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 Lesedauer: 5 Minuten

Der Mensch als Sünder

Mehr Versuchung als Mensch

Freilich, es gibt in der Christentumsgeschichte eine ganz unheilvolle Kompilation verschiedener Elemente, die unter dem Namen „Erbsündenlehre“ zu ganz schrecklichen Folgen geführt haben: Der Ekel vor Frauenkörpern, die Abwehr der Lust, der Kampf gegen körperlich-sinnliches Begehren.

Es gibt diese Wirkungsgeschichte, die unsere Welt vielleicht stärker geprägt hat, als die christliche Hoffnung das bisher vermochte. Die sinnliche Eva – mehr Versuchung als Mensch –, ganz ihrer zügellosen Lust erlegen, wird der Menschheit zum Verhängnis. Der Mann wird dadurch zum schwerschuftenden Arbeiter und Ernährer, die Frau zum Windspiel ihrer Begierde, die im Schmerz der Geburt endet.

Fokus auf den Defiziten

Genau weil diese Geschichte so erzählt worden ist und weil sie bis heute wirkt, ist es gefährlich von Sünde zu sprechen. Nicht nur deswegen: Auch wegen der Idee, dass Sünde – also ein Umstand, den kein Mensch gewählt und zwei Menschen für alle bewirkt haben – ein innerer Defekt ist, dem wir uns mit aller Kraft zu entziehen haben. Die Verängstigten beichten ihre Sünden, folgen Frage-Katalogen, um auch noch den unbewussten Verfehlungen auf den Grund zu kommen.

Der Fokus liegt auf den Defiziten: Wo habe ich gefehlt? Wie anders wäre eine Welt, in der Menschen Priester aufsuchen, um ihnen zu erzählen worauf sie zu Recht stolz sind?

Was, wenn wir eine Kultur hätten, in der wir uns das vorführen, was uns nicht ganz hat scheitern lassen, was verhindert hat, dass wir ganz zerbrochen sind?

Versöhnte Sünder?

Man kann die Rede von der Sündhaftigkeit des Menschen versuchen bei Seite zu schieben. Aber noch dieser Widerstand zeugt von einer destruktiven Energie. Hass kann man nicht einfach vergessen. Liebe überwindet ihn. Vor allem Liebe zu sich selbst. Und man kann sich nicht einfach davon überzeugen, kein Sünder zu sein, man muss sich damit versöhnen.

Aber stimmt das? Soll man sich wirklich damit versöhnen, ein Sünder zu sein?

Wenn jemand etwas glaubt, das nicht zutrifft und darüber hinaus schädlich ist, klären wir ihn über seinen Irrtum auf: „Nein, diese Streifen sind keine Chemtrails. Du kannst das Haus verlassen.“ Und wir würden nicht sagen: „Ja, schlimm diese Streifen. Versuche sie liebevoll anzunehmen.“ Ich glaube aber, dass die Rede vom Menschen als Sünder etwas trifft, das wahr ist und dem wir uns zuwenden sollten. Vielleicht geht das nie mehr unter diesem furchtbaren Wort „Sünde“. Vielleicht ist es kontaminiert und wir müssen es für lange Zeit begraben.

Verdammt, um unsere Endlichkeit zu wissen

Das griechische Wort „ἁμαρτία“ meint das Verfehlen eines Ziels.

Bis heute deuten manche die Sünde als Summe menschlicher Verfehlungen. Sünden sind dann grössere oder kleinere Vergehen, die entweder salonfähig (Süssspeisen, Champagner etc.) oder moralisch verwerflich (Pornografie, Diebstahl etc.) sind.

Die Etymologie des deutschen Worts „Sünde“ ist nicht sicher. Wenn das Wort auf den Begriff „Sund“ zurückgeht, bezeichnet es einen Spalt oder eine Landtrennung. Mir gefällt diese Etymologie.

Sie drückt – jenseits von moralistischen Selbstzerfleischungen – die existenzielle Erfahrung des Getrenntseins aus.

Mit dieser Erfahrung meine ich schlicht den Umstand, dass wir als Menschen dazu verdammt sind, um unsere Endlichkeit zu wissen, qua unseres Egos diese Endlichkeit als Skandal empfinden und spüren, dass dieses Leben zu klein ist, um darin aufzugehen und die Welt zu gross ist, um Heimat zu finden.

Der Sündenfall

Dieses unheimliche Wissen beschäftigt Menschen jeher. Die Geschichte vom Sündenfall in Genesis 3 ist ein Versuch, sie zu bearbeiten. Man kann der Schlange in dieser Geschichte viel List vorwerfen. Aber sie hat nicht gelogen: „Gott weiss, dass euch die Augen aufgehen werden und dass ihr wie Gott sein und Gut und Böse erkennen werdet, sobald ihr davon esst.“ Aber der Preis der Erkenntnis ist hoch. Der Mensch wird zum Menschen: Er empfindet Scham, die Geburt ist gefährlich und schmerzhaft, die Arbeit mühsam.

Der Mensch wird durch Gott von Gott getrennt: „Siehe, der Mensch ist geworden wie einer von uns, zu erkennen Gutes und Böses. Nun, dass er nicht etwa seine Hand ausstrecke und auch noch von dem Baum des Lebens nehme und esse und ewig lebe! Und Gott, der Herr, schickte ihn aus dem Garten Eden hinaus, den Erdboden zu bebauen, von dem er genommen war. Er trieb den Menschen aus und ließ östlich vom Garten Eden die Cherubim sich lagern und die Flamme des zuckenden Schwertes, den Weg zum Baum des Lebens zu bewachen.“

Die Illusion des Getrenntseins

Was immer in der Philosophie- und Theologiegeschichte damit gemacht worden ist:

Die biblische Erzählung vom Sündenfall des Menschen hat nichts zu tun mit moralischen Verfehlungen, sondern mit Erkenntnis.

Darum sagt Jesus: „Wenn ihr blind wäret, hättet ihr keine Sünde. Ihr sagt aber, dass ihr sehend seid. Darum bleibt eure Sünde.“ Und gewiss ist es kein Zufall, sondern grosses Storytelling, dass Salus blind werden muss, um den Herrn zu sehen und zu Paulus zu werden.

Die Sünde, von der wir alle betroffen sind, ist die Illusion des Getrenntseins. Voneinander und von Gott. Wir sehen zwar. Aber wir sehen durch die Brille unserer Angst. Darum erkennen wir nicht unsere Nächste, sondern meinen die Bettlerin, den Asylanten oder die IV-Schmarotzerin zu sehen. Darum sind wir nicht Teil der Natur, sondern stehen ihr gegenüber, als ob sie eine Ressource wäre. Genau deshalb sind Kinder Zukunftsprojekte, Tiere Lebensmittel, Bildung eine Dienstleistung und Religionen so anstrengend.

Wir werden sehen

Eigentlich hätten wir keine Angst. Wir wären verbunden. Es gäbe keinen Tod. Sünde ist für mich kein Defizit, sondern die Verheissung, dass es mehr gibt, als ich jetzt zu sehen vermag: „Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunklen Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, gleichwie ich erkannt bin.“

Sünder bin ich gerne. Denn als Sünder kann ich hoffen. Ich muss mich nicht ständig verbessern. Mein Leben muss nicht alle Wünsche erfüllen. Und ich darf sterben. Ohne verloren zu sein. Ob das nicht auch nur eine Illusion ist? Wir werden sehen.

 

Photo by Julio Rionaldo on Unsplash

19 Kommentare zu „Der Mensch als Sünder“

    1. Als ich Sünder*innen gelesen hatte habe ich aufgehört weiter zu lesen. Typische Satire aber immerhin witzig. Jesus sei mit dir 🥰

  1. Natürlich war die Schlange listig mit seiner Suggestivfrage „Sollte Gott gesagt haben…“
    Wenn aber Stephan davon spricht das die Schlange nicht gelogen habe, so stimmt dies nicht mit der biblischen Erzählung überein.
    Gott zum Menschen:
    „An dem Tage, da du von ihm isst, musst du des Todes sterben.“ (1Mo 2,17)
    Schlange zum Menschen:
    „Ihr werdet keineswegs des Todes sterben.“ (1Mo 3,4)
    Deshalb wird der Teufel in der Bibel auch als der ‚Vater der Lüge‘ bezeichnet:
    „Ihr habt den Teufel zum Vater, und nach eures Vaters Begierden wollt ihr tun. Der ist ein Mörder von Anfang an und steht nicht in der Wahrheit, denn die Wahrheit ist nicht in ihm. Wenn er die Lüge redet, so redet er aus dem Eigenen; denn er ist ein Lügner und der Vater der Lüge.“ (Joh 8,44)
    Der Teufel IST ein Lügner. Es ist aber schon so: er kleidet seine Lügen gerne in Wahrheit. Deshalb ist auch weniger das offensichtlich Unwahre zu fürchten, sondern das scheinbar Wahre.

    1. Lieber Peter,
      ich habe extra nochmals nachgeschaut: In meiner Bibel steht bei Genesis 3 nichts vom Teufel. Da ist von einer Schlange die Rede. In meinem Text auch 🙂 Lieber Gruss!
      Stephan

      1. Und sie sind auch nicht am Tag, da sie gegessen haben, gestorben. Die Schlange sagt die Wahrheit, und tut mir bis heute leid, dass sie dafür verflucht wird…

      2. Die Bibel erklärt sich selbst, man muss sich aber damit beschäftigten und nicht nur das rauspicken, was einem in den Kram passt:

        Offenbarung 12.9:
        Der große Drache, die uralte Schlange, die auch Teufel oder Satan genannt wird und die ganze Menschheit verführt hatte, wurde mit all seinen Engeln auf die Erde hinabgestürzt.

        Offenbarung 20,2:
        Er packte den Drachen, die uralte Schlange, die auch Teufel oder Satan genannt wird, und legte ihn für tausend Jahre in Ketten.

        Auslegung zum Drachen:
        Im Lauf der Menschheitsgeschichte hat sich Satan von einem kleinen unbedeutendem Tier in ein mächtiges Ungeheuer verwandelt. Denn Satan hat mittlerweile Macht über Milliarden von Menschen, die auf Grund seiner Lügengeschichten auf dem Weg in die Verdammnis sind. Matt 7,13: Geht durch das enge Tor! Denn das weite Tor und der breite Weg führen ins Verderben, und viele sind dorthin unterwegs. Wie eng ist das Tor und wie schmal der Weg, der ins Leben führt, und nur wenige sind es, die ihn finden!

        Für mich sieht es so aus, als wärst auch du auf diesem breiten Weg. Ich hoffe, Du kehrst um, solange du noch Zeit dazu hast.

    2. Gott zum Menschen:
      „“An dem Tage, da du von ihm isst, musst du des Todes sterben.” (1Mo 2,17)

      An dem Tage???

      Schlange zum Menschen:
      “Ihr werdet keineswegs des Todes sterben.” (1Mo 3,4)“
      Bezieht sich offensichtlich auf den Tag 1 Mo 2,17

      Die Schlange steht metaphorisch für Klugheit und nicht für einen Teufel.

      „Seid klug, wie die Schlangen……“

      Die Erhöhung einer ehernen Schlange an einem Kreuz in der Wüste erinnert daran.

      Über einen Teufel gibt die Bibel (metaphorisch) Auskunft bezüglich seiner „Bedeutung“. Im Buch Hiob. Da schleicht er/sie/es im Gefolge Gottes von ganz hinten heran.

      1. Gott zum Menschen: “An dem Tage, da du von ihm isst, musst du des Todes sterben.” (1Mo 2,17).
        Schlange zum Menschen: “Ihr werdet keineswegs des Todes sterben.” (1Mo 3,4)”

        Wenn wir uns 1. Mose 2 und 3 durchlesen, kann es eigentlich nur 2 Schlüsse geben:
        1. Der Schreiber war ein absoluter Idiot, weil er nicht mal in der Lage ist, sich in Kapitel 3 daran zu erinnern, was er in Kapitel 2 geschrieben hat.
        2. Bei dem hier beschriebenen „Tod“ handelt es sich nicht um das physische Dahinscheiden.

        Während viele in diesem Forum offensichtlich dazu tendieren, dass Variante 1 zutrifft, glaube ich das nicht. So dumm kann man als Schreiber gar nicht sein!
        Aus der Bibel ergibt sich vielmehr, dass der beschriebene „Tod“ die Trennung von Gott bedeutet, die Trennung von allem, was gut und rein ist. Adam und Eva wurden nach dem Essen der Frucht aus dem Garten Eden geschmissen und von Gott getrennt.

        Epheser 2,4: Aber Gott ist reich an Erbarmen und hat uns seine ganze große Liebe geschenkt 5 und uns mit dem Messias lebendig gemacht – ja, auch uns, die aufgrund ihrer Verfehlungen für ihn tot waren.

        Offenbarung 21,8: … sie erwartet der See, der mit brennendem Schwefel gefüllt ist, das heißt: der zweite Tod.“

        Epheser 2,4: Aber Gott ist reich an Erbarmen und hat uns seine ganze große Liebe geschenkt 5 und uns mit dem Messias lebendig gemacht – ja, auch uns, die aufgrund ihrer Verfehlungen für ihn tot waren.

    3. Lies bitte Dr. Rocco Errico (Noohra Foundation). Er übersetzt die Peschitta. Aus dem aramäischen ist es nicht „ihr werdet sterben“ sondern „ihr werdet EINEN TOD sterben“, also, etwas wird zusammenbrechen o.ä.

  2. Lieber Stephan,
    wenn die biblische, klassisch evangelisch-reformierte (aber auch allgemein-christliche) Lehre von der Sünde für Dich ein Referenzrahmen ist, muss ich Dir sagen, dass dies hier eine Verzerrung und falsche Wiedergabe derselben ist. Gefährlich ist es nicht, von der Sünde zu sprechen, sondern so wie Du hier von der Sünde zu sprechen, nämlich gefährlich für das ewige Heil der Menschen.

    Erstens verharmlost Du die Sünde völlig. Heinrich Bullinger schrieb im Zweiten Helvetischen Bekenntnis: «Unter Sünde verstehen wir aber jene angeborene Verderbtheit des Menschen, die von unseren Voreltern auf uns alle übertragen und fortgepflanzt wurde. Durch sie sind wir versunken in verkehrte Begierden, abgewandt vom Guten, aber geneigt zu allem Bösen, erfüllt mit aller Schlechtigkeit, Mißtrauen, Verachtung und Haß gegen Gott und können aus uns selbst nichts Gutes tun, ja nicht einmal denken. […] Aus diesem Grunde sind wir ganz nach unserem Verdienst dem Zorne Gottes verfallen und werden gerechten Strafen unterworfen…» CHP, VIII. Kapitel. Oder eine andere reformierte Zürcher Stimme aus neuerer Zeit: «Die Sünde ist ein Verderben, das uns alle gepackt hat. Nein, eine Grundverkehrtheit von Gott weg, eine Treulosigkeit gegen den Schöpfer, der uns so viel gegeben und uns treu bleibt, eine schmähliche Abwendung von ihm, die wir alle, alle ohne irgendeine Ausnahme, mitgemacht haben. […] Wie wir alle unsere gemeinsame Lebenswurzel in Gottes Schöpfung haben, so sind wir auch alle im Bösen miteinander verwachsen» (Emil Brunner, «Unser Glaube», S. 43–44). Davon handelt die Lehre der Sünde. Das Wort «Erbe» in der «Erbsünde» meint, dass wir, wie Brunner es für moderne Menschen ausdrückt, im Bösen alle durch «unterirdische Wurzeln miteinander verbunden» sind. «Ekel vor Frauenkörpern» zu haben oder gar die Sexualität oder leibliche Fortpflanzung als Sünde zu sehen, ist damit nicht gemeint, auch wenn man natürlich für jede Verirrung entsprechende Beispiele aus der Kirchengeschichte finden kann. Und welcher Christ und welche Christin vertritt so etwas heute? Es ist also ein bisschen anbiedernd an heutige Trend-Themen, damit in das Thema einzuführen. «Abwehr der Lust, der Kampf gegen körperlich-sinnliches Begehren» kann manchmal am Platz sein, aber das hat nicht seinen Platz in der Lehre von der Sünde als unserer Grundverkehrtheit, sondern bei der Ethik für Christen (Heiligung). Die Lehre von der Sünde sagt nun etwas, was von Ernsthaftigkeit nicht zu überbieten ist: Der heilige Gott kann uns als Sünder nicht akzeptieren. Zur Erlösung der Sünder im nächsten Punkt – zuerst muss man eingestehen: Gottes Zorn ist die gerechte Antwort auf unsere Sünde (vgl. Röm 1, 18).

    Zweitens erwähnst Du — was eng mit dem ersten Missverständnis verbunden ist — Jesus Christus als den Erlöser der Sünder überhaupt nicht. Durch Jesus Christus fällt das Licht in unsere Finsternis und schenkt uns Selbsterkenntnis über die Sünde. «Erst da, wo wir sehen, was es Gott gekostet hat, den Stein zwischen uns und ihm wegzuschaffen, sehen wir, wie gross er war: der Stein der Sündenschuld. Erst durch Christus merken wir, dass der ganze Zug des Lebens in der verkehrten Richtung läuft.» (Brunner, a.a.O.) Und vorallem: Durch ihn werden wir erlöst. Bullinger führt den Satz im abgebrochennen Zitat so weiter: «…so wären wir auch alle von Gott verstoßen, wenn uns nicht der Erlöser Christus wieder hergestellt hätte.»
    Wenn man Sünde aber so versteht wie Du (und ich Dich richtig verstanden habe), bräuchte es gar keinen Erlöser. Dann hätte der Sohn Gottes gar nicht ins Fleisch kommen müssen. Dann hätte Jesus gar nicht das Lamm Gottes werden müssen, das die Sünde der Menschen hinwegnimmt (vgl. Joh 1, 29). Wo ist, in Deiner Theologie, Stephan, der Erlöser, «der im Fleisch gekommen ist»? Und wenn ich meine Kritik ausweiten darf auf weitere Erlebnisse als Besucher Eurer Webseite: Wo ist das Lob von Jesus Christus in der publizistischen Arbeit des RefLab? Wo stimmt man bei Euch ein in das Lob der Propheten und Apostel? «Wer ist ein Gott wie du, der die Sünde vergibt […], der seinen Zorn nicht allezeit festhält, sondern Lust an der Gnade hat (Micha 7, 18)?»

    Drittens erwähnst Du nicht, dass wir durch das Evangelium, das in uns Glauben hervorruft/findet, mit Gott versöhnt werden. Wenn alle Menschen automatisch versöhnte Sünder wären, wohingehend ich Deine Theologie verstehe, warum rief dann Jesus zur Busse und zum Glauben an das Evangelium auf? Warum müssen Menschen dann noch versöhnt werden (vgl. 2Kor 5, 20: «Wir bitten an Christi Statt: Lasst euch versöhnen mit Gott!»)?

    Soli Deo gloria

  3. Sehr anregend — danke, Stephan.
    Ich verstehe Sünde im Kern als Getrenntsein von Gott. Das ist grundsätzlich einmal eine objektive Beschreibung unseres Zustands und per se nicht ehrenrührig. Dieses Getrenntsein ist jedoch auch die Quelle unserer moralischen Verfehlungen. Insofern finde ich es wichtig, an einer lebendigen Beziehung zu Gott (d.h. einer „Überwindung“ der Sünde) zu arbeiten.
    Richtig ist zweifelsohne, dass das Wort Sünde selbst so „verbraucht“ und belastet ist, dass es kaum noch ohne viel Erklärung benutzt werden kann…

  4. Lieber Lukas,
    einige Anregungen zu deinen Ausführungen.

    Lukas:
    „Unter (Erb-)Sünde verstehen wir aber jene angeborene Verderbtheit des Menschen, die von unseren Voreltern auf uns alle übertragen und fortgepflanzt wurde.“

    Mt 19,14 Da sagte Jesus: »Lasst die Kinder zu mir kommen; hindert sie nicht daran! Denn gerade für solche wie sie ist das Himmelreich.«

    Mt 21,15 Aber die Wunder, die er tat, und der Jubel der Kinder, die im Tempel riefen: »Gepriesen sei der Sohn Davids!«, erregten den Unwillen der führenden Priester und der Schriftgelehrten.
    Mt 21,16 »Hörst du eigentlich, was die da rufen?«, sagten sie zu ihm. »Gewiss«, erwiderte Jesus. »Habt ihr nie das Wort gelesen: ›Unmündigen und kleinen Kindern hast du dein Lob in den Mund gelegt‹?«

    Damit ist die Erbsünde vom Tisch.

    „Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder“ sind………

    Lukas:
    Zweitens erwähnst Du — was eng mit dem ersten Missverständnis verbunden ist — Jesus Christus als den Erlöser der Sünder überhaupt nicht.

    Stephan ist schon bei Schritt 2, den du gar nicht erwähnst:

    Stephan scheint mir auch genau davon zu reden, dass deine komplizierte Erbsündenlehre ja genau das Problem ist.
    Die Menschen sind darin festgenagelt. Bevor sie sündigen, denken sie schon mit Angst an die Beichte. Eingezwängt, verstört…..immer nur beichten und jeden Tag dreimal Buße tun. Immer nur Angst, nicht zu genügen sondern in die Hölle zu kommen, wenn sie mal was vergessen sollten beim Buße tun.
    Wer denkt sich sowas aus? Wahrscheinlich der alte katholische Herr Augustinus. Er lebt noch.
    Bei ihm haben Herr Bullinger und Herr Brunner offensichtlich abgeschrieben. Leben sie noch? Ja, in den Köpfen der Verunsicherten. Tags und besonders Nachts in ihren Alpträumen von der Hölle.

    Lukas:
    Wo ist das Lob von Jesus Christus in der publizistischen Arbeit des RefLab?

    Genau hierin liegt es…. nämlich in Dankbarkeit und in Verehrung Gottes, sich nicht ständig mit den eigenen Sünden herum quälen zu müssen, die geschehen, sondern frei durchatmen zu dürfen und sich fröhlich der Aufgabe eines Christen als liebender und zugewandter, geistlich gesunder Christ hinwenden zu können zu den Verlorenen in jeglicher Weise. Das ist Beten UND ARBEITEN.
    Der Glaube (incl. Buße oder nicht) ist TOT und bedeutet ohne Taten/Werke den Tod.
    Aber das ist ein anderes Thema.

    Lukas:
    Zur gerechten Strafe bzw. Hölle, „zum ewigen Heil“.

    Jes 57,16 Denn ich will nicht immerdar hadern und nicht ewiglich zürnen; sonst würde ihr Geist vor mir verschmachten und der Lebensodem, den ich geschaffen habe.
    LT

    1. Lieber Tom, herzlichen Dank für diese schöne Antwort! Ich finde mich darin gut getroffen 😉 Besonders zu Punkt 2: Aus meinem Verständnis kommt das Reich Gottes von der Überwindung der Welt, von der Freude am Heil, her. Wer darauf den Blick richtet, ist schon jetzt Teil davon – auch wenn wir es noch nicht haben und nicht anders als im Glauben sehen.
      Die Reformatoren präsentieren dazu eine mögliche Deutung. Sie ist für mich nicht sakrosankt. Und besonders was das Menschenbild angeht, gehe ich lieber mit Erasmus (für den übrigens Jesus Christus gewiss nicht redunadant war!), als mit Luther oder Bullinger.
      Lieber Gruss aus den Ferien!
      Stephan

    2. zu Jesaja 57,16: Immer schön den Kontext beachten. Dieser Vers bezieht sich eindeutig (!) auf das Volk Gottes (die Juden), denen Gott schon in 5. Mose 28, 15-68 mit seinem Zorn und massiven Strafen gedroht hatte, falls sie seine Weisungen ignorieren würden.

    3. zu den Kindern: Auch hier gilt: sowohl den konkreten Kontext als auch andere Bibelstellen beachten.
      Die zitierten Bibelstellen sind kein Argument gegen die Erbsünde. Vielmehr geht es hier um die Herzenshaltung der Kinder, die Voraussetzung für die Errettung vor der Hölle ist. Im Gegensatz dazu haben wir diejenigen, die mit ihrem Intellekt gegen den Messias argumentieren.
      Dazu 1. Korinther 3,18-19: Niemand soll sich etwas vormachen. Wenn jemand von euch meint, in dieser Welt weise zu sein, muss er erst einmal verstehen, wie töricht er ist, damit er wirklich weise wird. Denn was diese Welt für weise hält, ist nichts als Dummheit vor Gott.

  5. Sünde ist m. E. ein Konflikt mit Gott. Dumm ist nur, dass Gott die Quelle allen Lebens ist und der Mensch kein unsterbliches Leben in sich selber hat – zumindest nicht, bevor er von diesem anderen Baum des Lebens gegessen hat.

  6. Du schreibst:
    Zu den grossen Peinlichkeiten des Christentums – … – gehört zweifellos die Behauptung, dass alle Menschen Sünder*innen sind. Einfach so, durch Geburt, noch bevor man etwas getan oder unterlassen hat.

    Darauf folgen mehrere Texte, die mir dazu keine griffige Antwort geben.

    Ich frage:
    Warum ist der Mensch schon durch die Geburt her sündig?
    Warum ist die Geburt schon Sünde?

    Welche Logik steckt dahinter?

  7. Interessanter Text und spannende, differenzierte Antworten teilweise 😉

    Ich oute mich gleich auch als „Kontext-beachten-Fan“.

    Aber jetzt von Vorne:
    „Zu den grossen Peinlichkeiten des Christentums – gleich nach der Jungfrauengeburt – gehört zweifellos…“

    Gott tut ein einzigartiges Wunder an Maria. Peinlich?
    So bin ich schon nach dem ersten Satz verwirrt…
    und frage mich:
    Ist es auch „peinlich“, dass Jesus Menschen heilte, auf dem Wasser ging, 4000 und mehr Personen mit wenig Brot und Fisch satt machte,…? Warum sich schämen für die wunderbarsten und zugegeben wunderlichsten Dinge, die unserem grossen Gott ein Kleines sind?

    Wenn ER etwas tut, was ich Mensch*in (…) nicht als rational beurteilen will, kann es entweder nie geschehen sein oder es passierte wohl einfach ganz anders. Beispiel: Plötzlich holten alle die vielen Essensvorräte raus, die sie vorher verborgen hatten und teilten miteinander und es blieben Körbe voll Essensreste übrig. Ein sozialistisches „Wunder“. Und das war’s dann?

    Gott sei Dank bleibt Wahrheit, was sie*ER (Jesus) ist, auch wenn wir sie*IHN nicht ganz verstehen oder glauben und darum wegdiskutieren.
    Möge Gott dir und mir wieder von dem kindlichen Glauben schenken, dass ER es gut mit uns meint und dass ER uns retten kann von den Konsequenzen unserer Sünde(n).
    ER will uns auffangen, wenn wir den Ast des Nichtvertrauens loslassen.

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