Das digitale Feuer knistert freundlich, ohne Funken ins Wohnzimmer zu spucken. Das achtstündige YouTube-Video eines Kaminfeuers wurde schon mehr als 30 Millionen Mal aufgerufen. Es gehört auch zu meinen Favoriten. Es ist perfekt. Ein Kommentar lautet:
«Ich bin wahrscheinlich für tausend Views verantwortlich. Ich kann das Kaminfeuer stundenlang anschauen. Ich schätze, dass schon vor hunderten Jahren Menschen in die Flammen blickten und glücklich waren. Es ist so beruhigend.»
Es existieren also Geräusche, die wir mit Ruhe und Stille assoziieren. In einem vollkommenen Geräuschvakuum zu sein, wäre dagegen wohl kaum beruhigend, eher im Gegenteil: panikauslösend.
«Stille», sagt der amerikanische Akustikologe und Silence-Tracker Gordon Hempton, «ist nicht die Abwesenheit von etwas, sondern die Präsenz von allem.»
Stille Orte sind für Hempton Orte, in denen man in Intervallen von mindestens fünfzehn Minuten Natur ohne menschen- oder maschinengemachten Lärm erleben kann: also keine Flugzeuge, kein Summen von Hochspannungsleitungen, kein Baggerlärm und auch keine digitalen Klingetöne.
Es gibt auf der Erde nicht mehr viele wirklich stillen Orte.
Hempton hat übrigens eine besonders tiefe und angereicherte Stille im US-amerikanischen Bundesstaat Washington entdeckt. «One Square Inch of Silence» lautet der Titel seiner Dokumentation von vollkommener Stille. Hört selbst, wie diese Stille klingt.
Wohl nicht zufällig siedelte die Autorin Stephenie Meyer ihr romantisches Vampirmärchen «Twilight» in den entlegenen, nebligen Urwäldern eben dieses Bundesstaates an: dort, wo sich Vampire und Werwölfe Gute Nacht sagen.
Orte ohne akustische Verschmutzung erscheinen, umso seltener sie werden, als die neuen Paradiese.
Ich denke übrigens in einem heillos überfüllten Zug, der von Zürich nach Bern fährt, über Stille nach und schreibe diese Zeilen. In meinem Abteil lacht und singt eine Horde junger Berufsschüler schallend. Einige haben sich sogar auf dem Boden hingefläzt. Jetzt haben sie zudem laute Musik auf einem Smartphone angemacht und klatschen.
Ich versuche, mich trotzdem auf die Stille zu konzentrieren. Stille ist ja und vielleicht sogar vor allem eine Qualität des Inneren.
Die Schüler:innen wollen jetzt wissen, was ich schreibe. Ich sage, ich schreibe über Stille und verspreche ihnen, sie in meinem Blogpost zu erwähnen.
Ein Freund, Theologe und spiritueller Lehrer hat mir schon vor Jahren diesen Satz mitgegeben:
«Du kannst überall still werden, auch inmitten des Lärms».
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1 Gedanke zu „Der Sound der Stille“
Vielen Dank, ein für mich sehr wertvoller Impuls gerade.