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 Lesedauer: 6 Minuten

Warum ich Läderach-Schokolade liebe

Die Weltmeisterin unter den Schokoladen

Ok, die Titelfrage ist eigentlich schnell beantwortet: Ich liebe die Schokolade von Läderach, weil es schlicht das Beste ist, was die Schweiz in Sachen Schokolade zu bieten hat. Keine der grossen Marken kann der Läderach-Schoggi auch nur im Entferntesten das Wasser reichen: nicht Lindt, nicht Cailler, nicht Camille Bloch, ganz sicher nicht Toblerone. Und nein, auch nicht die vielgerühmte Zürcher Sprüngli-Schoggi.

Nicht völlig frei von Nationalstolz würde ich sogar sagen:

Bis zum Beweis des Gegenteils ist diejenige von Läderach für mich die beste Schoggi der Welt.

Wer jetzt etwas von belgischer Schokolade nuschelt: ich hab sie mehrfach probiert, und ich war unterwältigt. Und wenn ich irgendeinen Deutschen «Ritter-Sport» oder «Milka» auch nur flüstern höre: er sei mit Verachtung bestraft.

Der Glarner Schokoladenhersteller macht etwas ganz hervorragend und konkurrenzlos gut: Schokolade herstellen.

Misshandlung im Namen Gottes

Trotzdem verschlug es mir letzte Woche vorübergehend den süssen Appetit. Ich hatte die SRF-Dokumentation gesehen, welche die himmelschreienden Missstände in einer evangelikal-fundamentalistischen Gemeinde und einer daran angeschlossenen Schule aufdeckte: Jürg Läderach, der ehemalige Patron der Schokoladenfirma Läderach hat die Schule mitbegründet und mitfinanziert.

Über Jahre hinweg wurden dort Kinder zur «Züchtigung» geschlagen, oft mit dem Gürtel auf den nackten Hintern.

Die körperlichen Misshandlungen und eine Atmosphäre der Angst und der geistlichen Manipulation führte zu psychischen Schädigungen und Traumata, welche den Betroffenen bis heute ins Gesicht geschrieben steht. Dass sie den Mut gefunden haben, an die Öffentlichkeit zu treten, obwohl der Läderach-Patron mit Gerichtsverfahren für alle «Verleumder» gedroht hat, verdient meinen Respekt. Und die Geschichten der Menschen gehen mir nach.

«Da bleibt mir die Schokolade im Halse stecken», habe ich nach diesen Enthüllungen auf Social Media gepostet.

Eine verbrannte Marke

Offenbar geht es nicht nur mir so: In einer SRF-Umfrage geben mehrere befragte Passanten zu verstehen, dass sie nach der Dokumentation einen Bogen um die Läderach-Schoggi machen. Das deutsche Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» schreibt ebenso pointiert wie polemisch von «Schokolade, die nach Kindertränen schmeckt».

Die Marke ist verbrannt, könnte man sagen.

Das haben auch die Verantwortlichen des Zürcher Film-Festivals gemerkt, weshalb sie gestern verlauten liessen, ihre Partnerschaft mit Läderach zu beenden. Das Leid der mutmasslichen Opfer würde mit dem Familien- und Firmennamen in Verbindung gebracht, obschon gegen die aktuelle Firmenleitung keine Vorwürfe im Raum stünden, schrieb das Festival-Management laut SRF. Auch weitere Kooperationen sind gefährdet.

Das alles ist verständlich und nachvollziehbar. Ich war von den dokumentierten Missständen im Umfeld der Läderach-Familie auch derart angewidert und abgestossen, dass sich mein unmittelbares Distanzierungsbedürfnis auch auf meine heissgeliebte Schokolade ausdehnen wollte.

Falsch ist es trotzdem.

«Läderach» ist nicht Jürg Läderach

Der ins Kreuzfeuer der Kritik geratene Jürg Läderach hat die Leitung der Firma schon 2018 an seine Söhne abgegeben. In einem Interview der Sonntagszeitung (und in Berichten anderen Printmedien) gibt der jetzige CEO und Verwaltungsratspräsident der Schokoladenfirma, Johannes Läderach, zu verstehen, dass der ins Kreuzfeuer der Kritik geratene Vater in keiner Weise mehr in die Firma involviert ist und auch nicht mehr an deren Gewinn beteiligt ist.

Dass man mit dem Kauf von Läderach-Schokolade indirekt die besagte Schule mitfinanziert, ist also eine unberechtigte Befürchtung.

Ausserdem wurde klar, dass Johannes Läderach schon im Jahr 2022 einen unabhängigen Untersuchungsbericht durch den Bundesrichter Niklaus Oberholzer in Auftrag gegeben hat, um die Missstände an der besagten Schule zu untersuchen und aufzudecken – der Bericht ist jedem zugänglich und nimmt vorweg, was die SRF-Dokumentation dann öffentlichkeitswirksam verbreitete.

Die Opfer boykottieren?

Für manche spielt das alles offenbar keine Rolle: «Die stecken doch sowieso alle unter einer Decke», hat mir jemand zurückgeschrieben, als ich darauf hingewiesen habe, dass die Beschuldigungen den Ex-Chocolatier und nicht die aktuelle Geschäftsleitung betreffen.

Das kann man unterstellen – man läuft dabei aber Gefahr, auf perfide Weise Opfer und Täter umzukehren.

Schon die SRF-Dokumentation macht deutlich, dass die Söhne von Jürg Läderach gleichfalls in die kritisierte Schule gingen und die dortigen Verhältnisse hautnah miterlebten. Johannes Läderach bestätigt das ausdrücklich und spricht von einem Klima der Angst – und er verurteilt die Machenschaften der Schule scharf.

Wer meint, aufgrund der himmelschreienden Enthüllungen um den ehemaligen Schoggi-Patron jetzt die Firma Läderach boykottieren zu müssen, schiesst am Ziel vorbei – und bestraft letztlich diejenigen, die selber unter der demagogischen und missbräuchlichen Pädagogik litten, die Jürg Läderach damals mit unterstützt hat.

Was mich als Konsument interessiert

Aber sind denn nicht auch die Söhne der Läderachs noch Teil konservativer christlicher Kreise mit reaktionären Ansichten? Das kann ich schwer beurteilen – Johannes Läderach gibt in aktuellen Interviews jedenfalls zu verstehen, dass es sich vom moralistischen, legalistischen Glaubensverständnis seiner Herkunft verabschiedet hat, und ich habe wenig Grund, ihm diese Entwicklung nicht zuzugestehen.

Vor allem aber ist es mir als Konsument (!) völlig egal.

Wenn ich Schokolade kaufe, dann interessiert es mich überhaupt nicht, ob der Chocolatier meine politische Meinung oder mein Weltbild teilt. Es interessiert mich nur, ob die Schokolade gut ist.

Ja, klar: Als kritischer Zeitgenosse ist es natürlich von Belang, unter welchen Arbeitsbedingungen die Kakaobohnen geerntet werden, ob ein Hersteller ökologisch verantwortlich handelt und ob eine Firma ihre Mitarbeitenden menschenwürdig behandelt und angemessen bezahlt. Bei all dem geht es aber um ethische Fragen, die mit dem Produkt und seinem Hersteller unmittelbar zusammenhängen, nicht um das Privatleben der Vorgesetzten oder Angestellten.

Lassen wir Schokolade Schokolade sein

Unter dem Titel «Er ist ein Arsch, aber ich mag seine Brötchen» habe ich mich schon vor einiger Zeit gegen die zunehmende politische und moralische Aufladung sämtlicher Lebensbereiche und Alltagsinteraktionen ausgesprochen (und auch dort war der ehemalige Patron von Läderach bereits ein Thema).

Ob der Bäcker, bei dem ich die Brötchen kaufe, die AfD wählt, Sadomaso-Spiele liebt, seine Steuern hinterzieht, seine Frau betrügt oder ein miserabler Vater ist – oder ob die Versicherungsvertreterin, die mir eine neue Krankenkasse verkauft, sich in ihrer Freizeit aus Klimagründen an die Strasse klebt oder bei einer Querdenker-Demo mitläuft: all das geht mir, pardon, am Hintern vorbei.

Es mag meine Verantwortung als Christ, Nachbar, Bekannter solcher Menschen sein, mich für ihr Leben zu interessieren, mich mit ihren Überzeugungen auseinanderzusetzen oder bei bedenklichen Entwicklungen zu intervenieren – als Kunde geht mich das alles nichts an. Es ist kompliziert genug, sich halbwegs um die erwähnten Fragen der Herstellungs- und Anstellungsbedingungen zu kümmern (und ganz ehrlich: in den meisten Fällen entzieht sich auch das unserer Kenntnis) – eine Prüfung der Geisteshaltung und politisch-mentalen Passung von Unternehmerinnen und Verkäufern sollten wir uns sparen, von mir aus auch im Namen der evangelischen Unterscheidung von Person und Werk.

Lassen wir Schokolade Schokolade sein. En guete!

10 Kommentare zu „Warum ich Läderach-Schokolade liebe“

  1. Bravo!
    Dir ist gelungen zu sagen, was mir die ganze Zeit durch den Kopf ging, ohne es in Worte fassen zu können. Hervorragend formuliert, Danke.

  2. Echt jetzt…?!
    Kürzlich hat eine Frau in einem Interview gesagt; „Sie verurteile auch was dort in der Schule passiert sei, man solle aber fair bleiben und nicht die unbeteiligten, Angestellte, die neue Generation etc., abstrafen“. Dem stimme ich zu.
    Dieser, dein Artikel ist jedoch ignorant und antagonistisch. So im Stil „ich finde die katholische Kirche gut, geht mir am Allerwertesten vorbei (um deine Worte aus diesem Artikel zu bemühen), was die Priester mit den Kindern machen.
    Mag dein Grundanliegen auch nachvollziehbar sein, ist es aber trotzdem verwerflich wenn man es herunterspielt, gar ins lächerliche zieht!

    1. Mein Beitrag provoziert, das war mir schon klar. Du hast ihn aber offensichtlich völlig missverstanden oder maximal missgünstig gelesen. Schade.

      1. Lieber Manuel, danke für deine Antwort auf meine, zugegeben etwas harscher, Kritik. Ich denke aber, dass du meinen Kommentar nicht verstanden hast? Hätte ich deinem Kernanliegen zwei mal zugestimmt, wenn ich es „völlig falsch verstanden“ hätte? Was aber „maximal missgünstig“ sein soll, das erschliesst sich mir nicht.
        Ich finde es eben nicht nur provokativ, wenn man ein zurzeit sehr heikles Thema versucht locker flockig abzuhandeln. Was ich davon halte, habe ich bereits in meinem Kommentar erwähnt. And last but not least, wenn man sich entscheidet, ein Thema in einem gewissen Stil zu behandeln, sollte man dann nicht auch Kritik ertagen?

  3. Lieber Manuel, danke für deine Antwort auf meine, zugegeben etwas harsche Kritik. Ich denke aber, dass du meinen Kommentar nicht verstanden hast? Hätte ich deinem Kernanliegen zwei mal zugestimmt, wenn ich es „völlig falsch verstanden“ hätte? Was aber „maximal missgünstig“ sein soll, das erschliesst sich mir nicht.
    Ich finde es eben nicht nur provokativ, wenn man ein zurzeit sehr
    heikles Thema versucht locker flockig abzuhandeln. Was ich davon halte, habe ich bereits in meinem Kommentar erwähnt. And last but not least, wenn man sich dazu entscheidet, sich zu einem Thema zu äussern, sollte man dann nicht auch Kritik ertagen können?

  4. Sehr geehrter Herr Schmid
    Ihr Satz „als Kunde geht mich das alles nichts an“, mit dem habe ich meine liebe Mühe. Konsumiere ich Atomstrom oder nicht? (ich kann das bei den meisten Stromlieferanten entscheiden),. Konsumiere ich Heizöl aus Russland? Andere Stichwörter sind in diesem Zusammenhang: Fairtrade, Konzernverantwortungsinitiative. Ich trage für meine Entscheide die Verantwortung. Aber, ich muss mit dieser Verantwortung verantwortungsvoll umgehen. Ich soll keine Unternehmung ruinien, weil der ehemalige Besitzer … . Ich muss mein Bankkonto bei der CS nicht auflösen, weil die ehemaligen Chefs … .
    Aber der Satz „als Kunde geht mich das alles nichts an“, der greift wirklich nicht weit genug!
    Freundliche Grüsse
    Ralf Pfaff

    1. Danke lieber Herr Pfaff für die Rückmeldung – mit der ich herzlich übereinstimme: natürlich muss es uns – v.a. als post-materialistische Konsumenten – interessieren, wo unser Strom herkommt, welches Heizöl wir verbrennen, unter welchen Bedingungen die Produkte hergestellt wurden, die wir kaufen usw. Das bekräftige ich aber in meinem Text auch. Was uns als Konsumenten nicht zu interessieren braucht, ist die individuelle, persönliche Geisteshaltung derjenigen, von denen wir die Produkte beziehen. Das lässt sich auch gar nicht leben – wie soll ich denn wissen, welche Partei der Geschäftsführer meines Stromlieferanten wählt, welcher religiösen Gruppierung mein Bäcker anhängt, wie der Metzger meines Vertrauens mit seinen Kindern umgeht usw.? Wir müssten uns komplett selbst versorgen, wenn wir sicher gehen wollen, niemals von jemandem einzukaufen, der nicht unsere Wertehaltungen teilt. Und auch wenn ich es herausfinde, wie im Fall Läderach, dann spielt es für meine Kaufentscheidung keine entscheidende Rolle, weil ich ein Produkt kaufe und nicht mit dem Hersteller eine Partei gründe oder eine religiöse Gemeinschaft bilde…

  5. Finde diesen Beitrag typisch für unsere Zeit bzw. für sehr viele Zeitgenossen.
    Der Schreiber verurteilt zwar die Tat oder die Anschuldigungen aufs schärfste, ihm ist aber wichtiger nicht auf seine ach so gute Schoggi zu verzichten. Ein grosser Teil des Blogs wird der Schoggi gewidmet, um der persönlichen Priorität Wichtigkeit zu verschaffen?
    Ich denke mit einer solchen Argumentationen macht man es sich sehr einfach, sich gegen irgendwelche Sanktionen, gegen eine Firma, ein Staat herauszuwinden, nur weil man nicht auf 1 Promille seines Standards verzichten möchte.
    Der Beitrag finde demzufolge als Hohn, allen Opfern gegenüber.
    Mit freundlichen Grüßen
    Fredy

    1. Danke Fredy für die Rückmeldung – und nein, so weiss ich mich in keiner Weise verstanden. Um fehlende Bereitschaft, auf ein Stück Schoggi zu verzichten, geht es überhaupt nicht, sondern um die Frage, ob es gerechtfertigt ist, ein Unternehmen zu boykottieren, weil der längst pensionierte Firmengründer Kinder (unter denen sich die jetzigen Firmenleitung befindet) körperlich gestraft hat oder strafen liess. Read again.

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