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 Lesedauer: 11 Minuten

Oster-Emotionen auf Knopfdruck?

Johanna Di Blasi: Was mich beschäftigt, ist die Frage, welches Gefühl sich eigentlich mit diesem für Christ:innen ja riesigen Osterereignis verbindet. Mehr als 2000 Jahr später.

Es kann ja nur ein sehr gemischtes Gefühl sein, ein fast unmögliches Gefühl: wenn Tod und zermalmende Trauer überraschend etwas ganz anderem Platz machen, das menschliches Verstehen unendlich übersteigt. Wie kann man/ich heute mit einem solchen «Mysterium», dem verwandelnde Kraft zugeschrieben wird, in Beziehung treten.

Ich spüre, dass ich mich gefühlsmässig gerade ein wenig wegducke, weil das alles so gross und aufgeladen ist. Ich glaube, gerade deswegen haben wir uns im RefLab für das Briefformat bzw. WhatsApp-Austausch entschieden.

Andreas Loos: Ausgerechnet an Ostern fühle ich mich oft nicht besonders österlich. Osteremotionen auf Knopfdruck krieg ich nicht hin. Die nackte Tatsache, dass Jesus – wie auch immer – auferstanden ist, berührt mich oft nicht.

Es sei denn, ein gewisser Geist packt und ergreift mich. Oft, wenn ich mich reinhalte in den gottesdienstlichen Gesang, die österliche Musik.

❤️❤️❤️

Janna Horstmann: Für mich ist Ostern sooo krass menschlich und weltlich, einfach weil diese gefühlsextreme so nah beieinander liegen und ich mir immer denke, ja so ist es im Leben doch auch. Leben und Tod gehören zusammen und liegen näher beieinander als mir manchmal lieb ist.

👍

Janna Horstmann:

Luca Zacchei: I know, es ist schon ziemlich matchentscheidend, die Auferstehungsgeschichte zu GLAUBEN. Symbolisch gehe ich da voll mit und freue mich wirklich auf die Erfüllung des Schicksals.

Aber leibliche Auferstehung? Das Grab ist leer? Are you kidding?

Mich hat Ostern als Kind fertiggemacht: zuerst todtraurig sein (und zwar fremdbestimmt) und dann ein paar Tage später auf Partystimmung (auch fremdbestimmt).

Luca Zacchei:

😂😂😂

Andreas Loos: In einer Sache ist sich die Forschung ziemlich einig: Das Grab war leer. Nur schon, weil die Gegner Jesu es auch sagten. Die entscheidende Frage war: Warum, wie kam es dazu?

Andreas Loos @Luca Zacchei: Krass, eine Art Durchlauferhitzer, der sich irgendwann abnutzt und niemanden heiss macht.

😂

Andreas Loos: In einer Sache ist sich die Forschung ziemlich einig: Das Grab war leer. Nur schon, weil die Gegner Jesu es auch sagten. Die entscheidende Frage war: Warum, wie kam es dazu?

Luca Zacchei @Andreas Loos: Und welche Erklärungen sind da plausibel?

Evelyne Baumberger @Luca Zacchei: Ich hab dazu mal ein Video gemacht:

Andreas Loos: Manuel … jetzt Du! 😇

Evelyne Baumberger: Ich bin in der Osterzeit immer recht suchend. Nach einem Kern der Sache, der mich berührt (wie du, Andi, lässt mich die Ostergeschichte gefühlt zu kalt). Vieles läuft da bei mir über Symbolik. Meine Kreuzkette, die ich immer an Ostern trage.

Heute Morgen habe ich beim Rausgehen ein Medaillon eingesteckt und tagsüber mehrmals in meiner Hosentasche «wiederentdeckt»:

Luca Zacchei: Für mich war es eine Schande, dass er auf dieser Weise und so früh gestorben ist. Eine unglaubliche Ungerechtigkeit. Dass dies gleichbedeutend mit der Erfüllung seines Schicksals, notwendig und wichtig für die Bewegung war, kann ich aber verstehen. Dass wir Wunder benötigen (damit meine ich die leibliche Auferstehung), um die Wichtigkeit seiner Lehren zu unterstreichen und beglaubigen, ist für mich persönlich unnötig bis kontraproduktiv.

Johanna Di Blasi: Vielleicht haben wir jetzt schon erste Anhaltspunkte, wieso die Annäherung nicht leicht fällt. Wir gebrauchen theologische Begriffe – Mysterium, Auferstehung oder sogar leibliche Auferstehung – die Jesus vielleicht auch rätselhaft vorgekommen wären.

Brauchen wir da nicht Übersetzungen in unsere Gegenwart und Welt? Und wie könnten diese lauten?

Janna Horstmann @Johanna Di Blasi: Ich hänge die ganze Zeit schon an euren vielen Begriffen. Ich kann Dinge theologisch erklären, dass heißt noch lange nicht, dass ich sie begreifen kann.

Johanna Di Blasi: Ich hab jetzt drübergeschlafen und bin heute morgen wie ein Fisch mit zwei Worten im Maul aufgewacht: Perspektivverschiebung von der innen her und posttraumatische Reifung.

Psychosomatische Ärzte berichten, dass Menschen durch unheilbare Erkrankungen tiefe Läuterungen erfahren und auf einmal wie befreit in der Praxis erscheinen, obwohl sich am realen Krankheitsbild nichts geändert hat. Ist das Ostern?

Luca Zacchei: Für mich ist Ostern: «At the very end, everything is OK.»

❤️

Manuel Schmid @Luca Zacchei: Sorry Leute wenn ich mich so spät erst einschalte… Hab bis jetzt keine ruhige Minute gefunden. Bei Lucas «At the very end, everything is OK» kann ich aber gut einhaken. Das ist für mich auch die Essenz von Ostern.

Sie ist für mich aber ganz bodenständig mit der Geschichte von Jesus verbunden. Jesus wurde vom Tod verschluckt, zwischen menschlichen Eifersüchten, Machtgelüsten und Gierigkeiten aufgerieben – und er hat die lebensfeindlichen Kräfte von innen heraus überwunden. Wie Agent K im ersten Teil von «Man in Black» dem gigantischen End-Monster zuruft: «Eat me!» – und nachdem er verschlungen wurde, sprengt er das Untier von innen her in Luft.

Oder, etwas weniger brachial: Die Liebe Gottes, die in Jesus ihr Gesicht zeigt, hat in der Auferstehung das letzte Wort. Und das begründet meine Hoffnung, dass diese Liebe auch mein Leben zu einem guten Ende erzählen kann. Etwas Fundamentaleres gibt es für meinen Glauben nicht.

Luca Zacchei @Manuel Schmid:

😂

Johanna Di Blasi: Eat me!

😂😂😂

Evelyne Baumberger: «Schokoladenhohlkörper», oder was stand beim Hasen gestern im RefLab?

Manuel Schmid @Evelyne Baumberger: … mit Sollbruchstelle! 🤩

Johanna Di Blasi: Interessant, dass sowohl Janna als auch Manuel das Geerdete des kosmischen Christusereignisses herausgestrichen haben. Mit dem Hasen scheint unsere Diskussion an einem toten Punkt angekommen zu sein. Aber das Gegenteil ist der Fall: der 🐰 ist totale Lebendigkeit, ist die Supergebärerin. Sie gehört zum Osterkomplex, Schlingensief und Beuys wussten das. Der tote Hase ist eine Anklage gegen lebensverhindernde Mächte und Ökosünden.

Und da ist dann der Jesus-Satz «Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben», an den ich dauernd denken muss. Der WEG führt hinab (ins unbewusste und vorbewusste Psychogestrüpp), die WAHRHEIT will angeschaut und ausgehalten werden und dann geht es in die Freiheit, ins Licht, in die totale Lebendigkeit. (Hab gerade eine Therapie hinter mir. ☄️)

Janna Horstmann: Für mich liegt ein Geheimnis von Ostern in der Performanz, in dem Tun, in dem Singen, in dem Hören und Erfahren. Weil es das ist, was mich lebendig macht. Frei nach dem Motto: ich singe also bin ich.

❤️

Evelyne Baumberger: Hab heute Morgen auch schon «O Haupt voll Blut und Wunden» gesummt. Ich gehe eigentlich nur wegen diesem Lied am Karfreitag in die Kirche.

Janna Horstmann: Apropos Hase.

😲

Andreas Loos: Ja, das Leben, das G*tt selbst ist und uns zugeeignet hat, behält das letzte Wort. Das ist auch mein Osterglaube. Und ich finde es faszinierend, an der Seite eines Menschen zu leben, die seit 17 Jahren österlich mit lebensgefährlicher Krankheit lebt.

Dabei frage ich mich dauernd: Wie wichtig ist es für meinen Glauben, dass die Auferstehung wirklich, erdig und leiblich geschehen ist? Einerseits brauche ich das Zeugnis, dass G*tt es echt drauf hat, dass er sozusagen den Beweis liefert, seine Heilsversprechen auch einlösen zu können.

Daher finde ich es auch angebracht, den jüdischen Frauen (und Männern) erst mal Vertrauen zu schenken, wenn sie sie die Begegnungs- und Lichterscheinungen Jesu als robust-physische Auferstehung deuten. Ich mag einfach nicht an Halluzinationen oder psychogenetische Vorgänge anderer oder meiner selbst glauben.

Andererseits vermute ich, dass Originalaufnahmen von der Auferstehung niemand zum Glauben bringen. Bonhoeffer hat das mal so gesagt: «Der Auferstandene schafft selbst Glauben und weist so den Weg zu sich als dem Historischen. Von hier aus bedarf der Glaube keiner Bestätigung der Historie. Vor der Selbstbezeugung Christi in der Gegenwart ist die Bestätigung der Historie irrelevant.» Auferstehung ist nicht identisch mit der Wiederbelebung einer Leiche.

Der auferstandene Jesus erscheint und begegnet den Menschen nach Ostern definitiv als ein anderer. Ich stehe da echt zwischen den Stühlen. Wenn jemand fragt: «Auferstehung … leiblich … als historisches Ereignis?», würde ich sagen: Ja, schon, aber … irgendwie auch anders.

❤️❤️

Andreas Loos @Johanna Di Blasi: Johanna hat mit diesen starken Worten den Osterhasen auf wundervolle Weise getauft. Vielleicht sogar heilig gesprochen. Was wie Säkularisierung des Glaubens aussehen kann, wird Sakralisierung.

Andreas Loos @Evelyne Baumberger: Steckt in der Inszenierung, im Singen und Feiern nicht genau jener Selbsterweis des Auferstandenen? Kennt Ihr die Tradition des Osterlachens? Das finde ich auch so eine geisterfüllte Performanz, den Tod auszulachen. Humor und Ostern geht gut zusammen.

Johanna Di Blasi: Diese Nachricht wurde gelöscht.

Johanna Di Blasi: Wie schön, genau ans Osterlachen habe ich auch gedacht. Vielleicht überschrieb Dante seinen Läuterungsgang (wie Jesus erst runter, dann rauf) deswegen mit divina commedia?

Johoanna Di Blasi @Andreas Loos: Danke Andy, dass du diese persönlichen Gedanken, die Mut machen, mit uns teilst. 🙏

Evelyne Baumberger: Osterlachen ist mir (noch?) fremd. In «meiner» Kirchgemeinde findet das dieses Jahr offiziell statt:

Ich bin etwas skeptisch…

😂

Manuel Schmid @Evelyne Baumberger: Oh, davon bin ich aber sehr begeistert, auch wenn es in meiner kirchlichen Sozialisierung überhaupt keinen Platz hatte. Aber die Vorstellung, im Gedenken an die Auferstehung gerade in der Kirche mal richtig herzhaft lachen zu können, finde ich wunderbar.

Ich bin ja eigentlich der Überzeugung, dass Christenmenschen die humorvollsten Leute auf dem Planeten sein könnten und sollten – denn die Überzeugung, dass Gottes Liebe am Ende das letzte Wort haben wird, befreit uns doch dazu, uns selbst und dieses Leben nicht todernst zu nehmen (pun intended).

Johanna Di Blasi: Leider gibt es immer wieder Krieg – auch zwischen christlich geprägten Nationen. Die heitersten Menschen sind mir in Afrika begegnet. Nicht wenige identifizieren sich tief-innerlich mit dem Christlichen und verbinden es kreativ mit einheimischen, schamanistischen Praktiken. Hat mich tief beeindruckt.

Andreas Loos: Diese Nachricht wurde gelöscht.

Andreas Loos: Okay, Ihr wollt es nicht anders 😇, hier ein Lacher, mit dem ich vor ein paar Jahren eine Osterpredigt eröffnet habe:

Schon bald nach der Kreuzigung Christi kommt Nikodemus zu Josef von Arimathäa und bittet ihn: «Josef, Jesus ist tot. Ich brauche unbedingt ein Grab für ihn. Stellst Du Deins zur Verfügung?» Aber Josef druckst rum, nennt Ausflüchte: «Boah, Nikodemus! Echt jetzt? Ich weiss nicht … Weißt Du, was so ein Grab kostet. Und außerdem brauche ich es für mich und meine Familie.» Darauf Nikodemus: «Alter, jetzt stell dich nicht so an – ist doch nur übers Wochenende!»

😂😂😂😂

Johanna Di Blasi:


Wir sind jetzt vom Auferstehen zum Tanzen und Lachen gelangt. Ich möchte jetzt noch die österliche = liturgische Zeit anführen. Da gibt es kein Davor oder Danach, richtig? Das ist alles wirklich jetzt.

Janna Horstmann: Najaaaa, die österliche Freudenzeit, sprich weiß als liturgische Farbe, zieht sich schon noch etwas weiter. Also quasi bis Pfingsten.

Johanna Di Blasi: Was ich so schön finde, ist, was Jan Assmann „verwandelnde Erinnerung“ im Zusammenhang einer Art von christlichem Seder nennt. Da verschränken sich Zeitdimensionen und das setzt die Fähigkeit, «gegenwärtig zu sein», voraus und frei. Also sich Hineinnehmenlassen – jetzt.

Janna Horstmann @Johanna Di Blasi: Aber ist das etwas, das ich aktiv tun kann, oder ist es nicht eher etwas, das mir widerfährt? Oder braucht es eine bestimmte Geisteshaltung außer dem ,gegenwärtig sein‘? Geschieht mir Ostern oder lasse ich Ostern in mir entstehen? Braucht es eine performative Zusage und kann ich mir die selbst geben?

Evelyne Baumberger: Für mich ist das alles wahnsinnig abstrakt. Ich komme Ostern mit nachdenken nicht auf die Spur (wie Janna es ähnlich mit dem Gesang geschrieben hat). Ich höre aus manchen Nachrichten (Andi zB) Geschichten raus, wo Ostern spürbar wurde.

Für mich suche ich das noch. Ich bin eigentlich jedes Jahr etwas enttäuscht von Ostern, und erleichtert, dass das Suchen jetzt wieder für ein Jahr auf Eis gelegt werden kann.

🤍

Johanna Di Blasi: Bezüglich chr. Ausnahmestellung fehlt mir der Glaube. Ich glaube zwar, dass wir Christ:innen froher sein könnten, aber andere Menschenkinder mindestens so froh sein sollen wie wir.

Luca Zacchei: Ich habe (in vorwiegend) katholischen Kirchen so wenig gelacht. Wie kann man nur, vor Christus Kreuz? Und dann kamen sie in meiner Jugend:

«Life’s a piece of shit
When you look at it
Life’s a laugh and death’s a joke, it’s true
You’ll see it’s all a show
Keep ‚em laughin‘ as you go
Just remember that the last laugh is on you
And
Always look on the bright side of life.»

Johanna Di Blasi:

😲

Janna Horstmann: In diesem Sinne fröhliche Ostern 🐣 🤍✨

❤️

8 Kommentare zu „Oster-Emotionen auf Knopfdruck?“

  1. Darf ich mich als Agnostiker auch zu Wort melden? Also wenn ich sehe, wie schwer Ihr Euch hier tut, den theologischen Sinn von Ostern zu erklären, frage ich mich, ob man es nicht auch einfach bleiben lassen könnte. Während die Diskussion über den tieferen Sinn von Karfreitag sich als zwar schwierig genug, aber letztlich doch fruchtbar erweist, würde Pfingsten als „letztes Wort“ dieser Geschichte doch völlig ausreichen. Ostern, dieses ursprünglich heidnische Fruchtbarkeitsfest, könnte man ohne weiteres sozusagen den Erfindern zurückgeben und als rein weltlichen Anlass feiern. Oder will jemand wirklich die Behauptung verteidigen, hinter Schokohasen der Eiersuche verberge sich irgendein tieferer theologischer Sinn? Oder vielleicht gar hinter dem rituellen Osterstau am Gotthard, als Sinnbild von Flucht, Immobilität und Verstocktheit?

    1. Evelyne Baumberger

      Lieber Walter, danke für den Kommentar. Genau an dem tieferen Sinn hinter Schokohasen und Eiersuche möchten wir festhalten – können ihn aber auch nicht immer greifen. Deinen Vorschlag für einen „rituellen Osterstau“ als Gedenken für Flucht und Verstockheit finde ich aber, nebenbei gesagt, grossartig 😂

  2. Dieses neue Format finde ich fantastisch cool und hot.

    – hautnaher und persönlicher Betroffenheitsdialog.
    – Gruppengespräch wie Talkshow-Formate.
    – tabulos und mit direktem Blick in offene Herzen.
    – den reformierenden Zeitgeist fördernd.

    Anbahnung eines Comedy-Formates mit christlicher Turbosubstanz.

    Ich erwarte getrost, was noch kommen mag.

    Happy Easter. Next Step.

    Vielen Dank und Grüssle in die Zukunft.

  3. Danke für Eure anregende Konversation. Am Besten gefallen hat mir das Bonhoeffer-Zitat. Das trifft mein Empfinden auf den Punkt.

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