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 Lesedauer: 6 Minuten

Der Tag, an dem alles schiefgelaufen ist

Reisen ist momentan etwas mühsamer als wir das aus Prä-Pandemie-Zeiten gewohnt sind. Mir war und ist das sehr bewusst. Auch dass es zu hundert Prozent meine eigene Wahl war, dennoch zu reisen. Darum möchte ich mich nicht beschweren, sondern auf eine viel spannendere Ebene zielen. Nämlich:

Wie ist das, wenn alles schief geht?

Es begann damit, dass ich für meine Heimreise einen Covid-Test brauchte. Meine Freunde leben im Wald und sind nicht so à jour, was diese Tests betrifft. Weshalb auch – niemand braucht einen Covid-Test, um mit den Bäumen zu meditieren. Ein paar Tage vor Abflug schaute ich also nach, wo und wie ich zu so einem Test kommen könnte. Erfolglos.

Ich wusste, aso guet, das Leben wird sich darum kümmern – eine leichte Nervosität im Hinterkopf jedoch blieb.

Ich war zumindest teilweise davon überzeugt, dass dies eine Aufgabe für mich als Person ist.

Am Montag, dem Tag der geplanten Heimreise, fuhr ich in die Stadt. Dort sollte es ein Testcenter haben, das für Laufkundschaft geöffnet ist. Dummerweise war dieses geschlossen – und der nächste verfügbare Termin erst in fünf Tagen.

Alles nicht so toll – die Anspannung steigt

Ich überspringe nun die Details des furchtbaren US-amerikanischen Gesundheitssystems und sage bloss: Nach einer Stunde am Telefon, fuhr ich ohne Erfolg wieder zurück auf den Berg, in unseren Wald. Am Flughafen gibt es auch Testmöglichkeiten, beruhigte ich mich. Ich packte meine Siebensachen und statt meiner Freundin fuhr mich ein Taxi zum Flughafen. Das fand ich zunächst nicht so toll (weil «ich kann doch diese ganze Unsicherheit nicht alleine aushalten!», meinte mein Kopf), das entspannte sich jedoch rasch wieder.

Prompt gerieten wir in einen Stau, aufgrund eines Unfalls. Wir standen, krochen über den Highway, da fiel mir ein: Shit, das Flughafentestcenter schliesst um 18 Uhr. Es war bereits 17 Uhr. Meine Anspannung stieg.

Nun muss ich vielleicht erwähnen, dass solche Momente in meinem Leben grosse Ausnahmen sind. Normalerweise läuft es sehr geschmiert und grossartig. Ich war also umso irritierter.

Warum läuft alles so schief?

Um fünf vor sechs sprang ich aus dem Taxi, diretissimo in eine wenig anmächelig lange Warteschlange vor dem Testcenter. Um sechs wurden die Türen ohne weiteren Kommentar geschlossen. Ich trottete also ohne Test zum Swiss-Schalter.

Naiv wie ich manchmal bin, dachte ich, die nehmen mich als Schweizerin ja wohl mit und ich teste dann in Zürich.

Nope. «Unfortunately, we cannot do that Madam, you have to rebook your flight Madam», hiess es. «Just make sure you have your test tomorrow». Mhm. Das war der Moment, in dem ich es dann wüki nicht mehr toll fand. Wollte ich doch einfach nur nach Hause. Weinend rief ich meine Freundin im Wald an. «Es kümmert die einen Scheiss! Ich bin denen völlig egal!», schluchzte ich dramatisch. Sie kümmerte sich rührend und half mir, ein Hotel in der Nähe zu finden. Der Wald war in dem Moment zu weit weg, um zurückzugehen.

In der Warteschlange vor dem Corona-Testcenter zuvor traf ich Reisende, die ebenfalls gestrandet waren. Man gab mir Tipps, wie und wo ich zu einem Test kommen könnte. Man erzählte mir aber auch von Tests, deren Resultat einfach nie ankam. Uff. Die Vorzeichen standen alles andere als gut.

Im Hotel angekommen, war klar: Girl, you gotta look at what’s true, statt in der Geschichte von «Niemand kümmert sich um mich» herumzusuhlen. Das hilft auch nicht weiter. Wahr war: Ich war sicher und aufgehoben in einem warmen Bett, hatte Essen und einen Flug am nächsten Tag. Einen Tag später heimzukehren ist nicht weiter schlimm, meine Katzen waren gut aufgehoben. OK. Gut.

Wann kommt ENDLICH die Lösung?

Ich wusste, irgendwie wird dieser saublöde Test passieren. Hatte auch einen Termin am nächsten Morgen, doch nach den Schauergeschichten der anderen Reisenden war ich nicht allzu sicher, dass der zielführend sein wird.

Am nächsten Morgen ging ich relativ frohen Mutes zu meinem Test.

Das Gefühl, ja das Wissen um das Wohlwollen des Lebens war stark, trotz allem.

Beim Testcenter angekommen, warteten bereits rund 20 Autos (jaja, Drivethru Corona-Tests sind ein Ding), doch ich hatte ja Zeit. Natürlich musste es erst nachli gschissner werden: Die Personen in den Schutzanzügen informierten mich, ihre Server seien leider ausgestiegen und niemand wisse, wann das System wieder hochgefahren werden könne.

Ob die Testresultate am selben Tag noch ausgeliefert werden können, war ebenfalls zweifelhaft. Ech. Läuft immer noch nicht so rund, hä. Ich warf mich schon fast ins Vertrauen hinein, dass dieser f*cking Test irgendwie schon passieren werde. Es war aber auch so klar:

Ich kann hier rein gar nichts machen, die Sache liegt sowas von ausserhalb meiner Wirkungsmacht.

Das erlösende Wunder

Mit den paar wenigen Menschen, die ebenfalls zu Fuss vor Ort waren, kam ich schnell ins Gespräch. Ein älteres englisches Paar und ihre Tochter wollten ebenfalls am selben Tag fliegen. Sie waren um einiges entschlossener als ich, die Situation irgendwie zu lösen. Und plötzlich sagte die Tochter, jemand komme zum Haus ihrer Schwester in 20 Minuten für den Test. Sehr unschweizerisch mischte ich mich ein und fragte, ob sie mich wohl vielleicht eventuell exgüsi mitnehmen würden.

Nach kurzem Zögern und Abchecken, ob die Schwester das auch OK findet, dass da eine Fremde mitkommt, sass ich im bereits bestellten Taxi der Familie. Die drei hinten, ich vorne, mein Gepäck echli überall. In einer sehr poshen Gegend endete unsere Fahrt. Das Haus der Schwester war eine Villa mit Pool, extrem fancy. Kurze Zeit später kam eine fröhliche Krankenschwester daher, die im Handumdrehen unsere Tests abnahm. Um die Bezahlung könne ich mich später kümmern, versicherte mir die Hausherrin.

Das war es, das war die Lösung, die so offensichtlich nicht meinem eigenen Tun entsprungen ist. Ein Wunder.

Natürlich weinte ich vor Erleichterung. Auch als ich wieder vor dem Haus stand, auf mein Taxi wartete (so viele Taxifahrten in dieser Geschichte!) und ich einem älteren amerikanischen Paar die Geschichte erzählte (so viele Gespräche mit Fremden!).

Festhängen im Unbekannten – Gfürchig und fantastisch zugleich

Ja, es ging bloss um einen Covid-Test. Ja, es ging bloss um einen Rückflug. Dennoch:

Wenn du in diesem Zwischenraum festhängst, im Unbekannten, ist es nicht so einfach, weiterhin zu vertrauen.

In meinem Fall wusste ich aus Erfahrung, dass das Unbekannte wohlwollend ist. Dass ich grundsätzlich sicher und aufgehoben bin. Letztlich, weil das Leben selbst aus Wohlwollen, Sicherheit und Aufgehobensein «gewoben» ist. Ohne dass dies hiesse, unbequeme Momente oder Schmerz auszuklammern. Wer jetzt fragt, was es mit dem Elend der Welt auf sich hat:

Das ist nicht meins zu interpretieren. Ich kann bloss beim Eigenen mit messerscharfer Aufmerksamkeit und Ehrlichkeit hinschauen.

Und manchmal im Nachhinein eine immense Intelligenz durchschimmern sehen.

In der nächsten Folge von «Holy Embodied» nehmen Patrick Schwarzenbach und ich das Thema auf und drehen es weiter. Was hat es mit der Angst vor diesem Unbekannten auf sich? Weshalb signalisiert der Körper manchmal in harmlosen Situationen Gefahr? Die Episode findet ihr am 28. Januar auf allen Podcast-Kanälen. Übrigens: Niemand wollte mein Geld für diesen privaten Test, sie seien «happy» die Kosten für mich zu übernehmen, meinten die Briten. Unfassbar, nöd?!

 

Photo by White Field Photo on Unsplash

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