ich noch zu meinem Freund «so einen pass sanitaire, das geht doch in der Schweiz niemals durch – das gäbe wäschwasfüren Aufstand». Meine Naivität ist manchmal rührend.
Die Skepsis gegenüber Strukturen, die vor Covid als gut und richtig angesehen wurden, kann schnell kippen in Richtung Verschwörungsglauben – und den Wunsch, die Zivilisation zu verlassen. Der Matrix zu entkommen.
Nicht wegrennen
Doch das wäre ein Spiel, das wir letzten Endes nur verlieren können. Aufgrund der Machart des Lebens selbst gibt es kein Entkommen, Leben ist, daran ändert selbst der körperliche Tod nichts. Es ist das Formlose, das sich stets und immer wieder neu in Form giesst. Aus purer Liebe und Freude. Steht in all den alten Büchern aus all den alten Traditionen.
Entkommen ist daher auch nicht nötig – da würde ich mir ja diese Erfahrung von Freude und Liebe nicht erlauben. Wie schade!
Die Freiheit einfach zu spielen
Dennoch: Solange ich glaube, die Matrix sei real im Sinn von «this is all there is», ist es echli doof. Bis hin zu furchtbar. Darum ist es natürlich absolut grossartig zu lernen, wie ich mich zurücklehnen kann ins Formlose, meine rote Pille zu entdecken, die mich aus der Matrix erwachen lässt. Die mich erkennen lässt, von Angesicht zu Angesicht.
Ja und dann?
Dann kann ich zurückgehen in die Matrix und darin spielen. Ohne mich ihren Gesetzen oder Autoritäten unterwerfen zu müssen.
Und was heisst das für Beziehungen aller Art, die zum Leben in der Welt dazugehören?
Das Minenfeld aka. der Spiegel «Beziehungen»
Beziehungen, die uns immer mal wieder auf unsere ungelösten Spässe hinweisen? Das erinnert mich an eine angebliche Aussage von Ram Dass: «Wenn du meinst, du seist erleuchtet – verbringe ein Wochenende mit deiner Familie.» Was so viel heisst wie: Nichts drückt unsere Knöpfe so sehr, wie unsere Herkunftsfamilie. Niemand kennt die Knöpfe besser.
Da wird es erst richtig spannend, findi – wie gehe ich damit um, dass all meine Knöpfe leuchten und klingeln? Weil, davon bin ich sehr überzeugt, leuchten und lüüte werden die wahrscheinlich immer. Egal, wie klar die Dinge werden.
Ich habe gerade ein anderes wunderbares Beispiel erlebt: Meine Freundin, Yogalehrerin und ehemals Vorbildfigur war mal wieder in Zürich zu Besuch aus den Vereinigten Staaten. Vor fünf Jahren hat sie mich praktisch gerettet und ich verbrachte einige Zeit bei ihr, auf ihrer Ranch. Wir haben also viiiel Geschichte, gutes Material, um daraus ein paar «ich müsste» oder «ich sollte» zu spinnen. Jetzt lebte sie eine Woche bei mir – und ich hatte absolut kein Interesse daran, unsere Zeit von diesen «ich müsste»-Dingen leiten zu lassen, wie das früher jeweils der Fall war.
«Jetzt tu’ nicht so schwierig»
Doch, obwohl das so klar war, läck, es war gar nicht einfach. «Was? Du hast ihr nicht alle möglichen Sachen aus dem Bioladen gekauft, du hast ihr keinen Zmorge parat gemacht? Du wartest nicht mit dem Znacht, bis sie auch da ist? Spinnsch eigentli!» Zum Glück ist es mit ihr relativ einfach, so unterwegs zu sein. Grenzen führen nicht zu einem Beziehungsabbruch. Trotzdem spürte ich, dass sie einige Male etwas irritiert war. Und es brauchte all meine Hingabe, nicht «einfach zu tun, was man halt tut», jetzt «nöd eso schwirig ztue». Aus vermeintlicher Höflichkeit, Anstand oder Freundlichkeit. Sondern bei dem zu bleiben, was sich im Moment als wahr zeigt.
Ohne, dass das meine Achtung, meine Liebe, meinen Respekt für jemanden schrumpfen liesse. Im Gegenteil.
Gopfridstutz. Voll nöd eifach. Trotzdem sehr simpel: Folge ich Konventionen etcetera, ist es sehr schnell sehr eng, unangenehm und bitz tot. Folge ich der Wahrheit (ui ja, dieses Wort, sie braucht es tatsächlich!) kann es zwar auch unangenehm sein, aber es fühlt sich weit an, sehr lebendig, sehr frei. Ist es nicht letztlich das, wonach wir uns sehnen? Ebe.
Spielen wir also in der Matrix und folgen dabei der Spur der Wahrheit.
Ich finde, es lohnt sich absolut.
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