Less noise – more conversation.

 Lesedauer: 5 Minuten

Post-Pandemie

Ich habe mich absichtlich für eine analoge Zeitkapsel entschieden, der Feuchtigkeit und Temperatur wegen, und weil unsere Energienetze unzuverlässig sind. Meine Identität ist nicht relevant. Wichtig ist nur das, was ich dir hier sagen möchte, und, dass du meine Stimme klar und deutlich hörst.

Die globale Pandemie war nach drei Jahren vorbei.

Das Virus ging durch die Hintertüre weg, so heimlich, wie es gekommen war: zwischen unzähligen Fragezeichen, diffusen Theorien, haltlosen Verschwörungsfantasien und wissenschaftlichen Erklärungen, die sich gegenseitig neutralisierten.

Eine Zeitlang blieb zwischen den Menschen ein mulmiges Gefühl bestehen, das Virus war zwar nicht mehr sichtbar, aber immer noch in den Körpern in Form von emotionalen Triggerpunkten spürbar: Die Freiheitsrestriktionen hatten Phobien und Berührungsängste erschaffen, die es zunächst abzubauen galt. Wir näherten uns schrittweise der Normalität an, indem wir unsere Rituale und Eigenheiten wieder entdeckten: das Händeschütteln, das Nebeneinandersitzen in der Bahn, das Niesen in der Öffentlichkeit, das freundschaftliche Umarmen.

Und wir mussten uns gegenseitig verzeihen: Die Impfbefürworter mussten so tun, als hätten die Skeptiker am gleichen Strick gezogen. Die Impfverweigerer hingegen, als seien sie im letzten zeitlichen Abschnitt der Pandemie nicht unter Druck gesetzt und vom öffentlichen Leben ausgeschlossen worden.

Dann lösten sich aber die emotionalen Knoten. Oder wir taten so, als ob.

Nach Zeiten der Entbehrung – wobei ich hier nicht auf die materielle Perspektive hinweisen möchte, denn an Dingen mangelte es uns während der Pandemie nicht – gab es eine Zeit des ausschweifenden Feierns. Ähnlich wie in den Nachkriegsjahren übermannte uns die kollektive Euphorie.

Wir waren Freiheitssüchtige, die nach dem nächsten Kick suchten.

Einige wollten das kompensieren, was sie an Berührungen unterwegs verloren hatten, als könnten sie mehr Intimität und Liebe in ihren Leben künstlich herbeirufen. Wiederum andere wollten den Moment noch stärker auskosten, bevor die nächste mögliche Gefahr auf sie zurollte. Irrsinnigerweise gab es Menschen, die nie wieder in die Gemeinschaft zurückkehrten, weil sie die Isolation schätzen gelernt hatten.

Das Resultat war, dass wir übertakteten und tendenziell egoistischer wurden.

Eltern haben ihre Kinder von den Schulen genommen, viele Leute ihre Stellen gekündigt und sind dann eine Zeitlang planlos durch die Welt gereist. Die Verschuldung hat weltweit zugenommen.

Wieso eine auf Verzicht basierende Zukunft planen, wenn nur das Jetzt zählt?

Personal fehlte in fast jedem Bereich, besonders im Gesundheits- und Energiesektor. Wir haben das Abwarten verlernt, wollten wieder alles und sofort besitzen und konsumieren, waren selbst für andere nicht verfügbar. Wir haben in der westlichen Welt durch die Pandemie somit nicht viel dazu gelernt. Leider.

Um es kurz zu machen: Der Klimakollaps kam schneller als erwartet und traf uns unvorbereitet, denn wir waren keine Gemeinschaft, sondern eine Ansammlung von Einzelschicksalen, die sich gegenseitig beschuldigten. Nebst den erwarteten Folgen, wie Überflutungen, zunehmender Migration und einer allgemeinen Erhöhung der Temperatur, gab es Konsequenzen, die wir nicht vorausgesehen hatten: Frühling und Herbst wurden in Europa auf wenige Wochen verkürzt, Hitzesommer gingen fast nahtlos in den Winter über, mit meterhohem Schnee und durchschnittlichen Temperaturen von 30 Grad Celsius unter Null. Wirbelstürme entstanden oft in kürzester Zeit und hinterliessen eine Spur der Verwüstung. Die klimatischen Veränderungen betrafen Fauna und Flora.

Das Artensterben nahm dramatische Ausmasse an. Das machte uns aber nicht empathischer, sondern mit dem Rücken zur Wand dachten wir nur noch stärker an uns. Es war ein Fehler.

Uns waren die Konsequenzen der Klimaveränderung schon bewusst, wir ahnten, dass es nicht gut enden würde. Trotzdem haben wir nicht gehandelt, wir waren gesellschaftlich unfähig, eine globale Klimastrategie umzusetzen, die von der Wirtschaft und der Politik mitgetragen wurde.

Als wir der Apokalypse entgegentanzten, wurden unsere Gedanken vom Dröhnen des Basses übertönt. Die Musik des DJ wurde abrupt beendet und nun stehen wir verschwitzt da, schauen uns fassungslos an.

Die Party ist vorbei. Das Licht ist an, der Boden klebt, unsere Augen sind müde. Erst jetzt stellen wir fest, dass wir in diesem schlecht gelüfteten Raum dasselbe Schicksal teilen.

Aber jetzt ist es wahrscheinlich zu spät. Wir sind abgeschnitten, Grenzen werden von der Natur und nicht von Staaten gezeichnet, die Energienetze funktionieren unzuverlässig, es gibt keine Flugzeuge am Himmel, weil die Tornados unberechenbar geworden sind.

Hoffentlich täusche ich mich. Hoffentlich findest du diese Zeitkapsel und kannst diese Nachricht hören. Ich würde dir raten, deinen Mitmenschen mehr zu vertrauen. Allein ist es schwieriger.

Vertrauen ist die neue Währung, die wirklich zählt.

Mir ist bewusst, dass es abgedroschen tönt und du mir nicht Glauben schenken wirst. Aber sieh dich doch um!

Wir gehen immer davon aus, eine Lösung für unsere Probleme finden zu können. Wir Menschen können uns zwar gut anpassen, aber kaum so wie manche Tiere, die sich problemlos auf längere Dürreperioden einstellen können. Im Grunde genommen sind wir zerbrechliche Wesen, die nur in einer ganz schmalen Temperaturbandbreite überleben können. Wir haben es verpasst, die Schöpfung und uns zu beschützen, nun sind wir Schiffbrüchige.

Unsere Begrenztheit wurde uns von einem Virus aufgezeigt. Sobald es besiegt wurde, haben wir es aber vergessen und so getan, als hätte es nie existiert. Könnte ich das Rad zurückdrehen, dann hätte ich der Politik empfohlen: mehr Verbote und weniger Freiheit.

Wir hätten uns unsere Entscheidungsfreiheit gar nicht leisten können.

Uns fehlte die überlebenswichtige Fähigkeit, ein Gleichgewicht anzustreben. Wir lebten nicht in Harmonie mit der Umwelt, sondern instrumentalisierten diese für unsere Zwecke. Tiere wurden zu Objekten, Pflanzen zu Ressourcen, Menschen zu Konkurrenten.

Wer hätte die allgemeingültigen Regeln festlegen können? Wer oder was hätte als Autorität global wirken und von sämtlichen Nationen gleichzeitig akzeptiert werden können? Welche Instanz hätte uns gezähmt, ohne uns zu unterdrücken? Wer hätte alle Spezies und die Natur gleichzeitig beschützen können?

Das hätte nur eine Künstliche Intelligenz leisten können: gerecht, unvoreingenommen und allgegenwärtig. Ein Algorithmus hätte uns rechtzeitig das Menschsein wieder beibringen können, 1 und 0, richtig oder falsch.

Das Virtuelle hätte das Analoge gerettet.

Falls du das hörst und es nicht zu spät ist, dann befolge meine Ratschläge: digitale Verbindungen aufbauen, Monitoring gewährleisten und Handlungsänderungen herbeiführen. Das ist der Weg zur wahren Befreiung.

Viel Glück!

 

Photo by Daniel Lincoln on Unsplash

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