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 Lesedauer: 3 Minuten

Eine Frau – eine Bestandsaufnahme

Ich bin eine Frau.

Ich bin 32 Jahre alt.

Ich bin 14 und kaufe mir meinen ersten Rasierer, um mir die Beine zu rasieren. Warum genau, weiss ich nicht.

Ich werde sauer, wenn ich feststelle, wie Frauen in öffentlichen Positionen nach wie vor sexistisch behandelt und objektiviert werden.

Ich bin eine Frau und weiss ziemlich genau, was ich tun/sagen muss, um zu bekommen, was ich will. Ich habe gelernt meinen Körper zu meinem Vorteil einzusetzen.

Ich bin 28 und man(n) sagt mir, Frauen sollten zum Talar keine offenen Haare/ keine hohen Schuhe/ keine lackierten Nägel/ keine roten Lippen/ (entsprechend zu ergänzen) tragen.

Ich habe vielerlei Formen von sexueller Belästigung, sexuellen Übergriffen, Sexismus und Misogynie mitbekommen und selbst erlebt. Und erlebe es immer noch.

Ich bin eine weisse Frau. Wenn mir im öffentlichen Raum etwas zustösst, wird mir ziemlich wahrscheinlich geholfen.

Ich bin 26 und der Mann auf meinem Heimweg geht so dicht hinter mir, dass ich die fremde Frau, die mir entgegenkommt, bitte, bei mir zu bleiben.

Ich bin ausgebildete Pfarrerin. Ein Beruf, der patriarchal geprägt ist und jahrhundertelang mit Machtdemonstration und auch -missbrauch einherging.

Ich weiss nicht immer, ob ich wirklich tue, worauf ich Lust habe, oder was davon nur von einer heteronormativen Gesellschaft auf mich projiziert wird.

Ich bin 16 und habe das erste Mal meine Periode. Im Feriencamp. Irgendjemand gibt mir eine Binde. Es fühlt sich an, als würde ich eine Windel tragen müssen.

Ich bin eine Frau und ich glaube an Gott. Gott ist für mich nicht binär und nicht personal. War sie noch nie.

Ich habe schon früh gelernt, wie ich mich anzuziehen habe. Je nach System, in welchem ich mich befinde. Ich weiss, wann welche Rocklänge angemessen ist.

Ich bin 32 und habe wunderbare, starke Frauen als Freund:innen, die mich inspirieren, stärken und zu einem besseren Menschen machen.

Ich stelle fest, dass sogar Menstruationshygieneartikel mittlerweile nach ungeschriebenen Gesetzen bewertet werden. Tassen sind ja sehr klimafreundlich.

Ich bin eine Frau und date. Wenn mein Gegenüber anfängt, mir die Welt zu erklären, drifte ich mit meinen Gedanken ab und frage mich, warum ich mir das Ganze überhaupt antue.

Ich bin 24 und meine Professor:innen diskutieren darüber, weshalb die Theologische Fakultät ein Gleichstellungskonzept benötigt. An der Diskussion sind 5 Männer und eine Frau beteiligt.

Ich habe gelernt, meine Gefühle zu rationalisieren, um mit meiner Meinung ernst genommen zu werden. In Diskussionen achte ich darauf, langsam und mit tiefer Stimme zu sprechen.

Ich bin eine Frau und kann meinen Körper zumindest meistens so annehmen, wie er ist. Ich habe trotzdem Angst vor dem Alter.

Ich bin 18 und mein erster Freund leidet an Bulimie.

Ich bin eine Frau, ich habe studiert. Ich bin ein Arbeiterkind. In Akademikerkreisen fühle ich mich fehl am Platz.

Ich bin eine Frau. Ich weiss seit über 10 Jahren, ich will keine Kinder bekommen.

Ich bin 22 und arbeite als Pizza Ausfahrerin. In die problematischen Stadtbezirke schicken sie meine männlichen Kollegen.

Ich bin 32 und rasiere mir nach wie vor die Beine. Mittlerweile weiss ich, dass ich das nicht zwingend tun muss. Ich mache es trotzdem.

Ich bin 32 Jahre alt.

Ich bin eine Frau.

1 Kommentar zu „Eine Frau – eine Bestandsaufnahme“

  1. Sehr schön prägnant und ehrlich geschrieben!
    Glückwunsch, erst seit 16 musst du dich monatlich durchquälen!!🥴
    Es sollte fairerweise auch Vorschriften für Pfarrer/Priester geben, wie weit ihr Bauchumfang oder wie lang ihr Bart sein darf…

    Das Foto zum Text hat mich irritiert…Was waren die Gründe für die Auswahl dieses Bildes, das so klischeehaft weiße Frauen zeigt, die einem bestimmten Modeideal und einem barbie-mäßigen Körperideal entsprechen?
    Weshalb nicht ein Titelbild wie zB das hier: https://www.theglobeandmail.com/resizer/_bx55ChY2xLo7NsjoDTtnAdNZDU=/1200×0/filters:quality(80)/arc-anglerfish-tgam-prod-tgam.s3.amazonaws.com/public/QVKJJ3SB2NGUZHMJNWDRX6LA7Y

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