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 Lesedauer: 2 Minuten

Rosa Haut

Als ich ihn entdeckt habe,
lag er zusammengerollt
in der linken Zimmerecke.
Wo es am staubigsten ist.
Ich habe mich ziemlich erschrocken. Er hatte nämlich kaum Stacheln.

Ich wusste schon, dass die kleinen weniger Stacheln haben.
Aber das hier war ein grosser.

Als ich ihn berühren wollte,
ist er zusammengezuckt,
und hat sein runzeliges Gesicht zur Wand gedreht.
Ich habe mich zu ihm auf den Boden gesetzt und gewartet. Beinahe wäre ich eingeschlafen,
hätte mich nicht eine feuchte Nase angestupst.
Dann habe ich ihn sachte hochgehoben.
Er ist nicht mehr zusammengezuckt diesmal.
Nur ein wenig mit den rosa Beinchen gestrampelt hat er.

Ich habe ihn in meinem Pullover versteckt und bin mit ihm ins Bad gegangen.
Dort habe ich Mamas Salben durchforscht. Da gab es welche für den Tag und welche für die Nacht,

für Hände und Füsse, Schultern und Nacken, Gelenke und Muskeln. Pflaster, Gaze und Watte.
Ein Orangenöl zum Massieren ganz oben und ein Fläschchen mit Flüssigkeit,
die nicht gut riecht.

Aber Mama hat es mir auch schon auf die Haut gesprüht. Schaden tut es sicher nicht.
Ich habe alles zu ihm in den Pulloverbeutel gesteckt
und mich zurück in mein Zimmer geschlichen.

Dort habe ich die Bettdecke ausgebreitet und am Bettrand
mit dem Kissen
und all meinen Kuscheltieren eine Mauer gemacht.
Dann habe ich alle
Tuben und Fläschchen
und das Verbandszeug
nach Farben sortiert.
Er zitterte am ganzen Körper,
als ich ihn aus meinem Pullover hob.
Also habe ich ihn wieder reingetan
und bin mit ihm ins Wohnzimmer gegangen.

Dort habe ich alle Kissen vom Sofa genommen. Und sie auf den Kachelofen gelegt.

Mit den warmen Kissen in der Hand
sind wir dann in mein Zimmer zurückgekehrt.

Tube um Tube,
Fläschchen um Fläschchen. Zwischendurch hat er gepiepst.
Da musst du jetzt durch,
habe ich ihm gesagt.
Die Kirchenuhr schlug zwölf,
als wir endlich zu Bett gehen konnten. Nur die Nase schaute noch
aus dem Watteknäuel raus.
Alles roch nach Salbe und Orangenöl: Meine Decke, meine Kissen,
meine Kuscheltiere, mein Pulli,
meine Finger.

Am nächsten Morgen war er weg. Ich habe jedes Kissen gedreht, die Bettdecke geschüttelt.
Unter dem Bett war er auch nicht.

 

Die Autorin Beate Krethlow studiert Theologie und lebt in Bern.

Abbildung: Beate Krethlow, Installation Fremdlinge (2016)

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