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 Lesedauer: 4 Minuten

Irgendwie anders, aber irgendwie gut: alkoholfreier Januar

Heute ist der 31. Der letzte Tag des alkoholfreien Januars (#dryjanuary), für mich das sechste Jahr in Folge. Zwei Erkenntnisse:

  • Gott sei gelobt für alkoholfreies Bier.
  • Im Begriff „Alkohol-frei“ steckt was Wahres.

Ein Bier wär jetzt schön!

Vielen verleidet das Trinken gegen Ende Dezember ein wenig. Firmenessen, Familienfeiern, Silvester – irgendwann ist auch mal genug Wein geflossen. Nach einer Woche ohne freut man sich dann aber auch wieder auf einen gespritzten Weissen. Zumal die Tage länger werden und man um 16 Uhr noch draussen an der Sonne sitzen kann – Apérowetter!

In früheren Jahren fiel mir der Verzicht teilweise sehr schwer. Ein Konflikt am Arbeitsplatz, eine stressige Fahrt im Abendverkehr: Ein Bier wär halt dann schon schön.

Mein RefLab-Kollege Stephan Jütte hat aber überraschenderweise festgestellt, dass das kühle Blonde in diesen Situationen gar nicht lockerer macht: Im #dryjanuary habe er mehr Nerven und Geduld, etwa für den Kinderlärm zu Hause, wo er sonst am Feierabend gerne mal zu einem Bier greift. Bei mir gab es in den letzten 31 Tagen zwei Situationen, wo ich gestresst war und am liebsten einen Drink gehabt hätte. Beim ersten Mal wartete ich einfach ab und irgendwann waren die Emotionen wieder ruhiger, die Lust auf ein Bier vergessen. Es geht also auch ohne!

Selbstoptimierung und Minimalismus

Beim zweiten Mal war schon gegen Ende Monat. Ich überlegte mir, den #dryjanuary vorzeitig zu beenden und mir in der Bar, wo ich Freunde traf, ein Glas Weisswein zu gönnen. Ich bestellte stattdessen ein alkoholfreies Bier – auch (oder nur?) deswegen, weil wir an diesem Abend von vier Personen drei waren, die auf Alkohol verzichteten. Der Frust ging vorbei – und ich hatte am nächsten Morgen einen klaren Kopf.

Alkoholfreier Lebensstil ist gut möglich, wenn man nicht alleine ist oder aber selbstbewusst und entschieden dazu steht. In gebildeten, urbanen Bubbles sind Selbstoptimierung, Gesundheit und Minimalismus hoch im Kurs – dazu passt der Verzicht auf Alkohol.

Nüchtern fühlt sich besser an

Beim Joggen am nächsten Tag keine schweren Beine, auf der Piste mit klarem Kopf die Winterluft einatmen: Nüchtern lebt sich’s besser, der Unterschied ist auch für Gelegenheitstrinkerinnen spürbar. Ein Monat reiche schon, um den Körper signifikant zu entgiften, sagt der auf Alkoholforschung spezialisierte Mediziner Helmut Seitz in einem SPIEGEL-Interview. Eine geschädigte Leber etwa könne sich innert eines Monats schon sehr weit erholen.

Seitz ist aber nicht prinzipiell Alkoholgegner: „Natürlich ist es nicht schlimm, hin und wieder mal ein Bier mit Freunden zu trinken.“ Doch meist bleibe es eben nicht bei einem Bier, und mehr als 1dl schädige den Körper (bei Frauen, bei Männern sind es 2dl). Seitz: „Das Organ, das am empfindlichsten auf Alkohol reagiert, ist die weibliche Brustdrüse. Das wissen die wenigsten. Bei Frauen steigt daher das Risiko für Brustkrebs.“

Auch in Punkto Sucht sind Frauen anders gefährdet als Männer; dazu veröffentlichte die NZZ am Sonntag kürzlich ein interessantes Interview. Auch mit diesem Bewusstsein ging ich in meinen alkoholfreien Januar.

Fleischverzicht ist einfacher

Im #dryjanuary realisiert man aber auch, wie wenig Alternativen zu Alkohol es gibt, zumindest wenn es um den sozialen Aspekt geht. Alkoholfreies Bier und Tee sind für soziale Trinker*innen die einzigen validen Ersatzprodukte. Leider sind nicht alle alkoholfreien Biere geniessbar, und Tee geht auch nicht in jedem Kontext. So kann ein festliches Essen mit Freunden und einem guten Wein auf dem Tisch als Nicht-Trinkerin schon schwierig sein.

Insofern unterscheidet sich der #dryjanuary vom #veganuary: Zu Fleisch gibt es inzwischen viele vegane Alternativen, die auch noch hip und lecker sind.

„Flexitarierin“, aber bezüglich Alkohol

„It takes 30 days to break a habit“, habe ich mal gelesen. Ich werde jetzt sicher nicht abstinent, aber mein sechster #dryjanuary war überraschend wohltuend.

Vielleicht handhabe ich es wie mit dem Fleischkonsum, wo ich mich zu den „Flexitariern“ zähle (so ein- bis dreimal im Monat Fleisch aus tierfreundlicher Haltung).

Und dann gibt’s ja noch die Fastenzeit: Vielleicht mache ich dann gleich nochmals alkoholfrei.

4 Tipps für Alkoholverzicht

Zum Beispiel für die Fastenzeit (26.2. bis 11.4.):

  • Es hilft, wenn man eine Woche die Grippe hat und die Lust nach Bier und Wein und überhaupt der Appetit inexistent ist. (Trotzdem wünsche ich Ihnen das natürlich nicht, und im Frühling ist das Immunsystem ja auch schon wieder stärker als im Januar.)
  • Manche Katholiken wechseln zwischen „strengem Fasten“ unter der Woche und „leichtem Fasten“ am Wochenende ab. Davon abgeleitet machen manche #dryjanuary mit Jokertagen. Sie geben einem scheinbar eine gewisse Flexibilität. Nur: Es ist ganz und gar nicht einfacher, sich täglich für oder gegen den #dryjanuary entscheiden zu müssen. Also besser keine Jokertage.
  • Die alkoholfreie Zeit nicht alleine zu machen, hilft. In schwierigen Situationen kann man sich mit jemandem austauschen.
  • Eine Belohnung kann motivieren: Schenken Sie sich selber etwas, was Sie sich sonst nicht gönnen würden, wenn Sie das Alkoholfasten erfolgreich hinter sich gebracht haben.

3 Kommentare zu „Irgendwie anders, aber irgendwie gut: alkoholfreier Januar“

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