Less noise – more conversation.

 Lesedauer: 3 Minuten

Knuddeln am Küchentisch

Wie beschreiben wir uns?

«Mehrgenerationen-WG sucht neue:n Mitbewohner:in.» Bereits beim Titel des Inserats runzelt Sarina die Stirn. Marco liest weiter vor: «Wir sind fünf Erwachsene und drei Kinder und haben ein freies Zimmer.» Sarina räuspert sich beiläufig und füllt die dadurch entstandene Pause mit ihrer Meinung: «Danke für deinen Entwurf, Marco. Aber mir ist das viel zu trocken. Man sollte in jedem Wort spüren, wie gerne wir zusammenwohnen!» Sie formuliert einen neuen Vorschlag, der Begriffe wie «kunterbunt» und «Knuddel-Runde» enthält, was Marco dazu veranlasst, ein Würgegeräusch von sich zu geben.

Kinder – ein Nachteil?

Kai räumt schweigend das Geschirr des Abendessens weg, während Marco und Sarina über die ersten Zeilen verhandeln. Danach setzt er sich wieder und sagt: «Wir sollten auf jeden Fall etwas zum Thema ‹Kinder› sagen. Das könnte etwas abschreckend wirken.»

Marie schaut von ihrem Skizzenheft auf, dessen Seiten sie mit kurios geformten Nasen füllt: «Gerade die Kinder machen es doch so lebendig hier! Ich liebe es, wenn ich nach dem Arbeiten mit ihnen auf dem Sofa herumtollen kann.» Die Blicke zwischen Kai und Sarina verraten, wie sehr sie diese seltenen Momente der Zweisamkeit geniessen, die Marie ihnen ermöglicht.

Das grüne Gewissen

«Ich war vor meinem Einzug ehrlich gesagt etwas unsicher, ob ich mit einer Familie zusammenwohnen möchte», gesteht Amira, während sie die Pflanzen auf dem Fenstersims giesst. «Ohne mein grünes Gewissen hätte ich mich nicht beworben.»

Als Marie nachfragt, was denn das Klima mit ihrer WG zu tun hätte, ergreift Marco die Chance, sein Wissen vorzuführen: «Es ist ganz einfach: Je mehr Personen in einem Haushalt wohnen, desto weniger CO2 wird pro Kopf verursacht. Ein Einpersonenhaushalt nutzt durchschnittlich 80m2 während in einem fünfköpfigen Haushalt nur 26m2 pro Person benötigt werden. Folglich muss weniger Wohnfläche beheizt werden. Wenn man zudem Küchengeräte oder Autos gemeinsam nutzt, senkt das den individuellen Energieverbrauch noch stärker.»

WG gegen Einsamkeit

«Das grüne Gewissen muss aber verdammt laut schreien, wenn es Menschen dazu bewegen soll, nur fürs Klima so viel Freiraum aufzugeben», erwidert Marie skeptisch.

Amira schiebt die Giesskanne zur Seite und versucht dasselbe mit Maries Einwänden zu tun: «Es würde so viele unserer Probleme lösen! Stell dir mal vor, wie es wäre, wenn niemand mehr alleine wohnt. Bei der Wohnung des einsamen Herr Müller könnte man eine Wand einreissen, um sie mit dem Wohnzimmer des jungen Ehepaars daneben zu verbinden. Von da an nutzen sie gemeinsam eine Küche und bauen die andere zu einem zusätzlichem Zimmer um, wo sie ihren erwarteten Nachwuchs einnisten. Mit dem gemeinsamen Haushaltsgeld könnten sie sich zudem energieeffizientere Geräte leisten.»

Ausdiskutiert

«Und ganz nebenbei würden alle lernen, Konflikte besser auszutragen», sagt Sarina und zwinkert Marco zu. Kai schlägt vor, die genannten Punkte in das Inserat aufzunehmen, während er die jüngsten WG-Bewohner zu Bett bringt. Hätte er gewusst, dass sie danach noch drei Stunden weiter diskutieren, hätte er dafür gesorgt, dass er aus Versehen neben den Kindern einschläft.

 

Illustration: Rodja Galli

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