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 Lesedauer: 4 Minuten

Ein «göttliches» Mindset, oder: Sind wir Menschen im Grunde gut oder schlecht?

Menschen sind grundsätzlich schlecht. Oder zumindest zieht uns das Schlechte mehr an als das Gute. Das steht so in der Bibel, habe ich gelernt.

Was sagt die Bibel: «Sehr gut» oder «von Grund auf schlecht»?

Ich habe das irgendwie nie so gefühlt. Natürlich gibt es schlimme Menschen oder Leute, die anderen Böses antun, aber ich glaube eigentlich mehr an das Gute im Menschen. Schliesslich heisst es ja auch in der Schöpfungsgeschichte, dass Gott die Welt und die Menschen gemacht hat, und am Ende hat er alles betrachtet und gesagt: «Sehr gut!»

Aber dann wird in der Bibel, im Neuen Testament, immer wieder dieser Kontrast beschrieben: Entweder leben wir nach unserer «menschlichen Natur» und tun alles falsch, oder wir nehmen Gottes Liebe als Massstab und leben so, wie Gott es für gut hält.

Was stimmt denn jetzt, und was ist überhaupt die «menschliche Natur»? Sind wir alle im Grunde «Sünder:innen»?

Zwei unterschiedliche Mindsets

Ich tauche kurz in einen der Texte ein. Er steht in der Bibel im Galaterbrief Kapitel 5. Vereinfacht gesagt, geht es dort um eine Veränderung des Mindsets.

Von «Gott liebt mich, wenn ich vor ihm möglichst gut dastehe» zu «Ich stehe vor Gott gut da, weil Gott mich liebt.»

Im Bibeltext steht ziemlich drastisch, welche Konsequenzen die beiden Mindsets haben. Wenn man gemäss der «menschlichen Natur» lebt, dann sind die Konsequenzen Streit, Suchtverhalten, Wut, Ungerechtigkeit. Lebt man jedoch im Sinne Gottes, dann ist das Leben erfüllt von Frieden, Freude, Liebe, Treue etc.

Unabhängig sein wollen

Ich habe den Text mit der Brille der gewaltfreien Kommunikation betrachtet. Also davon ausgehend, dass es einen gemeinsamen Nenner zwischen uns Menschen gibt, eine Verbindung.

Aus dieser Brille betrachtet, bedeutet «menschliche Natur» Folgendes:

  • Selbst gut genug sein wollen
  • Unabhängig sein
  • Sich absichern wollen
  • Alles unter Kontrolle haben wollen
  • Ausgangspunkt dieses Mindsets ist, dass wir von Gott und anderen Menschen getrennt sind. Fromm ausgedrückt: «Sünde», oder «verloren sein».

Die Bedürfnisse, die dieser Haltung zugrundeliegen sind zutiefst menschlich: Sicherheit und Bedeutung. Gleichzeitig führt die Haltung, diese Bedürfnisse aus eigener Kraft erfüllen zu können, zu all den Dingen, die Paulus als «Sünde» auflistet: Neid, Gier, Selbstsucht, Wut, Lügen und so weiter.

Leben in Verbundenheit

Die andere Seite ist das Leben in der Freiheit, die Gott gibt:

  • Die Gewissheit, einen Platz in der Welt zu haben
  • Vertrauen, dass man nicht zu kurz kommt
  • Sich selbst und anderen helfen; füreinander da sein
  • In Beziehung leben, mit anderen Menschen und mit Gott
  • Der Ausgangspunkt hier ist das Bewusstsein, dass man das eigene Angenommensein nicht selbst erarbeiten kann – und das auch nicht muss. Fromm ausgedrückt: «Gnade».

Diese zweite Haltung führt zu Verbundenheit, Rücksicht, Grosszügigkeit, Empathie, Offenheit, Vertrauen.

Um es auf den Punkt zu bringen: Entweder, ich schaue nur auf mich. Oder ich versuche, in Verbindung mit anderen Menschen und mit Gott zu leben. (Das hat übrigens auch Jesus gepredigt).

Veränderung von innen heraus

Das ist der Kontrast. Es geht gar nicht um die Frage, ob der Mensch von Natur aus schlecht ist oder Lust auf moralisch schlechte Dinge hat, und wenn jemand beginnt, an Gott zu glauben, plötzlich einen anderen Charakter erhält.

Sondern es geht darum, dass sich unser Mindset ändert, wenn wir wissen, dass wir einen Platz in der Welt haben. Wenn jemand zu uns sagt: «Wenn du denkst, du seist allein, stimmt das nicht – Gott liebt dich und du bist wichtig.»

Es bedeutet, zu wissen, dass ich ein Teil von etwas Grösserem bin. Dass ich nicht alles in der Hand habe – und dass das normal und sogar gut ist. Dass ich mich nicht selbst absichern muss.

Dass die Welt vernetzt ist. Dass Gott, der Geist Gottes, uns in vielerlei Gestalt begegnen kann.

Dass es Neuanfänge, Vergebung, zweite und dritte Chancen gibt. Oder dass Empathie und Nächstenliebe viel stärker sind als Isolation und Trennung.

Für mich ergibt diese Erklärung sehr viel Sinn. Dass eine Denkweise der Verbundenheit von innen heraus kommt und Auswirkungen auf das eigene Verhalten hat. Und dass ein Vertrauen ins Leben, in Gott, etwas ist, das man nicht einfach «machen» kann. Sondern Gnade ist, wenn man so will.

 

Wer noch ausführlicher darüber nachdenken will: Im Philosophie-Podcast «MindMaps» diskutieren Heinz-Peter Hempelmann und Manuel Schmid über das Buch «Im Grunde gut» von Rutger Bregman.

4 Kommentare zu „Ein «göttliches» Mindset, oder: Sind wir Menschen im Grunde gut oder schlecht?“

  1. Liebe Evelyne, danke für deine Gedanken! Auch ich kann mit der Ansicht, dass der Mensch von Grund auf böse sei, nichts anfangen. Wenn man ein neugeborenes Kind sieht, dann weiß man, dass alles gut ist. Wenn die Kinder dann größer werden, sind wir als Eltern hin- und hergerissen. Einerseits freuen wir uns, dass sie selbstständig werden und einen eigenen Willen entwickeln. Und andererseits macht das unser Leben komplizierter, aber auch spannender. Das große Kunststück in der Erziehung und auch für uns alle besteht darin, einen richtigen Mittelweg zwischen Selbstständigkeit und Verbundenheit zu finden. Liebe Grüße! Klaus

  2. Danke, liebe Evelyne, die Frage ist wichtig. Ich denke auch, dass es falsch ist, zu sagen, dass wir alle völlig verdorben sind und nichts Gutes tun können. Eine Mutter, die für das Wohl ihres Kindes auf Schlaf oder Essen verzichtet, ist in diesem Moment gut – ob sie nun Christin ist oder nicht. Aber was ich erlebe – und das ist auch der Punkt, auf den Paulus in Gal. 5 hinweist – ist, dass wir Menschen dazu neigen, „die Lüste des Fleisches zu vollbringen“, wie Luther es ausdrückt. Wir alle haben Lüste, die auf Egoismus beruhen und uns tendenziell verführen. Und Paulus spricht hier von der Frucht des Geistes. Es ist Gottes Geist, der mich befähigt, meinen natürlichen Lüsten zu widerstehen und das zu tun, was Gott wohlgefällig ist. Ich bin nicht überzeugt, dass die vielen Gutmenschen, die überall liebevoll und positiv leben wollen, ihre Pläne verwirklichen können, wenn Gottes Geist sie nicht dazu befähigt.

    1. Evelyne Baumberger

      Lieber Viktor, danke für den Kommentar! Ich glaube auch, dass uns Gottes Geist dazu befähigt. Und bekanntlich weht diese Geistkraft an vielerlei Orten – vielleicht auch bei den „Gutmenschen“, wie du sie nennst… 🙂 Herzlich, Evelyne

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