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Ausgeglaubt: Wie soll ich leben?

Die Frage nach dem «guten Leben» wird in der Philosophie wieder angeregt diskutiert, nachdem sie für lange Zeit in Verruf geraten ist. Auch Bücher wie Jordan Petersons «12 Rules for Life», die Tipps zum gelungenen Leben weitergeben, feiern grosse Erfolge. Manuel und Stephan nehmen in dieser Episode Mass an einer denkwürdigen Jesusgeschichte, in der deutlich wird, wie einfach es eigentlich ist, ein gutes Leben zu führen… und wie unendlich komplex es dann doch werden kann.

4 Kommentare zu „Ausgeglaubt: Wie soll ich leben?“

  1. Herzlichen Dank für Eure interessanten und auch zeitkritischen Überlegungen.

    Ähnlich wie andere antike Philosophien empfinde ich das Christentum eigentlich auch als individuell eudaimonistisch orientiert, nur dass das persönliche Glück auf die Zeit nach der Auferstehung verschoben wird. Diese „verzögerte Gratifikation“ spricht in einer Zeit des Überflusses weniger Menschen an, so dass neben dem Individualismus wohl auch der Wohlstand mitverantwortlich ist am abnehmenden Interesse an (organisierter) Religion.

    Ehrlich gesagt, beschäftigt mich persönlich weniger die Frage nach dem „guten“ Leben als jene nach einem „sinnvollen“ Leben. Wie Ihr analysiert habt, vermögen Jesu Ratschläge an den reichen Jüngling wohl mithelfen, dass er ein sorgloseres Leben führen kann, und es ist ja auch so, dass seine Umwelt von diesem Lebensstil profitiert (oder zumindest nicht Schaden nimmt). Aber wird das Leben des Jünglings damit bereits sinnvoll? Würdet Ihr hier gut und sinnvoll synonym verwenden, oder wie unterscheiden sich diese?

  2. Was macht ihr denn da, aus der Frage des reichen Jünglings?
    Sowohl in Mt 19,16 als auch in Mk 10,17 und ebenso in Lk 18,18 fragt der Jüngling Jesus danach was er tun soll um das EWIGE Leben (Mt: zu haben) zu erben (Mk und Lk: von Wem denn erben?) und nicht nach einem guten Leben im philosophischen Sinne. Es handelt sich also um eine religiöse, eschatologische Fragestellung und dem Weg der zu diesem Ziel führt. In der Antwort Jesu geht es, je nach Evangelium folgerichtig darum, vollkommen zu werden, einen Schatz im Himmel zu haben bzw. darum ins Königtum Gottes hinein zu gehen, was den Jüngling seinen ganzen Reichtum kosten würde, und darüber hinaus die Nachfolge Jesu. Das betrübt den Jüngling.

    Bei der Frage nach dem Nächsten im Gleichnis vom barmherzigen Samaritaner geht es auch darum, sich an das Geschriebene zu halten. Da wird Jesus eigentlich nach dem EWIGEN Leben gefragt. Jesu Antwort bezieht sich auf das, was der Gesetzeslehrer im Gesetz gelesen bzw. daraus zitiert hat (aber vor allem um das, was er dort nicht gelesen bzw. nicht zitiert hat). „Tu so, und du wirst leben“. Jesus beantwortet damit nicht die ursprüngliche Frage nach dem EWIGEN Leben, denn dafür wären die Kosten höher, als das, was der Gesetzeslehrer äußerte, weshalb Jesus eben einen Samaritaner, einen Fremden, ja sogar Andersgläubigen im Land Juda anführt.

    Immerhin hat Stephan in seinen Beispielen die Beziehung zu Fremden ins Spiel gebracht, als es darum ging, wer der Nächste denn sei. Wahrscheinlich weil er im Gesetz weiter gelesen hat als der Gesetzeslehrer im Gleichnis und unsere deutschsprachigen Bibelübersetzer, welche beim Doppelgebot der Liebe meist nur auf Lev 19,18 verweisen aber Lev 19,34 nicht erwähnen. Dort kann man nämlich folgendes lesen:

    „Der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll euch wie ein Einheimischer gelten und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid selbst Fremde in Ägypten gewesen. Ich bin der Herr, euer Gott.“

    1. Danke Andreas für die engagierte Rückmeldung! Zum ewigen Leben: Ich glaube nicht, dass man diesen Ausdruck in einen allzu scharfen Gegensatz zum »guten Leben« setzen sollte. Allem Anschein nach ist das eben kein eschatologischer Begriff, der eine zukünftige Existenz bezeichnet, sondern eher ein Qualitätsbegriff, der das gegenwärtige (und natürlich in die Zukunft führende) Leben in der Gegenwart Gottes meint.

      1. „Allem Anschein nach …“ ist ein schwer nachvollziehbares Argument, solange es nicht mit Inhalten gefüllt wird.

        Jesus lässt das Wort „gut“ nicht einmal für sich selbst gelten. Gut ist einzig Gott. Der Sinn dieser Einleitung ist, dass es eben nicht um „das Gute“ geht, sondern um die Auferstehung der Toten. Nicht ich stelle „gut“ (agathos) und ewig (aionios) in einen scharfen Gegensatz, sondern diese Einleitung hat das bereits erledigt.

        Das Besondere an diesem Jüngling ist, dass er Jesus anspricht, obwohl es ihm alles andere als „schlecht“ geht. Da er die von Jesus aufgezählten Gebote hält, hat er keinen Grund sich für einen schlechten Menschen zu halten. Deshalb ergibt es keinen Sinn, wenn er fragen würde, was er tun solle um ein gutes Leben zu führen. Das lebt er doch schon, sowohl materiell als auch religiös. Ihm liegt etwas anderes auf dem Herzen, etwas das über dieses Leben hinausgehen könnte.

        Hintergrund dieses Dialoges ist, dass manche Juden (z.B. die Pharisäer) die Auferstehung der Toten lehrten und andere (z.B die Sadduzäer) nicht daran glaubten (Mt 22,23-33). Der Jüngling, nur im MtEv ist es ein Jüngling, im MK (irgend-)einer, bei Lk ein Oberster, Vorsteher, Ältester wobei aber nicht klar ist, welcher jüdischen Glaubensrichtung er vorsteht. In jedem Fall muss man wohl davon ausgehen, dass es ein Jude war, da er Jesus als guten Lehrer anspricht.

        Der Jüngling will wissen, wie Jesus seine Frage nach der Auferstehung und dem ewigen Leben beantwortet. Weil er die Gebote dem Gesetz (der Thora) entsprechend hält, bräuchte er sich keine Sorgen machen und könnte beruhigt gehen. Doch die Frage nach dem ewigen Leben ist für ihn damit noch nicht geklärt, denn dem Gesetz fühlten sich alle Juden verpflichtet – aber an die Auferstehung der Toten glaubten damals eben nicht alle Juden. Darum bohrt der Jüngling noch einmal nach. Die eigentliche Frage des Jünglings ist also die nach dem ewigen Leben, und das ist eine eschatologische Fragestellung. Für den zugesagten Schatz des ewigen Lebens im Himmel auf die weltlichen Güter zugunsten der Armen zu verzichten betrübt den Jüngling. Ob er es tat und Jesus nachfolgte oder nicht, erfährt man nicht. Was man an seiner Stelle glauben und tun solle, ist aus nachösterlicher, christlicher Sicht des Autors eine rein rhetorische Frage.

        Es fällt mir schwer, den direkt darauf folgenden Kontext bei allen drei Synoptikern nicht eschatologisch zu verstehen. Wie soll das gehen?

        Mt 19,27-29
        Da antwortete Petrus und sprach zu ihm: Siehe, wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt; was wird uns dafür? Jesus aber sprach zu ihnen: Wahrlich ich sage euch: Ihr, die ihr mir seid nachgefolgt, werdet in der Wiedergeburt, da des Menschen Sohn wird sitzen auf dem Stuhl seiner Herrlichkeit, auch sitzen auf zwölf Stühlen und richten die zwölf Geschlechter Israels. Und wer verläßt Häuser oder Brüder oder Schwestern oder Vater oder Mutter oder Weib oder Kinder oder Äcker um meines Namens willen, der wird’s hundertfältig nehmen und das ewige Leben ererben.

        Mk 10,29-30
        Jesus antwortete und sprach: Wahrlich ich sage euch: Es ist niemand, so er verläßt Haus oder Brüder oder Schwestern oder Vater oder Mutter oder Weib oder Kinder oder Äcker um meinetwillen und um des Evangeliums willen, der nicht hundertfältig empfange: jetzt in dieser Zeit Häuser und Brüder und Schwestern und Mütter und Kinder und Äcker mitten unter Verfolgungen, und in der zukünftigen Welt das ewige Leben.

        Lk 18,28-30
        Da sprach Petrus: Siehe, wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt. Er aber sprach zu ihnen: Wahrlich ich sage euch: Es ist niemand, der ein Haus verläßt oder Eltern oder Brüder oder Weib oder Kinder um des Reiches Gottes willen, der es nicht vielfältig wieder empfange in dieser Zeit, und in der zukünftigen Welt das ewige Leben.

        Allem Anschein nach ist ewig (aionios) in diesem Zusammenhang ein eschatologischer Begriff.

        Soviel zu dem wenigen, das ich Euch nicht glaube, und dem, was mir wichtig bleibt. Euren Podcast finde ich übrigens sehr gut, und höre ihn gerne und regelmäßig.

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