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Niklaus Brantschen: Gott loslassen – um Gottes willen!

Viele Menschen möchten meditieren, haben aber Schwierigkeiten mit Gott. Welche Botschaft könnte da befreiender sein, als den Gott, an den wir nicht glauben können, einfach loszulassen? Hört rein in das Gespräch, das Johanna Di Blasi mit dem Autor des Bestsellers «Gottlos beten», Niklaus Brantschen, im Lassalle-Haus geführt hat.

Niklaus Brantschen wurde 1937 geboren. Er ist ein Schweizer Jesuit, Zen-Meister («inka shōmei») der White Plum Sangha-Linie und Mitgründer des Lassalle-Hauses. Als 22-Jähriger trat er in den Jesuitenorden ein. An der Universität Tübingen studierte er u.a. bei Jürgen Moltmann und Hans Küng, seine Lizenziatsarbeit schrieb er über Dietrich Bonhoeffer. Er publizierte eine Fülle von Büchern, darunter «Via Integralis: Wo Zen und christliche Mystik sich begegnen» (2011), «Fasten für Körper, Geist und Seele» (2012) und «Es geht um die Liebe: Aus dem Leben eines zölibatären Paares» (2013).

Ein Blogbeitrag zu Johanna Di Blasi Besuch bei Niklaus Brantschen findet sich hier.

Niklaus Brantschens jüngstes Buch «Gottlos beten. Eine spirituelle Wegsuche» ist im Patmos-Verlag erschienen.

Informationen zum Lassalle-Haus und seinem Programm gibt es hier.

Ein Interview mit Niklaus Brantschen in der Reihe «Sternstunde Religion» des SRF-Kultur wurde im Zendo (Zen-Halle) des Lassalle-Hauses aufgenommen und wurde mehr als eine halbe Million Mal angeklickt.

7 Kommentare zu „Niklaus Brantschen: Gott loslassen – um Gottes willen!“

  1. Interessant besonders das Thema der Göttlichkeit des Menschen, ca. min 34-36: „Gott wird Mensch, damit wir Menschen Gott werden. Das hat mit Vergottung nichts zu tun…. Das ist eine Wirklichkeit, die erfahren werden kann….sobald ich einen mystischen Zugang nehme.“

    Ich denke, dass Christen ohne Zen-Meditation eine Gottverbundenheit erfahren, einfach durch den innewohnenden Geist Christi, den sie als eine Wiedergeburt erleben. Das bedeutet jedoch bei weitem nicht, dass Christen nun Eigenschaften besitzen, die man gemeinhin einem Gott zuschreibt (Souveränität, Allmacht). Ganz im Gegenteil: Durch den innewohnenden Geist erfährt sich ein Christi ganz besonders von Gott als einer externen Person abhängig. Denn ohne mich könnt ihr nichts tun. M. E. wird in der christlichen Theologie zu wenig differenziert, zwischen dem innewohnenden Geist Christi und dem Heiligen Geist Gottes. Der innewohnende Geist macht total abhängig von Gott (so wie es Jesus auch von seinem Vater war), während der Heilige Geist als Teil der Dreieinigkeit weht wo er will, die gleiche Souveränität und Kraft besitzt, wie Gott auch. Interessant ist auch, dass die Jünger den Heiligen Geist (als innewohnend, nehmt hin) vor dem Pfingstereignis bereis schon erhalten.

    Wenn man davon spricht, dass der Mensch Gott werde und nicht weiter differenziert, wird man sich dem Vorwurf der Vergöttlichung des Menschen und damit dem Vorwurf der Ursünde nicht entziehen können.

  2. Herzlichen Dank für dieses tiefgehende und reichhaltige Gespräch! Es hat mir gut Impulse gegeben und auch einiges zusammengefügt, was ich in der letzten Zeit innerlich bewegt habe.

    An der Aussage mit der Gottwerdung des Menschen bin ich auch hängengeblieben. Ich meine, bei Luther steht das mit dem Wechsel in einem anderen Kontext, nämlich in der Gegenüberstellung von Sünder und Gerechtem (also der Wechsel besteht darin, dass Jesus zum Sünder wurde, damit der Sünder zum Gerechten wird). Gibt es denn Inden biblischen Schriften und der Tradition Anhaltspunkte dafür, dass das „Ziel“ Gottes mit uns Menschen ist, dass wir Gott werden?

    1. Hallo Katharina
      was für ein packendes Thema, dass mich seit meiner Begegnung mit der Orthodoxen Kirche des Ostens beschäftigt. Der Gedanke der Vergöttlichung (Theosis) hat – grob gesagt – eine seiner Wurzeln in der platonischen Idee eines Erziehungsprozesses (griech. paideia), durch den der Mensch Gott ähnlicher wird. Eine weitere Wurzel ist die biblische Lehre von der Gottebenbildlichkeit des Menschen (1Mose 1,27), die ihr Ziel darin findet, dass der Mensch verwandelt wird in das vollkommene Bild des ewigen Kindes Gottes, Jesus Christus (Römer 8,29; Kolosser 1,15ff.). Die wichtigsten Hinweise im Neuen Testament sind wohl 1Johannes 3,1-2; 2Petrus 1,4: Wir werden der göttlichen Natur teilhaftig werden.
      Es wäre jetzt richtig lohnend, wenn wir nachdenken würden darüber, dass die Westkirche und dann vor allem auch die evangelischen Kirchen den Gedanken der Vergöttlichung des Menschen im Hintergrund gehalten, oft eher kritisch betrachtet haben. Insgesamt geht es in der christlichen Theosisvorstellung nicht darum, dass der Unterschied von Gott und Mensch von irgendeiner Seite her aufgelöst wird, sondern dass Gott uns Menschen vollkommen Anteil geben will an seiner Liebe und seinem Leben. Ich springe einfach mal zu Calvin und Luther, bei denen sich erstaunliche Aussagen finden:
      „Das Ziel, zu dem das Evangelium uns führen will, ist also: dereinst Gott gleich zu sein, d. h. sozusagen, vergottet werden … wir werden alle Laster des Fleisches ablegen und der göttlichen Unsterblichkeit und seligen Herrlichkeit teilhaftig werden, so dass wir gleichsam eins mit Gott werden, soweit es unsere Art zulässt“ (Calvin: Der zweite Brief des Apostels Petrus).
      … alles, was er [Christus] ist und vermag, ynn uns vollig sey und krefftig wircke, das wir gantz vergottet werden“ (Luther: Sermon von Stärke und Zunehmen des Glaubens und der Liebe).
      Anscheinend haben auch die Reformatoren nicht nur an die Rechtfertigung des Sünders, sondern an die Vollendung und Vergöttlichung des Menschen gedacht. Mir hat die Theosislehre geholfen, eine sündenfixierte Vorstellung vom Menschen zu überbieten durch den Gedanken, dass Gott durch seinen Geist so in mir wohnt und ich in ihm, dass ich eines Tages ungetrübt sein Leben und Lieben mitvollziehen werde. In einem Transhumanismus endet das nicht, im Gegenteil: Vergöttlichung führt in die Fülle des Menschseins.

      1. Im Nachdenken kam mir, dass möglicherweise eine allzu anthropomorphe Gottesvorstellung dem Gedanken der menschlichen Gottwerdung (oder Mit-Gott-Einswerdung) im Weg stehen könnte.
        Wenn ich Gott aber nach 1.Joh.4 als „Liebe“ definiere, wäre es für mich sehr wohl ein Wunsch oder als Ziel vorstellbar – und es deckt sich mit einer tiefen Sehnsucht-, dass alle einmal in dieser Liebe aufgehen, zu vollkommen Liebenden werden.

  3. Hallo zusammen,
    die langen Schatten von Anselm haben m. E. dazu geführt, dass in der Erlösungslehre nur schuldfokussiert gedacht wird. Dabei wäre es notwendig, die Erlösungsdimension des Bluts von der des Leibs Christi deutlich zu unterscheiden. In meinem Erlösungsentwurf tue ich das. Auch herrscht bzgl. der Anthropologie des Menschen eine gewisse Unsicherheit vor. Ich schlage vor, das zu unterscheiden, was mir bereits geschenkt ist und wo ich durch Glauben und den innewohnenden Geist sofort eintreten kann (vgl. 2 Petr 1,3), von dem, was sich durch einen langsamen sukzessiven Transformationsprozess mit der Zeit entwickelt. Das Letztere ist nämlich mein Herz. Mir hat die kleine hebräische Anthropologie Sr. Margarete Gruber hier sehr weitergeholfen. Darauf u.a. baute ich das Kapitel von der Erlösung des Leibes auf.
    Gruss Tobias

  4. Danke für eure Kommentare und Denkanstösse. Ich habe mit Niklaus Brantschen kein dogmatisches Gespräch geführt, sondern ein existenzielles. Meine Fragen an ihn sind existenzielle Fragen, Fragen, die ich tatsächlich habe, Fragen, die mein Leben betreffen, aber nicht nur meines. Mit seiner Gastfreundlichkeit und Güte hat er einen Raum geöffnet, in dem Resonanz spürbar und Begegnung möglich wurde. Es war ein unaufgeregtes, gelassenes, heiteres Gespräch, bei dem unser Atem ganz natürlich fliessen konnte. Er verfolgt unsere Diskussion aufgeschlossen und ist, wie ich, angetan von Andys hochprofessioneller pneumatologischer Flugbahn. Sehr schön auch die Belege aus der Reformationsgeschichte. Danke lieber Kollege. 🙂

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