Diese Folge taucht in die Beschäftigung mit den zentralen Figuren mittelalterlicher Philosophie ein – und nimmt sich den Vater der «scholastischen Theologie» vor: Anselm von Canterbury. Theologisch ist er besonders bekannt durch die sogenannte Satisfaktionslehre, einen anspruchsvollen und umstrittenen Versuch, die Notwendigkeit des Kreuzestodes Jesu zu erklären.
Uns interessiert hier aber vielmehr das Bemühen Anselms, den christlichen Gottesglauben überhaupt in den Herausforderungen seiner Zeit zu verteidigen – und namentlich sein Versuch, die Existenz Gottes mit rationalen Mitteln nachzuweisen (man spricht dabei vom «ontologischen Gottesbeweis»). Im Zuge seiner Argumentation wird Gott als derjenige bestimmt, «über den hinaus nichts Grösseres gedacht werden kann»: eine Definition, welche die Religionsphilosophie bis heute bestimmt.
Peter macht auch deutlich, dass es sich bei Anselms Argumentation nicht um einen intellektuellen Überwältigungsversuch handelt, sondern vielmehr darum, unter den geistesgeschichtlichen Voraussetzungen seiner Zeit den Gottesgedanken zu plausibilisieren. Es ist darum gerade kein Widerspruch, dass Anselm seine Argumentation mit einem Gebet, einer Anrufung Gottes beginnt.
Unsere Diskussion macht dann auch klar, dass wir bis heute nicht umhinkommen, von bestimmten Axiomen auszugehen, um überhaupt Erkenntnisse gewinnen und sie nachvollziehbar kommunizieren zu können. Es gibt mit anderen Worten keine Beweisführungen ohne Voraussetzungen, die sich nicht weiter begründen lassen – das gibt nicht zuletzt Anlass zur Bescheidenheit…
Zu den Beitragenden
Manuel Schmid ist Co-Leiter von RefLab. Er wurde mit einer religionsphilosophischen Arbeit promoviert und liebt es, unsere Zeit und Gesellschaft durch vertieftes Nachdenken und angeregtes Diskutieren besser verstehen zu lernen.
Heinzpeter Hempelmann ist Professor für Systematische Theologie und Religionsphilosophie, Autor von über 40 Büchern und 500 Aufsätzen (viele davon sind hier kostenlos abrufbar). Er ist ausgewiesener Experte in Fragen der Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie sowie der Lebensweltforschung – und er hat eine Leidenschaft für die verständliche Vermittlung komplexer philosophischer und theologischer Sachverhalte.
1 Gedanke zu „Anselm von Canterbury: Lässt sich Gottes Existenz beweisen?“
“‘There is one and only one entity x which is most perfect; that one has all perfections; existence is a perfection; therefore that one exists’. As a proof, this fails for want of a proof of the premiss “there is one and only one entity x which is most perfect'” (Bertrand Russell)