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Die Evolutionsidee und wie wir unsere Geschichte verstehen

«Nichts in der Welt ist mächtiger als eine Idee deren Zeit gekommen ist» – dieses bekannte (sinngemässe) Zitat von Viktor Hugo trifft zweifellos auf die Idee der Evolution zu, die gemeinhin mit der Person Charles Darwins verbunden wird.

Die Vorstellung einer Entwicklung der biologischen Arten und des Menschen im Laufe der Zeit ist natürlich älter als Darwins epochale Studie «On the Origin of Species» (1859). Aber durch die von ihm wesentlich geprägte Evolutionstheorie und den geistesgeschichtlich schon populären Fortschrittsgedanken trat die Idee der Evolution einen Siegeszug durch ganz verschiedene Wissenschaftsfelder und Lebensbereiche an.

Manuel und Stephan diskutieren, wie einflussreich die Idee der Evolution weit über die Biologie hinaus geworden ist und wie daraus ein Evolutionismus wurde, ein Paradigma, mit dem die ganze Welt interpretiert wurde: Irgendwie ist doch alles in einer evolutiven Entwicklung begriffen – die Religionen und Glaubensvorstellungen, die Zivilisationen und Kulturen, die Sprache und das Denken des Menschen!

Evolution = Gottes Heilsplan?

Aber wie weit trägt diese Überzeugung, wie angemessen ist diese Brille zur Wahrnehmung der Wirklichkeit? Am Beispiel verschiedener Geschichtsverständnisse spielen Stephan und Manuel durch, wie sehr unsere grundsätzliche Sicht, unser grosses Narrativ bestimmt, wie wir die Menschheitsgeschichte wahrnehmen und einordnen.

Der Gedanke der Evolution lebt von einem linearen, zielgerichteten Verständnis der Geschichte – und dieses kann auch unmittelbar am christlichen Glauben an Gottes Heilsplan mit dem Menschen anschliessen (auch wenn sich das Christentum mit der biologischen Evolutionstheorie anfänglich schwergetan hat).

Alternativlos ist dieses Verständnis aber nicht:

Man kann die Geschichte der Menschheit auch dialektisch verstehen, als eine Entwicklung, die sich erst durch Rückschläge und Fehltritte erst weiterbewegt – oder man kann sie disruptiv verstehen: Die Menschheitsgeschichte kommt in diesem Falle nur weiter, wenn Gott überraschend und unplanbar eingreift und ganz neue Verhältnisse schafft.

Geschichte als Zyklus

Historisch am weiteresten verbreitet und am ältesten ist aber ein zyklisches Bild der Geschichte, in der sich alles wiederholt. Auch diese Vorstellung ist hochaktuell und hat prominente Vertreter:innen in unserer Zeit.

Oder müsste man vielmehr für der Verzicht auf all diese Versuche plädieren, unsere Geschichte in einen umgreifenden Rahmen zu passen und auf den Begriff zu bringen? Dafür setzt sich ein postmodernes Geschichtsverständnis ein, das nicht an eine Menschheitsgeschichte glaubt, sondern an eine Vielfalt von Geschichten, in denen gerade auch die Verlierer und Unterdrückten vorkommen…

Welche Erklärung überzeugt dich am meisten?

10 Gedanken zu „Die Evolutionsidee und wie wir unsere Geschichte verstehen“

  1. Ich habe vor ein paar Tagen einen älteren Podcast von Martin Benz angehört in welchem er seine Beobachtung schildert, verändern würden sich Menschen aus dreierlei Gründen. Nämlich 1. aus einem Leidensdruck 2. aufgrund von Einsicht/Erkenntnis und 3. durch Wachstum/Reifung. Das fand ich schon sehr treffend. Wenn ich diese Beobachtung jetzt auf unser Thema hier übertrage, vermute ich, es trifft alles zugleich zu. Es sind zu viele verschiedene Prozesse, die sich gegenseitig beeinflussen oder auch einfach nur mal parallel ablaufen. Gewollt, ungewollt, gezwungen, zum Guten, zum Schlechten.Warum sollte Gott nur einen Pfeil im Köcher haben?

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  2. Hallo zusammen
    In den ersten ca. 10 min: you blow my mind!
    Genau, habe ich gedacht, davon bin ich überzeugt und die moderne, aufgeklärte Wissenschaft untermauert das, vorallem die Entwicklung der Religion- ist meiner Ansicht einfach noch nicht bei allen angekommen oder wird schlichtweg ignoriert und verneint…
    Die Evolutionstheorie ist die Theorie, die gegenwärtig am besten von den Wissenschaften untermauert und bestätigt wird und in allen Bereichen anerkannt ist und am meisten austrägt: that’s the fact! Danke!
    Dann aber hängt ihr mir plötzlich zu lange am christlichen Geschichtsvertändnis, zeigt da aber auch auf, wie religiculous äh ridiculous gewisse “Entrückungsphantasien” sind .
    Das zyklische Geschichtsbild ist antik und ihr behandelt das auch interessant, aber sollte der Podcast nicht eher: “Geschichtsbilder der westlichen Welt” heissen?

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  3. Fortschritt als ein Ideal sehen, das Scheitern kann, erscheint mir realistisch.

    Zur Erreichung dieses Ideals kann ein evolutionstisches Weltbild Energien freisetzen (- aber rein theoretisch können das auch Lügen).

    Rüdiger Safranski arbeitet mit dem Begriff der Polymythie. Immer mehrere Asse im Ärmel haben. Geschmeidig hinter den Linien der Erkenntnis. Prinzipien und Ideen kontext- und situationsbezogen anwenden.

    Jostein Gaarder schlägt in Sophies Welt eine Art Versatzstückrad vor: so sei die Renaissance in der Romantik wiedergekommen – nur dunkel statt hell.

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  4. Schöpfung ist Evolution. Wir sehen eine Stufenfolge bereits im Schöpfungsbericht. Am Anfang ist das Einfache, am Ende steht das komplexeste Wesen: der Mensch.
    Diese Evolution ist aber nicht der Darwins gleichzusetzen, die ja von der Umwandlung bereits bestehender Organismen ausgeht. Die Evolution begann auch nicht mit einem Urknall, denn die Wissenschaft setzt Materie an den Anfang. Es ist aber das Leben an sich, aus dem sich alles gesetzmässig entwickelt hat. Ich habe versucht das aufzuzeigen: https://www.academia.edu/47776276/Ursprung_und_Ziel_Wie_die_Evolution_weitergeht_ (man kann es auch hier lesen: https://drive.google.com/file/d/1QTQTvKZCdW8EyCRbnBzNequwxIve5FgV/view ) Nun, kann die Evolution nur fortschreiten, wenn der Mensch sich durch die christliche Wiedergeburt Zum Bild Christi hinentwickelt.
    Eine Widerlegung aller naturalistischen Weltanschauungsansprüche findet man hier: https://www.academia.edu/115026772/Der_unbekannte_Kant

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  5. Ich habe bisher nur den Begleittext gelesen: Was soll an der Evolutions “linear zielgerichtet” sein? Da ist doch gar nichts linear! Evolution reagiert auf Veränderungen – und was von diesen (zufälligen) Reaktionen hilfreich ist, setzt sich durch. Alles andere fällt weg. Und manchmal setzt sich unterschiedliches durch. Was soll daran linear und zielgerichtet sein?

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  6. Noch mal zum “Ziel”: Leben ist Veränderung. Wenn sich nichts mehr verändert gibt es auch kein Leben mehr. Wenn Leben ein Ziel hätte: Wäre das nicht das Ende allen Lebens?

    Evolution braucht kein Ziel. Evolutionstheorie beschreibt Mechanismen der Veränderung, die aber nicht auf ein Ziel hin laufen, sondern ziellos passieren – und, wenn sie sich nicht als lebensfähig erweisen – auch aussterben.
    Evolution ist der “Versuch”, zu überleben. Und Glaube ist der Versuch, dabei nicht zynisch und / oder hoffnungslos zu werden.

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    • Danke Bernd! Da bin ich zu wenig bewandert – ich meine aber mitbekommen zu haben, dass es Diskussionen um die teleologische Qualität der Evolution gibt… Könnte man vielleicht sagen, dass die Evolution das Ziel des Überlebens (qua Reproduktion) verfolgt?

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  7. Zitat: “Irgendwie ist doch alles in einer evolutiven Entwicklung begriffen.”

    Wenn das der Fall ist, (dann) ist — denknotwendig — auch die Idee der Evolution selbst in einer evolutiven Entwicklung begriffen! Victor Hugo auf den Kopf (oder die Füße?) gestellt, hieße dann eben: “Nichts in der Welt ist mächtiger als die Idee einer Idee, deren Zeit gekommen ist.”

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    • Sehr schön – danke für diesen berechtigten meta-kritischen Einwurf! Und tatsächlich haben wir ja auch so etwas wie eine Geschichte des Evolutionsgedankens nachgezeichnet, also durchaus etwas wie eine Evolution der Evolution…

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