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Moralische Kritik: Der Gott der Bibel ist kein ethisches Vorbild (Teil 1)

Nicht nur aus der Entstehungsgeschichte der Bibel ergibt sich ein Einwand gegen den Glauben (vgl. die letzten beiden Folgen…), sondern auch aus ihrem Inhalt. Ungeachtet der Frage, wie, auf welchem verworrenen, historisch-kontingenten Wege diese Texte zu uns gelangt sind, bekommt ein gewissenhafter Leser so seine Probleme mit dem, was er hier liest… Die Bibel ist nämlich mitnichten ein beschauliches Erbauungsbuch mit inspirierenden Spruchweisheiten für jeden Tag, die man auf Kalender mit Sonnenuntergängen drucken kann.

Hier geht’s vielmehr brutrünstig, rachsüchtig, eifersüchtig, frauenfeindlich und rassistisch zu und her – und Gott selbst ist dabei nicht nur wehrloser oder betrübter Zuschauer, sondern wird in den biblischen Geschichten in diese Gräuel auch selber verwickelt.

Mit einem solchen Gott sind wir schlecht bedient, könnte man sagen – von einem solchen Gott lässt sich nur wünschen, dass er nicht existiert. Diese Kritik geht historisch bis auf die Lehren des Marcio im frühen 2. Jahrhundert n.Chr. zurück und findet bis in die Neuzeit hinein verschiedene Vertreter. Weltberühmt wurde dieser substantielle Einwand gegen den christlichen (und jüdischen) Glauben in unserer Zeit dann durch Richard Dawkins ätzende Religionskritik «Der Gotteswahn». Das berühmteste Zitat aus diesem Buch spiesst gerade den problematischen Gottesbegriff auf, den die Bibel seiner Ansicht nach vermittelt:

«Der Gott des Alten Testaments ist … die unangenehmste Gestalt in der gesamten Literatur: Er ist eifersüchtig und auch noch stolz darauf; ein kleinlicher, ungerechter, nachtragender Überwachungsfanatiker; ein rachsüchtiger, blutrünstiger ethnischer Säuberer; ein frauenfeindlicher, homophober, rassistischer, Kinder und Völker mordender, ekliger, größenwahnsinniger, sadomasochistischer, launisch-boshafter Tyrann.»

Dawkins führt als Belege z.B. folgende Texte auf: 1. Mose 19,5ff; 1. Mose 19,31ff.; 1. Mose 20,2ff; 1. Mose 22; 2. Mose 34,13ff; 3. Mose 20; 4. Mose 15,32; 4. Mose 25,1ff; 4. Mose 31,18ff; 5. Mose 20,16ff; Richter 11,30ff; Richter 19,24ff – eine Zusammenstellung weiterer «anstößiger» Bibelstellen findet sich z.B. hier.

Wer die entsprechenden Stellen nachschlägt, den überkommt tatsächlich ein Schaudern – und der Spruch bestätigt sich: Die meisten Christen haben kein Problem mit der Bibel, weil sie sie nicht wirklich lesen – oder nur die fettgedruckten Verse der Lutherbibel…

Manuel und Stephan greifen in dieser Folge die ethische Kritik am biblischen Gottesbild auf, werfen einige Schlaglichter auf die Geschichte und zeigen, wie grundsätzlich diese Anfrage an den Glauben ist.

4 Kommentare zu „Moralische Kritik: Der Gott der Bibel ist kein ethisches Vorbild (Teil 1)“

  1. Tolle und wichtige Diskussion: Schade, dass sie ein bisschen in eine zweite Disputation über Dawkins verkommt…
    Betrachtet man die Bibel einfach mal als ein Stück Literatur, wie es zum Beispiel im Germanistikstudium gemacht wird- dann greift die Kritik leider- und das ist kein Bibel-Fundamentalismus! Das steht da so: Die literarische Figur „Gottes“ in der Bibel ist leider wirklich so, wie Dawkins ihn darstellt- natürlich auch mit seiner gütigen und gnädigen Seite; aber die Gewalt überwiegt bei weitem…
    Dieses Bild durch historische Situierung zu relativieren oder als Erfahrung und Wunschbild von unterdrückten Menschen zu interpretieren könnte man als Gedankenspiel auch auf andere Figuren der Weltliteratur anwenden- gerade auf die Bösewichter; aber die von ihnen verübten Gräueltaten bleiben! Genozid bleibt Genozid! Betrachtet man die Bibel als ein Stück Weltliteratur, so bleibt die Kritik auf der „literarischen“ Ebene bestehen…
    Aber eben: Bultmann und die liberale Theologie wie die von Lauster kann uns hier retten!😉
    Ich freue mich auf die nächste Folge!
    PS: noch kurz zur der vorgegangen Folge zur Kritik der Bibel als Wort Gottes: Was ist jetzt euer Fazit? Wir wissen jetzt, dass die biblischen Texte durch einen langen redaktionellen Prozess durch Menschen entstanden ist und auch deren Kanonisierung … es ist also ein Kulturprodukt und Gott somit auch eine literarische Figur?

  2. Soviel ich weiss, ist dieses Problem mit moralisch verwerflichen Gottheiten schon sehr alt. Bereits im antiken Griechenland kam man in gewissen Kreisen zum Schluss, dass eine Homerlektüre der Jugend nicht zugemutet werden könne, weil die dort agierenden Gottheiten in moralischer Hinsicht ein sehr schlechtes Vorbild seien. Eine elegante Lösung für dieses Problem war die allegorische Schriftauslegung, die es erlaubte, den Text nicht mehr wörtlich zu verstehen. In gewisser Hinsicht wiederholte sich dies im frühen Christentum bei der Adaption des Alten Testaments. Extrem kuriose Blühten brachte dann die Manie hervor, im Alten Testament überall versteckte Hinweise auf Jesus Christus zu sehen. Was Friedrich Nietzsche als „jenes unerhörte philologische Possenspiel um das Alte Testament“ kritisiert. (Morgenröte 84).

    1. Uff, jetzt bin ich echt wieder beunruhigt wegen der vielen krassen Bibelstellen und denke, vielleicht nehmen wir das alles zu locker… Mal sehen was nächste woche rauskommt bei der Fortsetzung.

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