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Gehört Gott in die Wissenschaft? (Aristoteles, Teil 2)

In einer durchschnittlichen Buchhandlung findet sich religiöse Literatur meistens irgendwo zwischen Lebenshilfe und Esoterik. Die Bibliothek des Aristoteles ordnet die theologischen Bücher hingegen gleich nach den Büchern zur Physik ein, d.h. nach den naturwissenschaftlichen Betrachtungen (daher kommt auch der Begriff «Meta-Physik» = «nach der Physik»).

Das eine ist für Aristoteles ohne das andere nicht denkbar: Was wir um uns empirisch beobachten und systematisch einordnen, geht auf das «unbewegte Bewegende» zurück. Thomas von Aquin hat aus diesem Zusammenhang dann den «kosmologischen Gottesbeweis» entwickelt: Das Dasein dieser bewegten, veränderlichen Welt verdankt sich einem unbewegten, unveränderlichen Gott.

Das überzeugt in einer säkularisierten, postchristlichen Gesellschaft kaum mehr. Moderne Naturwissenschaften sind einem methodischen Atheismus verpflichtet. Manuel spricht in dieser Folge mit Peter u.a. über die Frage, von welchen weltanschaulichen Voraussetzungen auch das neuzeitliche Wissenschaftsverständnis ausgeht – und was uns vor einer ideologischen Engstirnigkeit bewahren kann…

Zu den Beitragenden

Manuel Schmid ist Mitarbeiter bei www.reflab.ch. Er wurde mit einer religionsphilosophischen Arbeit promoviert und liebt es, unsere Zeit und Gesellschaft durch vertieftes Nachdenken und angeregtes Diskutieren besser verstehen zu lernen.  

Heinzpeter Hempelmann ist Professor für Systematische Theologie und Religionsphilosophie, Autor von über 40 Büchern und 500 Aufsätzen (viele davon sind hier kostenlos abrufbar). Er ist ausgewiesener Experte in Fragen der Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie sowie der Lebensweltforschung – und er hat eine Leidenschaft für die verständliche Vermittlung komplexer philosophischer und theologischer Sachverhalte.

2 Kommentare zu „Gehört Gott in die Wissenschaft? (Aristoteles, Teil 2)“

  1. Wie immer, herzlichen Dank für Eure anregenden (und wenn ich Euch nicht missverstanden habe, ziemlich provokanten) Ausführungen!

    Ihr scheint beide ganz selbstverständlich davon auszugehen, dass ein „philosophischer“ Gott im Sinne von Sein an sich bzw. Actus purus unvereinbar ist mit dem Gott der Bibel, der der Menschheit persönlich entgegentritt und sie in der Geschichte begleitet. Warum sollen diese beiden unvereinbar sein?

    Seit den Kirchenvätern bis heute gibt es zahlreiche Theologen (u.a. die ganze katholische Kirche), die einen solchen Gegensatz verneinen würden. Ich kann mir selbst verschiedene Ansätze vorstellen, wie das biblische Zeugnis mit philosophischen Überlegungen zum notwendig existierenden Sein an sich vereinbar ist. Sogar eine Kompatibilität mit dem offenen Theismus scheint mir möglich, da die menschliche Willensfreiheit aus Sicht der Agent-Kausalität eine dem göttlichen Actus purus vergleichbare Indetermination aufweist und damit ein schönes Imago Dei abgibt.

    Natürlich steht es Euch frei, den auf Aristoteles gründenden klassischen Theismus abzulehnen, und auch in der heutigen Metaphysik werden gewisse Annahmen wie etwa die göttliche Simplizität wieder verstärkt kontrovers diskutiert. Es wäre aber spannend, etwas genauer zu erfahren, aus welchen Gründen Ihr dies tut.

    Ironisch finde ich, dass Eure kritische Position zu einem „philosophischen“ Gott eigentlich inkonsistent ist mit Euren kritischen Überlegungen zur Wissenschaft. Die Naturwissenschaft klammert bewusst metaphysische Fragen aus, und genau dasselbe macht ein Gottesbild, das ausschliesslich auf die biblische Offenbarung fokussiert. Aber damit gehen solche Fragen nicht weg, also etwa Fragen wie: Warum gibt es überhaupt etwas und nicht nichts? Warum gibt es Veränderung in diesem etwas? Warum gibt es darin Ordnung und Regelmässigkeit? Aristoteles hat erstmals gezeigt, dass aus metaphysischen Gründen gewisse Antworten naheliegend sind. Diese Antworten nicht theologisch zu interpretieren oder die Fragestellungen einfach aus der christlichen Gotteslehre auszuklammern, erscheint mir unbefriedigend.

    In der Einleitung schreibt Ihr, dass ein philosophisches Gottesbild „in einer säkularisierten, postchristlichen Gesellschaft kaum mehr [überzeugt]“. Hier bin ich genau vom Gegenteil überzeugt! Unsere heutige Gesellschaft hat keine Geduld und schlicht kein Verständnis mehr für den anthropomorphen „Vater im Himmel“ der Sonntagsschule. Aber durch die Säkularisierung haben die meisten Jugendlichen und auch viele Wissenschafter schlicht noch nie etwas über ein differenziertes und philosophisch begründetes „Gottesbild für Erwachsene“ erfahren, also von Gott, der als Urgrund des Seins die gesamte Realität erschafft und mit uns gerade dadurch eine lebendige Beziehung eingeht. Dieser Gott ist nicht nur zwanglos komplementär zu den Naturwissenschaften, da er deren Forschungsgegenstand und Grundannahmen überhaupt erst begründet; er liefert auch plausible Antworten auf metaphysische Schlüsselfragen der menschlichen Existenz.

  2. Der biblische Gott ist noch ein anthropomorph vorgestellter Gott. Die Empfänger der biblischen Botschaft waren ja auch nicht Philosophen, sondern das Volk. Demgegenüber sind die philosophischen Gottesvorstellungen überlegen. Mit ihnen beginnt wirkliche Wahrheitserkenntnis.
    Wie wunderbar der „Gott der Philosophen“ mit dem „Gott der Bibel“ übereinstimmt, haben nicht zuletzt Schelling, Hegel und Fichte gezeigt.
    In meinem zweiseitigen Beitrag „Das Gericht Gottes“ kann man das auch sehr gut erkennen: https://www.academia.edu/43836568/Das_Gericht_Gottes

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